Herr Rasmus, die TV-Saison ist fast vorbei. Welches Fazit ziehen Sie mit Blick auf Kabel Eins?

Hinter Kabel Eins liegt ein aufregendes Jahr - mit großen Höhen und Tiefen. Im Sommer haben wir noch Rekorde gefeiert, sowohl im Spielfilm-Bereich als auch bei den Eigenproduktionen. Danach, insbesondere nach dem Jahreswechsel und im erneuten Lockdown, sind wir in eine schwierige Phase geraten, aber glücklicherweise ist es in den letzten Monaten gelungen, uns sukzessive aus dieser Talsohle zu befreien. Wir haben die Zeit auch genutzt, kontinuierlich an der Marke zu arbeiten, um sie immer wieder neu aufzuladen. Und wir entwickeln uns auch abseits des linearen TV erfolgreich weiter – mit starkem digitalen Wachstum, unserem ersten Podcast und innovativen Vermarktungscases. In die neue TV-Saison gehen wir sehr optimistisch, kraftvoll und lebendig.

Welche Rolle spielte der Lockdown bei der Quoten-Entwicklung?

Der Lockdown spielte sicher eine Rolle, weil das mit unserer Positionierung zusammenhängt. Kabel Eins positioniert sich ja nicht umsonst als Alltagsbegleiter. Wenn der Alltag bei den Menschen allerdings Kopf steht, färbt das auch auf die Sehgewohnheiten ab. Denken Sie nur an „Mein Lokal, Dein Lokal“, das in einer Zeit stattfindet, in der die Restaurants auf unbestimmte Zeit geschlossen sind und bis zuletzt überhaupt keine Rolle mehr spielten. Da hat es ein solches Format natürlich schwer, seine Alltagsrelevanz zu behalten.

Dennoch befindet sich „Mein Lokal, Dein Lokal“ noch immer im Programm.

Wir haben eine sehr ruhige Hand behalten, weil wir in dieser entrückten Zeit nicht alles über den Haufen werfen wollten. Stattdessen war es uns wichtig, Verlässlichkeit zu beweisen. In den Marktanteilen haben wir das natürlich hier und da zu spüren bekommen. Ich bin mir aber sicher, dass wir unsere etablierten Formate zu alter Größe zurückführen werden, sobald es für die Menschen wieder eine gewisse Form der Normalität gibt. Wir haben in der Vergangenheit immer wieder bewiesen, dass wir das können.

Gilt das auch für „Achtung Kontrolle“ am Vorabend? Seit einiger Zeit macht das Format wieder Probleme, nachdem es in der Vergangenheit schon mehrfach gelungen ist, den Lebenszyklus zu verlängern.

Gefühlt besaß „Achtung Kontrolle“ vor zwei Jahren eine andere Relevanz. Im Moment haben die Menschen einfach andere Sorgen. Daher spielt das Format vielleicht nicht die Rolle, die es sonst gespielt hat. Wir haben jedoch ein hervorragendes Team, das sich seit nunmehr 13 Jahren um eine ständige Neuerfindung des Formats bemüht. 

Wie könnte denn die Zukunft dieser Sendung aussehen?

Das lässt sich momentan noch schwer sagen, weil wir alle nicht wissen, wie die neue Realität aussehen und die Stimmung im Land sein wird. Wenn man sich die Geschichte von „Achtung Kontrolle“ ansieht, dann hat das Format immer wieder die wechselnden Stimmungen aufgegriffen. Daher bin ich davon überzeugt, dass uns das auch diesmal wieder gelingen wird.

 

"Unser Relevanz-Verständnis findet nicht so sehr in Berlin und Brüssel statt, sondern in Essen und Erfurt."

 

Als wir das letzte Mal sprachen, ging es um die Frage, wie verstärkt Live-Inhalte ins Programm von Kabel Eins gelangen können. Das war im letzten Jahr sicher auch nicht ganz einfach, oder?

Das war in der Tat nicht ganz einfach, zumal wir bei unseren Live-Formaten ausschließlich in der Systemrelevanz unterwegs waren, etwa bei der Polizei oder in Krankenhäusern. Da wollten wir die Arbeitsbedingungen vor Ort schlicht nicht zusätzlich erschweren und unverhältnismäßige Risiken eingehen. Gleichwohl verfolgen wir den Ansatz weiter. Es muss auch nicht immer zwingend live sein – es geht uns ja nicht um „live als Selbstzweck“, sondern um maximale Glaubwürdigkeit. Auch Echtzeit-Reportagen oder eine zeitnahe, weitgehend unbearbeitete Ausstrahlung wie bei „Achtung Kontrolle aktuell“ erfüllen diesen Zweck. 

