Frau Sedlaczek, wie cool ist eigentlich ein Fernsehformat, das 60 Jahre alt wird?

Die "Sportschau" ist ein Format, mit dem ich, wie schon Generationen vor mir, aufgewachsen bin. Sie ist eine echte Institution des deutschen Fernsehens und ich hätte niemals gedacht, dass ich die Sendung einmal moderieren würde. Das war auch ehrlich gesagt gar nicht mein Ziel, weil ich die Dinge gerne auf mich zukommen lasse. Aber es fühlt sich schon jetzt echt gut an, Teil der "Sportschau"-Familie zu sein.

Ist die "Sportschau" für Sie denn wirklich so reizvoll? In erster Linie ist es ja ein Studiojob, durch den sie viel seltener als bisher Stadionluft schnuppern können.

Bei Sky war ich in den letzten zehn Jahren immer sehr nah dran am Spielgeschehen, stand im Austausch mit den Spielern und Verantwortlichen. Klar, das wird jetzt wegfallen, und das wird mir sicher auch fehlen. Was ich in den letzten Jahren aber nicht hatte, waren Welt- und Europameisterschaften oder Olympische Spiele. Bei der ARD ist die sportliche Vielfalt eine ganz andere als bei Sky. Und irgendwann kommt einfach der Zeitpunkt, einen neuen Schritt zu gehen. Davon abgesehen macht mir die Arbeit im Studio großen Spaß, insbesondere wenn man die Zeit hat, etwas mehr in die Tiefe zu gehen. 

Sie legen bei der ARD zur EM mit dem "Sportschau-Club" los, den Sie gemeinsam mit Micky Beisenherz moderieren. Was haben Sie sich vorgenommen?

Das Ziel ist ein etwas anderer, vor allem unterhaltsamer Blick auf die Europameisterschaft und die Ereignisse des Tages. Das tun wir mit verschiedenen Rubriken und Gästen, um die Zuschauerinnen und Zuschauer auf lockere Art in die Nacht zu verabschieden.

Zieht es Sie auch abseits davon in die Unterhaltung?

Die Unterhaltung reizt mich auf jeden Fall. Schon bei Sky habe ich in verschiedene Bereiche schnuppern können, war in der Unterhaltung tätig, habe aber auch Dokumentationen gemacht. Dennoch schlägt mein Herz in allererster Linie für den Fußball. Ich könnte mir mein berufliches Leben ohne den Sport nicht vorstellen.

Esther Sedlaczek © WDR/Annika Fußwinkel
Wo hat denn die Liebe zum Fußball ihren Ursprung?

Die Liebe zum Fußball ist eigentlich eher zufällig entstanden. Als ich ein Kind war, äußerte ich den Wunsch, einmal ins Stadion gehen zu können, weil all meine Freunde ständig vom Fußball sprachen. Von diesem Moment an habe ich damit begonnen, Hertha BSC anzufeuern.

War Ihr Blick denn nur auf das Spiel gerichtet oder auch auf die Reporter am Spielfeldrand?

Seit meinem ersten Gang ins Stadion war ich vollkommen fasziniert von der Atmosphäre. Zu Beginn habe ich noch nicht auf die Reporter geachtet. Den Wunsch, Sportreporterin zu werden, habe ich erst zu einem späteren Zeitpunkt geäußert. Dass es dann auch wirklich so kommen würde, hätte ich mir aber nicht zu träumen gewagt.

Was wäre mit Ihnen passiert, wenn das Sky-Casting, an dem Sie vor elf Jahren teilnahmen, anders verlaufen wäre?

Eines kann ich von mir behaupten: Ich gehe immer meinen Weg. Wohin der mich geführt hätte, kann ich natürlich schlecht sagen. Vermutlich hätte ich mein Studium der Politikwissenschaften zu Ende gemacht und einen ganz anderen Weg eingeschlagen. Ganz sicher wäre ich auch ohne diese Karriere ein glücklicher und zufriedener Mensch geworden. 

Sie wirkten von Beginn an sehr souverän und gelassen vor der Kamera. Wie haben Sie sich das draufgeschafft?

Finden Sie? Das sehe ich ja überhaupt nicht so. (lacht) Am Anfang war ich ziemlich unsicher und habe eher wie eine Maschine versucht, meine Sätze rauszukriegen. Ich bin ja regelmäßig ins kalte Wasser geworfen worden und hatte vom Fernsehen überhaupt keine Ahnung. Die Selbstsicherheit kam erst mit den Jahren und der zunehmenden Erfahrung. Geholfen hat mir in der Anfangszeit vor allem Ulli Potofski, der mein erster Moderationspartner war und mir mit Rat und Tat zur Seite stand. Er ist einfach ein herzensguter Mensch. Aber auch mit Sebastian Hellmann habe ich mich in den vergangenen Jahren viel ausgetauscht. Das alles hat mir sehr geholfen, mich weiterzuentwickeln.

 

Ich gehe immer meinen Weg.

 

Ihr Gang zur ARD, aber auch die Personalien anderer Sender zeigen ganz gut, dass derzeit reichlich Bewegung im Markt ist. Wie nehmen Sie Ihr berufliches Umfeld derzeit wahr?

Das ist schon eine besondere Zeit mit viel Bewegung und Unruhe, da haben Sie recht. Dadurch, dass es immer mehr Anbieter auf dem Markt gibt, entstehen neue Flächen für Moderatoren und Kommentatoren. Würden alle Rechte nur bei einem Anbieter liegen, würde es sicher weniger Wechsel geben. An diesem Zustand wird sich nach meiner Einschätzung in den nächsten Jahren auch nicht viel ändern.

Sie haben gerade selbst die Atmosphäre in den Stadien erwähnt. Die fehlt durch Corona ja nun schon seit vielen Monaten. Kann man sich daran gewöhnen?

Mittlerweile habe ich mich tatsächlich daran gewöhnt. Es gibt aber immer noch bestimmte Spiele, wenn in der Champions League beispielsweise Borussia Mönchengladbach gegen Real Madrid spielt oder Borussia Dortmund im Viertelfinale auf Manchester City trifft, bei denen die Fans ganz besonders fehlen. Das sind Abende, an denen du weißt, dass der Laden unter normalen Umständen beben würde.

Stichwort Corona: Wie groß ist Ihre Vorfreude auf die Europameisterschaft vor dem Hintergrund einer zu Pandemie-Zeiten über den ganzen Kontinent verteilten Veranstaltung?

Die Frage, ob ein solches Konzept passend ist, ist sicher berechtigt. Meine persönliche Vorfreude ist trotzdem riesig, weil es meine erste Europameisterschaft ist, über die ich berichte. Unabhängig von der Pandemie bin ich gespannt auf die Atmosphäre und was es mit den Fans macht, wenn die Spielorte so weit voneinander entfernt sind, schließlich kann eine EM ein ganzes Land elektrisieren. Da kommen diesmal so viele Komponenten zusammen, die es in dieser Form noch nicht gegeben hat. Daher bin ich echt gespannt auf die nächsten Wochen.

Frau Sedlaczek, vielen Dank für das Gespräch.