Herr Wijnvoord, Herr Schorn, in Zeiten der Inflation eine Spielshow zu machen, in der es darum geht, Preise einzuschätzen, ist ganz schön mutig, oder?

Thorsten Schorn: (lacht) Wir hätten die Displays für die Preisanzeigen zur Sicherheit direkt breiter bauen sollen. 

Harry Wijnvoord: Bis jetzt haben wir noch kein Gas und Benzin im Preisangebot, aber vielleicht sollten wir darüber nachdenken. (lacht) 

Hatten Sie die Hoffnung, dass RTL noch einmal anruft?

Wijnvoord: Vor fünf Jahren war ich für eine Neuauflage im Gespräch, bei der ich leider dann doch nicht dabei war. Danach habe ich nicht mehr mit einer Rückkehr gerechnet. Als ich im vorigen Jahr erfuhr, dass "Geh aufs Ganze!" zurückkommt, habe ich zu meiner Frau gesagt, es würde mich nicht wundern, wenn sie mich doch noch einmal anrufen. Als dann tatsächlich der Anruf kam, habe ich darum gebeten, zunächst mit meiner Frau zu sprechen. Aber für mich war natürlich längst klar, dass ich es machen würde. (lacht)

Die Show steckt noch tief in Ihnen.

Wijnvoord: Wenn man 1873 Sendungen gemacht hat, dann ist man direkt wieder drin – auch nach 25 Jahren. Die Produktion hat mir im Vorfeld sämtliche Spielregeln geschickt, aber als ich vor den Spielen stand, war direkt alles wieder da. 

Wie fühlte es sich an, nach all den Jahren erstmals wieder die "Preis ist heiß"-Bühne zu betreten?

Schorn: Ich habe Harry erzählt, wie ich ihn ankündigen möchte und er hat meine Ansage sofort ergänzt: "Seit 25 Jahren steht er hinter dieser Tür..."

Wijnvoord: "... und wartet darauf, dass sie wieder aufgeht." (lacht)

Schorn: Tja, gleicher Humor!

Wijnvoord: Als sich die Tür tatsächlich öffnete, habe ich mich wie ein Torero gefühlt, der die Arena betritt. Das Publikum war mir sehr wohlgesonnen, meine Assistentin, die schon vor 25 Jahren mit dabei war, brachte mir das Mikrofon – das war sehr emotional. Gleichzeitig war es mir wichtig, mich in der ersten Sendung bei Walter Freiwald zu bedanken und mich von ihm zu verabschieden. Da spürte ich plötzlich, wie nah mir das alles ging. Übrigens auch jetzt wieder. (ringt mit den Tränen)

Schorn: Wir sind uns beide sicher, dass Walter von seiner Wolke aus zusehen wird. Daher ist in der ersten Sendung der Gruß aus dem Studio, sein "großes Hallo", auch an ihn gerichtet.

Sie selbst haben auch eine "Preis ist heiß"-Vergangenheit, denn Sie waren schon bei der Neuauflage vor fünf Jahren der Announcer.

Schorn: Meine Beziehung zu der Show ist sogar noch viel tiefer, denn schon neben der Schule habe ich früher bei "Der Preis ist heiß" gejobbt. Wir waren damals zu dritt und haben das Publikum motiviert, im richtigen Moment den Preis vorzusagen. Das war ein toller Job und einer der Gründe dafür, weshalb ich schon vor fünf Jahren mit großer Leidenschaft dabei gewesen bin, auch wenn Harry damals im "Spiegel"-Interview sinngemäß sagte, dass es nicht gutgehen könne, wenn die Sendung von einem Komiker und einem Journalisten moderiert wird. Wolfram Kons und ich wissen übrigens bis heute nicht, wen Harry mit welcher Bezeichnung gemeint hat. (lacht)

Thorsten Schorn © RTL / Stefan Gregorowius Thorsten Schorn machte einst das Warm-Up bei "Der Preis ist heiß" und war auch schon bei der ersten Neuauflage vor fünf Jahren als Announcer mit dabei.

Wijnvoord: Thorsten begleitet eine elementar wichtige Position, weil er eine wunderbare Art hat, die Spiele und Produkte anzusagen – und darauf achtet, dass ich keine Fehler mache.

Schorn: Thomas Gottschalk hat ja auch Michelle Hunziker an seiner Seite, um ihm zu helfen, wenn Mr. "Wetten, dass..?" die eigene Sendung für einen kurzen Moment nicht mehr ganz so präsent hat. Wenn Sie so wollen, bin ich Harrys Michelle.

Haben Sie ein Faible dafür, anderen den Vortritt zu lassen? Bei "Shopping Queen" oder "Denn Sie wissen nicht, was passiert" ist das ganz ähnlich.