Sie haben jetzt schon mehrfach von Relevanz gesprochen. Auch viele andere tun das derzeit - Ihr Mitbewerber Vox hat vor nicht allzu langer Zeit sogar den „Hundeprofi“ zum Moderator einer Corona-Sendung gemacht. Wo sehen Sie da den Platz von Kabel Eins?

Unser Relevanz-Verständnis findet nicht so sehr in Berlin und Brüssel statt, sondern in Essen und Erfurt. Wir sind nah an den Leuten und ihrem Alltag. Deshalb halten wir auch an einer Doku-Marke wie „Die Klinik“ fest, auch wenn sie zuletzt nicht so erfolgreich war.

Das Format geht also weiter?

Ja, wir wollen „Die Klinik“ gerne fortsetzen, weil diese Programmfarbe relevant und von großer gesellschaftlicher Bedeutung ist. Deshalb müssen wir es auch aushalten, dass eine Staffel mal nicht so gut läuft, weil die Menschen vielleicht gerade etwas übersättigt sind mit Bildern aus Krankenhäusern.  

Gilt das auch für „Rosins Restaurants“, das die aktuelle Situation ja ebenfalls sehr deutlich zu spüren bekam?

Auch bei „Rosins Restaurants“ haben wir uns der Situation angepasst und sind deutlich aktueller geworden. Im Winter haben wir Folgen ausgestrahlt, die erst kurz zuvor gedreht wurden, um möglichst dicht an den jeweils geltenden Corona-Maßnahmen bleiben und glaubwürdig erzählen zu können. Auch die derzeit laufenden Folgen haben eine aktuelle Relevanz.

Wie viel Platz für Neues ist vorhanden, wenn es so viele Dauerbrenner gibt?

Wir haben einen relativ hohen Anteil an wiederkehrenden Formaten, weil sowohl Zuschauer als auch der Werbemarkt diese Verlässlichkeit von uns erwarten. Dazu packen wir ein gewisses Maß an Neuheiten, um unser Factual-Portfolio ständig zu erweitern und im Idealfall neue Erfolgsmarken zu etablieren - so wie beispielsweise „Ab ins Kloster!“ oder „Yes we camp!“. Der Erfolg gibt uns Recht.  Unsere Eigenproduktionsabende sind die stärksten Abende der Woche - was lange nicht der Fall war. Wir haben sowohl am Donnerstag mit 0,7 Prozentpunkten als auch am Sonntag mit 0,5 Prozentpunkten im Vergleich zum Vorjahr zugelegt. Erst jüngst habe ich mich sehr über den hervorragenden Einstand von „Deutschlands größte Geheimnisse“ gefreut.

Das lief sonntags und hat auf Anhieb 1,6 Millionen Zuschauer erreicht.

Ja, die erste Folge hatte trotz starker Konkurrenz eine Netto-Reichweite von 4,77 Millionen Zuschauern.  Das ist der höchste Wert einer Kabel Eins-Eigenproduktion seit drei Jahren und der Lohn dafür, dass wir sehr lange daran gearbeitet haben, das Genre des Factual-Rankings neu zu erfinden. Das ist uns gemeinsam mit den Kollegen von Spiegel TV wunderbar gelungen, indem wir das Element des Mitratens neu interpretiert haben.  Die Zuschauer können gemeinsam mit den Promis rätseln, um welche Geheimnisse es geht. Auch dieses Format ist sehr nahbar und passt somit bestens zur Sendermarke. Aktuell bereiten wir bereits die zweite Staffel vor.

Marc Rasmus © Kabel Eins/Florian Bachmeier Seit fünf Jahren ist Marc Rasmus Senderchef von Kabel Eins, davor verantwortete er den Spartensender Sat.1 Gold und war stellvertretender Senderchef von Sat.1.

Wenn die Eigenproduktionen gerade so gut laufen, liegt doch eigentlich eine Ausweitung dieser Sendestrecken auf der Hand. An fünf Abenden setzen Sie allerdings nach wie vor auf Spielfilme und Serien. Ist da eine veränderte Ausrichtung vorgesehen?

