Frau Reichert-Facilides, aus Studio Hamburg Enterprises wird OneGate Media, warum?

Darf ich direkt eine Gegenfrage stellen?

Klar. 

Was verbinden Sie mit dem Begriff Enterprises?

Alles und nichts. Ein Schicksal, dass Sie ja mit ZDF Enterprises geteilt haben.

Und die Entstehung des Namens Studio Hamburg Enterprises war das Ergebnis eines längst beendeten Joint Ventures mit ZDF Enterprises und so wie die Kolleginnen und Kollegen dort sich inzwischen einen neuen Namen gegeben haben, tun wir das auch. Enterprises ist einfach ein nichtssagender Begriff, der vom Handel mit Schrauben bis zum Yoga-Studio alles bedeuten kann. Aber das ist nur ein Teil der Motivation: Unter der starken Produktions-Dachmarke Studio Hamburg sind wir als Vertrieb weniger wahrgenommen worden. Es geht um eine bessere Sichtbarkeit im Markt als nicht exklusiver Vertrieb für Studio Hamburg.



OneGate Media soll also über die Distribution von Studio Hamburg-Programmen hinaus wachsen?

Wir wollen wachsen und generieren weniger als ein Viertel unseres Umsatzes durch Programm unserer Gesellschafter im weitesten Sinne, und damit meine ich den NDR und Studio Hamburg. Wir sind schon heute sehr breit, vornehmlich öffentlich rechtlich, aufgestellt. Wir verwerten Programme vom ZDF wie auch anderer Landesrundfunkanstalten, wie SWR, RBB und Radio Bremen. Es geht um das Signal an die Produzentinnen und Produzenten, dass wir offen sind für Programm und nicht exklusiv Studio Hamburg-Produktionen vermarkten.

Dann geben Sie mir mal den Pitch: Was macht OneGate Media Ihrer Meinung nach zum besseren Partner für Produzentinnen und Produzenten?

Wir haben sechs Sales Divisions unter einem Dach, verbunden mit einem einmalig umfangreichen Inhouse-Service. Was das heißt? Von der Materialprüfung bis zur Produkterstellung von z.B. digitalen Assets wie Metadaten - das machen wir alles inhouse. Das ist notwendig, weil wir breit aufgestellt sind und auch kleinteiliges Programm vertreiben. Bei der Bandbreite ist die inhouse-Lösung einfach kosteneffizient und zeiteffektiv. Unsere Stärke kommt aus drei Programmvertrieben in Deutschland: DVD und Blu-ray als anerkannte intensive Katalogverwerter, unser Team für Digital Distribution mit exzellenten Kundenbeziehungen und einem top technischem Service, sowie ein Team für TV Sales und der Weltvertrieb. Wir vermarkten zudem die Marken des NDR und Radio Bremen, sowie das Tagesschau Archiv, mit dem Teams Licensing und Footage Sales. Das breit aufgestellte Vertriebs Know How stimmen wir eng ab. Das wird untermauert durch die Tatsache, dass unsere Vertriebsleute auch Programmexperten sind. 

Weil wir eben den bisherigen Namen auseinander genommen haben: Wofür steht OneGate Media?

Hamburg ist bekanntlich das Tor zur Welt, wir sind hier zuhause und quasi ein Hafen für Content, der ankauft und verkauft. Das haben wir verbunden mit unserer Zugehörigkeit zur ARD und daraus OneGate Media entwickelt. Besonders für den Bereich International Sales, wo wir in Produktionen investieren wollen, haben wir unsere Positionierung geschärft. Wir stehen für ein Portfolio von Crime in allen Variationen, aber auch für Feel Good Movies wie „Praxis mit Meerblick“, Blue Chip Documentaries der DocLights und Familienprogramm mit der tollen Studio Hamburg-Marke „Die Pfefferkörner“. Das umreißt unser Portfolio und auch wofür wir nicht stehen: für historische Dokumentationen, für Social Drama oder das Horror-Genre. Ich glaube, dass es auch wichtig ist, sich zu fokussieren. Und dementsprechend ein verlässliches Angebot unseren internationalen Kunden zu bieten. 

Welche Programm-Highlights haben Sie für die im Oktober anstehende MIPCOM im Gepäck?