Schorn: Nennen Sie es Faible für die "Sidekick"-Position. Schon bei "Stern TV" hatte ich als Reporter von Günther Jauch die lustigste Zeit. Bei den Live-Aktionen mit ihm waren die Rollen völlig klar verteilt. Guido Maria Kretschmer und ich als Off-Stimme ergänzen uns auch ganz wunderbar. Ich weiß, wo mein Platz ist und mag es, wenn ich wie ein kleiner Satellit um jemand anderes kreise – und so ist es nun auch bei Harry. 

Gleichzeitig müssen Sie Produkte in Szene setzen. Wie schwierig ist es, selbst für Ramsch noch schöne Worte zu finden?

Schorn: Anders als früher haben wir jetzt bei "Der Preis ist heiß" sämtliche Freiheiten bei den Texten, das ist das Tolle an der Neuauflage. Ich darf zum Beispiel sagen: "Vergessen Sie Hafer-, Mandel- und Soja-Milch und beeindrucken Sie Ihre Gäste mit dieser Kondensmilch." Oder dass sich beim nigelnagelneuen Auto "das Multifunktions-Lenkrad aus Leder nach links und rechts drehen lässt". Wir wollen das Publikum auch mit den Off-Texten unterhalten und das Gefühl geben, dass es sich lohnt, hier zuzuhören. 

 

"Die Debatte um Zielgruppen habe ich nie verstanden."
Harry Wijnvoord

 

Warum ist "Der Preis ist heiß" eigentlich Kult?

Wijnvoord: Es gibt tolle Preise, alle können mitmachen und jeder versteht die Regeln – sogar intellektuelle Menschen: Falsch oder richtig? Höher oder tiefer? Nicht überbieten. Der Reiz an dieser Sendung ist ihre Einfachheit. Bei jedem Quiz muss man etwas Besonderes wissen. Das ist bei uns nicht nötig.

Schorn: Das Einzige, was man vielleicht studiert haben sollte, sind Supermarktprospekte. Wer einfach nur den Preis einer Packung Nudeln kennt, hat bei uns schon die Chance auf ein Auto. So eine Art Retro-Gefühl gibt es witzigerweise sogar bei den Kandidaten Anfang/Mitte 20, die das 90er-Jahre-Original gar nicht selbst erlebt haben. Wenn der Vorspann startet und ich rufe "Hier ist sie, die Show der fantastischen Preise", dann sind auch sie angeknipst als wäre "Der Preis ist heiß" nie wirklich weg gewesen. 

Warum kann die Show aus Ihrer Sicht auch heute noch funktionieren?

Wijnvoord: Das Fernsehen muss nicht neu erfunden werden. Wenn das Konzept stimmt, ist man sehr gut beraten, sich nah am Original zu halten.

Schorn: Es ist gut und richtig, dass das Fernsehen immer wieder versucht, neu und innovativ zu sein. Vielleicht fällt es uns kreativen Fernsehmachern gerade deshalb schwer, manchmal einfach ein bewährtes Format wie "Der Preis ist heiß" aus dem Regal zu ziehen. Letztlich ist die Sendung ja wie Monopoly in der Spielesammlung. Es sind nun mal doch die Klassiker, die alle begeistern.

Fraglich nur, warum man so lange damit gewartet hat.

Wijnvoord: Das Problem ist, dass man den Redakteuren und Programmmachern auf der Straße nicht ansieht, dass sie die Verantwortlichen sind. Sie verschwinden in der Anonymität, während ich in den letzten 25 Jahren auf der Straße ein ums andere Mal Rede und Antwort stehen musste, warum es die Show und den Kraxelhuber nicht mehr gibt. Eigentlich müssten es die Verantwortlichen von damals auf die Stirn tätowiert bekommen: "Ich war derjenige, der 'Der Preis ist heiß' abgesetzt hat." Die würden nur noch mit eingezogenem Kopf zum Einkaufen gehen, aus Sorge, dafür von den Menschen verprügelt zu werden. (lacht)

Harry Wijnvoord © RTL / Stefan Gregorowius Harry Wijnvoord moderierte die Kult-Show schon von 1989 bis 1997 - insgesamt wurden damals fast 2.000 Ausgaben produziert.

Wie sind Sie überhaupt zu der Show gekommen?

Wijnvoord: Eigentlich wurde ich in Hollywood entdeckt. (lacht) Ende der 1980er Jahre war ich als Reiseunternehmer mit einer Gruppe Medienschaffender unterwegs. Meine Aufgabe war es, Journalisten auf einer Kreuzfahrt nach Los Angeles zu begleiten. Mit dabei war auch der damalige Unterhaltungschef von RTL, der mir plötzlich anbot, eine Gameshow zu moderieren, in der die Menschen Konsumgüter im Wert von 25.000 bis 50.000 Mark gewinnen können. Ich fragte ihn: Wow, einmal im Monat? Nein, sagte er, jeden Tag.

