Herr Weber, im Mai soll Ihr Radiosender Antenne MV in 80s80s Radio umbenannt werden. Das klingt ein wenig nach Kapitulation, oder?

Das ist keine Kapitulation, sondern ein Agieren im Wandel der Zeit. Sieht man sich das Sendesystem an, in das unser Sender hineingeboren wurde, dann gab es 1993 eigentlich nur einen Konkurrenten, der sich Mecklenburg-Vorpommern als sein Ziel ausgesucht hat - und das war NDR 1. 28 Jahre später hat alleine der NDR sieben Programme, mit denen er im Bundesland grundversorgt. Dazu kommt ein weiterer landesweiter Sender, ein halbes Dutzend Marken, die sich in Ballungsgebieten drängen, und auch das Internet hat für zusätzliche Angebote im Audio-Bereich gesorgt. Würde ich heute noch einmal Radiosender starten, würde ich einen eher technischen Begriff wie „Antenne“ sicher nicht mehr mit einer Abkürzung wie MV verbinden, auch wenn ich es damals wahrscheinlich genauso wie meine Vorgänger gemacht hätte. 80s80s Radio ist jetzt, wenn Sie so wollen, unsere Antwort auf die heutigen Marktverhältnisse. Zurück in die Zukunft, wenn Sie so wollen.

Der bisherige Name stellte jedoch einen lokalen Bezug her. 80s80s hört sich dagegen mehr nach einem Webradio an.

Wir werden den Sender nicht 80s80s Radio MV nennen, werden aber On Air ganz klare Hinweise darauf geben, dass es sich im landesweiten UKW-Modus um ein Vollprogramm für Mecklenburg-Vorpommern handelt. Wir machen bestimmt keinen reinen Musikdienst, sondern geben ein klares Bekenntnis zu Inhalten und unserem Heimatmarkt ab. Gerade weil der Absender weniger regional als bisher klingt, müssen wir mit unseren Inhalten umso mehr beweisen, dass uns Mecklenburg-Vorpommern am Herzen liegt. Wir setzen daher weiterhin auf Regionalreporter und Moderatoren aus dem Bundesland und beschäftigen uns darüber hinaus mit der Entwicklung eines News-orientierten Journals, das es in dieser Form bislang im Programm nicht gibt. Der Wortanteil im bundesweiten DAB+ Programm von 80s80s Radio wird sich vor allem den Aspekten der musikalischen Heimat widmen.

Gleichwohl ist die Marke nicht neu, sondern sendet schon jetzt bundesweit. Ist das nicht ein Problem?

Tatsächlich gibt es die Marke 80s80s Radio schon seit einigen Jahren. Das ist ein Produkt, das den Test im Web mit Bravour durchlaufen hat, dann regional auf den DAB+-Multiplex in Hamburg kam und jetzt deutschlandweit als Digitalradio sendet. Im Netz zeigt 80s80s Radio schon jetzt eine sehr dynamische Entwicklung der Nutzungszahlen. Aus der Erfahrung heraus lässt sich aber sagen, dass eine regionale Verwurzelung hilfreich ist, weil sich aus ihr eine große Kraft entfalten kann.

Wann entstand die Idee, den Schritt hin zu 80s80s in Mecklenburg-Vorpommern zu gehen?

Erste Weichenstellungen sind vor über einem Jahr getroffen worden. Leider kam uns dann die Pandemie dazwischen, mit der auch ein gewisses Investorenhemmnis einherging. Wenn man vor diesem Hintergrund sieht, dass die Umsätze mit Radiowerbung zwischenzeitlich um bis zu 60 Prozent gesunken sind, dann fallen große Investitionsentscheidungen nicht ganz so leicht. Trotz der schwierigen Rahmenbedingungen geht es uns jedoch um eine langfristige Perspektive, die wir mit der Neuausrichtung anstreben und erreichen werden. 

"Für einen Sender, der eher auf junge Zielgruppen zielt, lässt sich kein solider Businessplan für die nächsten 20 Jahre aufbauen."

Wie es denn aktuell um die Radiowerbung auf Ihrem Heimatmarkt bestellt?