Unsere Spielfilm- und Serien-Abende sind uns heilig, weil wir hier eine sehr hohe Stammzuschauerschaft haben. Da wäre es vermessen, plötzlich alles durch Factual-Formate zu ersetzen. Ideen dafür haben wir genug, aber bei Kabel Eins kommt es auch immer auf den Mix an. Deshalb konzentrieren wir uns vor allem darauf, die bestehenden Sendeplätze erfolgreicher zu machen. Ob und inwiefern wir etwa unsere Eigenproduktionen auf andere Abende ausdehnen, möchte ich jetzt weder ankündigen noch ausschließen. Grundsätzlich achten wir sehr genau darauf, dass die Mischung aus Bewährtem und Neuem stimmt.

Viel Neues ist bei Ihren Serien allerdings nicht dabei.

Altbewährtes und Tradition sind nichts, für das wir uns schämen. Die Zuschauer erwarten bei uns auch ältere Produktionen. Und gerade bei den Krimiserien gibt es viele Marken, die nach vielen Jahren noch sehr beliebt und lebendig sind. 

Mitte Juni stehen die Screeforce Days an. Ohne schon alles vorwegnehmen zu wollen: Mit welchen Formaten wollen Sie das Wachstum in den nächsten Wochen und Monaten beschleunigen?

Zunächst einmal werden alle etablierten Factual-Marken in nächste Staffeln gehen. Das klingt immer so lapidar, ist aber heutzutage auch nicht selbstverständlich. Und wir starten neue, aufmerksamkeitsstarke Eigenproduktionen in der Prime Time. Wir werden am 30. Mai den 20. Geburtstag des Hamburger Miniatur-Wunderlands feiern. Man unterschätzt das gerne: Das Miniatur-Wunderland ist seit 2016 die beliebteste Sehenswürdigkeit Deutschlands bei Touristen. Wir drehen schon seit über 15 Jahren dort und haben viele Geschichten zu erzählen in diesem großen Rückblick. Das Thema Miniaturbau werden wir im Herbst außerdem in einem weiteren Format bespielen. Darüber hinaus sind wir sehr froh, dass wir in den nächsten Wochen wieder neue Folgen von „Yes we camp!“ drehen können. Und wir werden den Menschen in der nächsten Saison ins Portemonnaie und aufs Konto schauen. Damit brechen wir ein Tabu: Über Geld spricht man nämlich doch … demnächst bei Kabel Eins. 

 

"Vor nicht allzu langer Zeit war es undenkbar, über Doku-Inhalte in der Primetime überhaupt nachzudenken."

 

Lassen Sie uns den Blick zum Schluss noch auf Kabel Eins Doku lenken. Der Sender hat jüngst mehrfach neue Rekord-Quoten erzielt. Was läuft denn da besonders gut?

Kabel Eins Doku ist schon seit mehreren Jahren einer der am dynamischsten wachsenden Sender in Deutschland und hat diverse etablierte Drittliga-Sender hinter sich gelassen. Erst vor wenigen Tagen haben wir einen Spitzenwert von 2,6 Prozent Marktanteil bei den 14- bis 49-Jährigen erzielt. Das war bereits der dritte Rekord in diesem Jahr. Wir haben eine Nische für ein etwas älteres männliches Publikum gefunden und unterscheiden uns von altbewährten Doku-Sendern. Dabei setzen wir auf moderne Schatzsuchen, Geheimnisse und Mysterien, aber auch auf gleichermaßen eskapistische und involvierende Programme, wenn sie spannende Geschichten von sehr leidenschaftlichen Protagonisten erzählen. 

Eigenproduktionen spielen aber weiterhin keine Rolle

Der Sender lebt nahezu ausschließlich von internationalen Dokus. Daran wollen wir nichts ändern.

Auch Ihr Mitbewerber ZDFinfo jagt derzeit einen Rekord nach dem anderen. Schon erstaunlich, dass Dokus gerade so gefragt sind, wo doch fast alle vom Goldenen Zeitalter der Serien sprechen, oder?

Ich erinnere mich daran, dass es noch vor nicht allzu langer Zeit undenkbar war, über Doku-Inhalte in der Primetime überhaupt nachzudenken. Das war eine Zeit, in der alles gescripted, verdichtet und überdramatisiert wurde. Da waren ruhige, sachliche Reportagen oder Dokus vollkommen außen vor. Umso mehr freue ich mich über den Siegeszug der Factual-Programme. Es zeigt, dass Wahrhaftigkeit und Echtheit durchaus wieder zählen und die Menschen ein erhöhtes Interesse an Information, Wahrheitssuche und vor allem Orientierung haben. Diese Entwicklung passt sowohl zu Kabel Eins als auch zu Kabel Eins Doku und das lässt uns sehr homogen und dynamisch am Markt agieren. 

Herr Rasmus, vielen Dank für das Gespräch.