Frau Meis, Sie sind besonders in den Sozialen Medien, ab heute aber auch im Fernsehen mit der Reality-TV-Show "Love Island" omnipräsent. Wie genau lautet eigentlich Ihre Berufsbezeichnung?

Da gibt es nicht nur eine. Mein Beruf hat viele Facetten, aber weil Moderatorin am Anfang war, nenne ich sie normalerweise als erstes. Andererseits habe ich mittlerweile ein paar erfolgreiche Firmen gegründet und mache auch darüber hinaus kreative Sachen. Deshalb nenne ich mich auch noch Entrepreneurin, Schirmherrin, Markenbotschafterin.

Markenbotschafterin vor allem in eigener Sache. Wenn man sich Ihre Karriere so ansieht, scheint ihr Hauptberuf Sylvie Meis zu sein.

Da ist was dran, im Laufe der Zeit bin ich meine eigene Brand geworden, aber das war mir im Grunde schon bewusst, als ich vor 25 Jahren im Fernsehen angefangen habe. Seither habe ich hart daran gearbeitet und ständig performt, mit viel Disziplin in mehreren Ländern, vor allem aber in Deutschland, Bekanntheit zu erwerben. Und die hört eben nicht auf, wenn ich eine Privatperson bin.

Ist das ein bewusster, geplanter Prozess?

Na ja, dank meiner Präsenz auf Social Media bin ich nun mal selbst dann noch die Marke Sylvie Meis, wenn ich aus der Haustür trete oder ins Restaurant gehe; dann sind die Paparazzi oft schon da. Trotzdem bin ich stolz darauf, gemeinsam mit meinem Team einen Instagram-Auftritt kreiert zu haben, der die Interessen von denen, aber auch meinen 1,4 Millionen Followern gezielt bedient. Das wird mit meiner Moderation dieser großen, internationalen Show "Love Island" nochmals verstärkt.

Aber ist es nicht manchmal anstrengend, stets mit allem, was Sie ausmacht, in der Öffentlichkeit zu stehen?

Klar, aber das haben viele Menschen im Rampenlicht, ganz gleich, ob Sportler, Politiker oder Moderatoren wie ich. Wir alle leben davon, gesellschaftliche Rollen zu spielen, die eben darüber hinausgehen, gegen Bälle zu treten oder vor der Kamera zu stehen. Dazu gehört eine gewisse Vorbildfunktion, und dieser Verantwortung bin ich mir spätestens bewusst, seit ich mit 31 an Krebs erkrankt bin.

Und sehr offensiv damit umgegangen sind.

Um anderen Frauen zu helfen, mit dieser Situation positiv umzugehen. Damals fühlte ich erstmals das Bedürfnis, der Gesellschaft was zurückzugeben. Natürlich ist diese Form der Offenheit auch mal erschöpfend; selbst ich möchte ja manchmal einfach nur Mensch sein und nicht darüber nachdenken, wie er öffentlich wahrgenommen wird. Wenn ich ein Date im Restaurant habe, eigentlich etwas Intimes, steht es mit etwas Pech am nächsten Tag in der "Bild". Das ist anstrengend, aber Teil meiner Existenz, den ich akzeptieren muss. Und dank der Chancen, die ich im Leben habe, auch kann.

Der größte Erfolg für mich besteht darin, selbst zu bestimmen, was von mir für die Öffentlichkeit bestimmt ist und was nicht.

Aber ist dieses Pech nicht auch Glück, weil Aufmerksamkeit eine wichtige Währung öffentlicher Personen wir Ihrer ist?

Glück würde ich nicht sagen, aber es gehört dazu. Ich war eine Weile kaum im Fernsehen präsent, und wer einmal weg ist vom Bildschirm, bleibt es oft für immer. Bei mir allerdings war witzigerweise das Gegenteil der Fall, und das hatte auch mit der anhaltenden Aufmerksamkeit zu tun. Umso mehr muss ich mir immer wieder zurückerobern, was nur für mich ist. Auch ich habe schließlich Rechte (lacht).

Mussten Sie sich diese Rechte im Laufe der Jahre erkämpfen?

Das musste ich. Und der größte Erfolg für mich besteht darin, selbst zu bestimmen, was von mir für die Öffentlichkeit bestimmt ist und was nicht. Ich habe einen eigenen Weg gefunden, um mich und meine Seele zu schützen.

Muss man auf diesem Weg Kompromisse eingehen, also auch mal Dinge veröffentlichen, die man eigentlich privat halten möchte?

Nee, im Gegenteil. Als ich keine feste Beziehung hatte, habe ich aus Dates Geheimnisse gemacht, obwohl ich eigentlich gern drüber gesprochen hätte. Dass ich trotzdem später darüber gelesen habe, war schon belastend.