Ich sehe die regionale Werbewirtschaft, zumindest in Mecklenburg-Vorpommern, stärker geschwächt als die nationale. Man spürt ein Mehr an Zurückhaltung und Zukunftsangst. Das schreckt uns langfristig nicht, aber dieses für uns wichtige Kundensegment wird langsamer zurückkommen als die großen Player. Umso wichtiger ist es für uns, dass wir künftig - anders als bisher - den einzig wirklich relevanten Wirtschaftsfaktor des Bundeslandes für uns nutzen können, den Tourismus.

Inwiefern?

Bislang war der Tourismus für uns wenig greifbar, weil niemand seinen Festnetzanschluss mit in den Urlaub nimmt, um der Radio-MA Auskunft über uns zu geben. (lacht) Das ist jetzt anders, weil wir den Menschen sagen können, dass sie den Sender 80s80s Radio nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern hören können, sondern via DAB+ auch im Auto bis nach Garmisch-Partenkirchen. Das Potenzial ist jedenfalls gewaltig: Auf 1,6 Millionen Einwohner kommen in normalen Zeiten jährlich rund sieben Millionen Touristen mit beschleunigt wachsender Tendenz.

All diese Pläne setzen allerdings voraus, dass die Musik der 80er Jahre auch in einigen Jahren noch gefragt sein wird.

Menschen werden musikalisch vor allem in ihrer Jugend geprägt - und diejenigen, die mit dem sehr abwechslungsreichen und bis heute prägenden Sound der 80er aufgewachsen sind, bilden in Deutschland demographisch ein riesiges Potenzial. Ganz davon abgesehen haben wir die Möglichkeit, das Spektrum, das wir aktuell an Musik aus den 80ern bei Antenne MV abbilden, deutlich zu erweitern. Die 80er Jahre waren das kreativste Jahrzehnt der Popmusik. Ever! Diese Einflüsse wirken nicht nur massiv bis heute fort, sondern werden auch noch weit in der Zukunft relevant sein. Unsere Marktforschung zeigt, dass die Vielfältigkeit der Musikstile dieses Jahrzehnt auch Menschen anspricht, die in dieser Dekade nicht sozialisiert wurden. Die Dynamik, und der Sound des gesamten Programms sind sehr hoch, es klingt damit sehr jung.

Werden Sie die Hörerinnen und Hörer in den kommenden Wochen auf die Umstellung vorbereiten?

Wir werden den Anteil an 80er-Musik bis zum Launch sicher nicht auf 100 Prozent hochfahren, haben ihn aber in den vergangenen Wochen bereits gesteigert, auch mit Blick auf die Vielfalt.

Mit welchem Gefühl blicken Sie in die Zukunft?

Grundsätzlich immer positiv. Die Herausforderungen sind gewaltig. Mecklenburg-Vorpommern war vor 30 Jahren eines der jüngsten Bundesländer, was den Altersschnitt der Bevölkerung angeht, und hatte rund 1,9 Millionen Einwohner. Inzwischen leben hier noch 1,6 Millionen Menschen. Und auch wenn die Bevölkerung wieder wächst, so wächst sie nicht, weil hier besonders viele Kinder geboren werden, sondern weil die Republik hier schöne Altersruhesitze vermutet. Es gibt also vor allem einen Zuwachs an Menschen, die die schöne Natur genießen wollen. Für einen Sender, der eher auf junge Zielgruppen zielt, lässt sich kein solider Businessplan für die nächsten 20 Jahre aufbauen. Dazu kommt die Stärke des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, der in seinem eigentlichen Auftrag der Grundversorgung unbeherrschbar geworden ist, weil er selbst kleinste Nischen abbildet, Werbeflächen aktiv vermarktet und massiv ins Netz drängt…

… und der Sie ein Stück weit erdrückt?

(Überlegt) Das klassische Modell, wie wir es die meiste Zeit unserer Unternehmensgeschichte verfolgt haben, würde in diesem Umfeld mit Sicherheit nicht noch 30 weitere Jahre funktionieren. Deshalb muss man sich etwas einfallen lassen. Wir haben mit 80s80s Radio bestimmt keine abschließende Antwort auf alle Veränderungen und Herausforderungen gefunden, aber zumindest ein sehr gutes Fundament für die nächsten Jahre geschaffen. Hierauf werden wir aufbauen.

Herr Weber, vielen Dank für das Gespräch.