Sie haben direkt zugesagt?

Wijnvoord: Nein, denn ich hatte Mitarbeiter und Verantwortung. Aber ich schrieb ihm meine Adresse auf eine Papierserviette. Vor dem Ende der Reise bot er mir an, nicht nach Deutschland zu fliegen, sondern in Hollywood zu bleiben, um mir die Produktion von "The Price is right" anzusehen. Trotzdem bin ich zunächst nach Hause geflogen, weil meine Eltern ihren 40. Hochzeitstag feierten. Das hat ihn offenbar tief beeindruckt hat, weil ich mich nicht habe verbiegen lassen.

Haben Sie jemals die US-Show danach im Studio gesehen?

Wijnvoord: Ich war später irgendwann mit Walter Freiwald in der Show. Wenn man im Studio links und rechts schaute, gab es noch die alten Gardinen aus den 60er Jahren. Es hatte sich schlicht nichts geändert. Bob Barker, der die Show über Jahrzehnte moderierte, hatte als Garderobe ein Holzhäuschen im Studio, weil er in den Pausen keine langen Wege gehen wollte – ohne Fenster, aber urgemütlich.

Schorn: Harry, wenn wir dir einen Wohnwagen hinter die Kulissen schieben sollen, lass es uns wissen.

In Deutschland war die Show viele Jahre erfolgreich, wurde aber abgesetzt, weil sie ein vorwiegend älteres Publikum erreichte. Ein Fehler?

Wijnvoord: Ich möchte Fernsehen für diejenigen machen, die vor dem Fernseher sitzen. Die Debatte um Zielgruppen habe ich nie verstanden, weil auch Menschen über 60 heutzutage sehr kaufkräftig sind. 

Schorn: Wie sehr sich die Maßstäbe verändert haben, zeigt sich daran, dass "Jeopardy!" einst abgesetzt wurde, weil die Show um 17 Uhr dauerhaft weniger als 3 Millionen Zuschauer erreichte.

Wijnvoord: Als unsere Show in den 90ern vom Vorabend- ins Vormittagsprogramm verlegt wurde, sagte mir. Marc Conrad, der damalige Programmdirektor: Wenn du es schaffst, über 600.000 Zuschauer zu erreichen, bekommst du einen 10-Jahres-Vertrag. Wir waren binnen weniger Wochen bei 1,8 Millionen. Eigentlich hätten sie mir einen 50-Jahres-Vertrag geben müssen. (lacht) Werner Schulze-Erdel hat das nochmal gesteigert und erreichte zeitweise fast 50 Prozent Quote. Durch diesen Vorlauf war "Punkt 12" plötzlich eines der meistgesehenen Magazine in Deutschland. 

Schorn: Ein gutes Warm-up ist beim Fernsehen eben sehr entscheidend.

Als "Der Preis ist heiß" vor 25 Jahren endete, waren Sie, Herr Wijnvoord, in etwa so alt wie Thorsten Schorn heute. Mit welchem Gefühl haben Sie damals in die Zukunft geblickt?

Wijnvoord: Ich wusste anderthalb Jahre zuvor, dass die Show Ende 1997 enden wird. Ich war geschockt, weil wir ein eingeschworenes Team mit mehr als 80 Leuten waren. Angst vor der Zukunft hatte ich nicht. Ich bin ein sehr sparsamer Mensch und habe immer dafür gesorgt, dass alles bezahlt ist. Gleichzeitig habe ich viel für die Industrie gearbeitet. Als ich merkte, dass die Aufträge weniger wurden, bekam ich das Angebot, für gutes Geld im Dschungel mitzumachen. Ich wollte die mediale Präsenz und ging also in die meistgesehene Unterhaltungssendung des deutschen Fernsehens. Das hat mir sehr geholfen, weil ich hinterher wieder im Gespräch war. 

Sie gehen damit sehr gelassen um.

Wijnvoord: Warum sollte ich um den heißen Brei herumreden? Ich bin der, der ich bin und schäme mich nicht für das, was ich gemacht habe. Seit sieben Jahren bin ich vollbeschäftigter Rentner. Und eigentlich hatte ich mich darauf eingerichtet, mehr auf meiner Terrasse und am Pool zu liegen. 

Drei Folgen der Neuauflage von "Der Preis ist heiß" sind jetzt im Kasten. Wie geht’s danach weiter?

Wijnvoord: Wir haben drei schöne Revival-Shows gemacht. Damit bin ich schon sehr zufrieden. Natürlich hoffe ich, dass das Publikum RTL durch hohe Quoten zu einer Fortsetzung zwingen wird. Aber das liegt nicht in unserer Hand.

Herr Wijnvoord, Herr Schorn, vielen Dank für das Gespräch.

"Der Preis ist heiß" läuft am Mittwochabend um 20:15 Uhr bei RTL