Jetzt moderieren Sie "Love Island", in dem inszenierte Dates komplett durchleuchtet werden. Warum machen Sie diese Art oberflächliches Trash-TV?

Natürlich ist es Entertainment mit hot, fit, good looking Singles, die sich zeigen wollen, sonst würden sie nicht mitmachen. Aber es ist kein oberflächliches Trash-TV, sondern ein Reality-Format, in dem es bei aller Oberfläche um die Liebe, ums Verlieben geht, also etwas, das Zuschauer seit jeher enorm fasziniert. Auch wenn es um Voyeurismus geht, der immer ein wenig polarisiert, bedient es ein Publikumsbedürfnis.

Ich will mich zeigen und bin fucking proud of it.

Aber wo Sie sich vorhin als Role Model mit Vorbildfunktion bezeichnet haben: Erhöhen die makellosen Leiber bei "Love Island" nicht den Druck auf die gewöhnlichen im Publikum und bewirken das Gegenteil emanzipierter, bodypositiver Selbstwahrnehmungen?

Ich arbeite hart für meinen Körper und weiß genau, was ich dafür tun muss. Trotzdem erfahre auch ich Bodyshaming – in meinem Fall dafür, zu perfekt zu sein und es zeigen zu wollen. Da frage ich mich, wer denn Akzeptanz verdient: nur vermeintlich unperfekte Körper? Wenn ich Menschen verunsichere, hat das auch damit zu tun, sich verunsichern zu lassen. Mein Appell lautet daher, dass sich alle zeigen können sollten, wie sie sind. Shame on me? Nein! Ich will mich zeigen und bin fucking proud of it.

Das beantwortet nicht die Frage nach dem Druck, den äußerlich perfekte Menschen in einer auf Perfektion konditionierten Gesellschaft auf äußerlich weniger perfekte Menschen ausüben…

Aber der Druck nimmt doch nicht ab, indem ich oder die Teilnehmer von "Love Island" sich verstecken! Wichtiger ist ein verantwortungsvoller Umgang mit Social Media, die Fähigkeit, Echtes von Unechtem unterscheiden zu können. Weil niemand perfekt ist, ist auch die Welt auf Instagram oft Ergebnis stundenlanger Inszenierung mit Licht, Makeup, Bildbearbeitung. Da sind vor allem Eltern, Freunde, Lehrer gefragt, das erkennen zu können.

Zeigen Sie der Öffentlichkeit zum Beweis denn auch mal die unperfekte, nicht inszenierte Sylvie Meis?

Ja. Mein Instagram-Kanal ist eine Mischung aus Schnappschüssen und Inszenierung. Wichtig ist, dass ich allein darüber bestimme, was zu sehen ist. Auf meinem Kanal mache ich, was mir gefällt. Wenn es anderen nicht gefällt, ist das okay. Aber Hate-Kommentare lösche ich und blockiere alle Kanäle dieser Person. Ich brauche keine Negativität.

Auch ich will in Würde altern, aber auf meine Weise.

Gibt es etwas an Ihrem Privatleben, dass Sie niemals veröffentlichen würden?

Die Gefühlswelt meines Sohnes Damian. Und möglichst viel von meinem Mann. Denn so gern ich mich bewerten lasse, so sehr vermeide ich, dass meine Familie durch mich bewertet wird.

Wird Ihre Bereitschaft zur Fremdbewertung sinken, wenn sich auch bei Ihnen das Alter und seine Verfallsprozesse bemerkbar machen?

Vermutlich. Ich bin mir bewusst, dass Frauen im Showgeschäft die Arschkarte gezogen haben und anders altern dürfen als Männer. Ganz egal wie ich altere – ob ich es akzeptiere oder was machen lasse: es wird immer Kritik geben. Du kannst es als Frau im Entertainment nie richtig machen. Und die Kameras sind gnadenlos. Deshalb ist der einzige Umgang mit eigenem Verfall, zu sich und seinem Spiegelbild zu stehen.

Aber wären visuelle Medien wie das Fernsehen mittlerweile bereit, auch eine Sylvie Meis mit Falten zu akzeptieren?

Mal sehen. Aber ich habe auch kein Problem damit, Falten zu füllen; deshalb bin ich Markenbotschafterin einer Marke für Hyaluronsäurefiller, die das kann. Ich muss nicht wie 20 aussehen, aber möchte mich fresh fühlen und jung. Auch ich will in Würde altern, aber auf meine Weise.

Die neue Staffel von "Love Island" startet am Montag, 30. August um 20:15 Uhr und läuft dann mit Ausnahme des Samstags täglich gegen 22:15 Uhr