Programm-Highlights sind auf der einen Seite die „Reeperbahn – Specialeinheit FD65“. Das ist eine Koproduktion, die wir mit den Gebrüdern Beetz gemacht haben, wo der NDR und dann weitere Rundfunkanstalten die deutschen Fernsehpartner sind. Zur MIPCOM haben wir dann auch das neue Krimi-Highlight der ARD, „Lost in Fuseta“, produziert von FFP New Media. Das ist eine tolle Ergänzung für unser starkes Krimi-LineUp mit den Usedom-Krimis, „Nord bei Nordwest“, „Tatort“ und „Polizeiruf 110“. Als öffentlich-rechtlich vernetztes Distributionshaus sind wir natürlich stark aufgestellt mit deutschen Kriminalgeschichten, die im Ausland auch gut nachgefragt werden. Wir freuen uns sehr über die True Crime-Serie „Gefesselt“ von der Neuen Bioskop mit Oliver Masucci in der Hauptrolle über den Säurefass-Mörder in Hamburg. Das ist ein deutsches Amazon Original, das wir mit Ausnahme weniger Märkte international vertreiben.

 

"Die Lücken zu finden und diese Potentiale zu nutzen, macht Spaß"

 

Letzteres ist auch deshalb spannend, weil zwischenzeitlich die Annahme vorherrschte, dass die Streamer inklusive der US-Studios ihre Inhalte künftig für sich behalten und es weniger freien Content zum Handeln geben wird. Aber da tun sich wieder Lücken auf?

Absolut. Das hat sich anders entwickelt als vor einigen Jahren mal befürchtet und weil Sie es so ansprechen: Wir haben Mut zur Lücke. Natürlich haben wir gerne umfassend alle Rechte an einer Produktion, um sie flexibel auswerten zu können aber wir nehmen auch die Herausforderung an, nur bestimmte Rechte vertreiben zu können. Bei „Gefesselt“ hat Amazon den Großteil der Finanzierung übernommen, dementsprechend ist es klar, dass wir nicht die weltweiten Rechte haben. Das ist aber der Zug der Zeit: Distribution verlangt heute, sehr anpassungsfähig zu sein und Lücken zu besetzen die man früher noch gemieden hätte, weil man nach dem global Vermarktbaren gesucht hat. 

Sie begrüßen die Entwicklung?

Ich sehe jedenfalls mehr neue Möglichkeiten als verpasste Gelegenheiten. Das Geschäft ist viel kleinteiliger und damit anspruchsvoller geworden. Hier nur PayTV-Rechte, dort zusätzlich VoD und sogar über mehrere Territorien hinweg. Hier nur ein kurzes Window, dort länger etc. Die Mühen der Anpassung an all die Anforderungen werden aber belohnt, weil wir dafür an außergewöhnliche Produktionen kommen, bei denen man früher vielleicht gesagt hätte: Lohnt sich nicht, können wir nicht global auswerten. Auch die Lücken zu finden und diese Potentiale zu nutzen, macht Spaß. Es ist ein anderes Distributionsgeschäft geworden und für das brauchen wir übrigens auch nach wie vor Messen wie die in Cannes. 

Sie freuen sich also auf die MIPCOM im Oktober?

Der Austausch ist umso wichtiger je komplexer die Distribution wird. Verwertungsketten ändern sich, die Bedeutung verschiedener Verwertungsfenster ebenso und das noch in jedem Markt sehr unterschiedlich. Darüber muss man im Dialog bleiben und das geht persönlich besser als virtuell. In welcher Häufigkeit das nötig ist, kann man diskutieren.

Sie sprachen selbst schon darüber: Krimis sind stark vertreten in ihrem Portfolio aber Sie bringen auch zwei True Crime-Serien nach Cannes. Bleibt True Crime das Genre der Stunde?

Wann immer es heißt „Das ist so verrückt, das würde einem doch keiner glauben“, ist True Crime der Schlüssel dazu, es doch zu erzählen. Dass etwas auf wahren Begebenheiten beruht, gibt dem Genre seine Wucht und Erzählpotential. Das erweitert ein Angebot von fiktionalen Krimis perfekt, wenn es denn gut gemacht ist. Das ist die Kunst bei True Crime, den Fakten und Quellen gerecht zu werden und gleichzeitig zu unterhalten. Bei der „Reeperbahn – Spezialeinheit FD65“ ist das von den Gebrüdern Beetz ganz hervorragend umgesetzt worden. Über die Zusammenarbeit haben wir uns sehr gefreut, auch weil man dort neben der kompromisslosen Qualität des Programms gleich das heutzutage nötige Marketing mitgedacht wird. Mit solchen Produktionsfirmen zu arbeiten, macht Spaß.

Welche Rolle spielt die Zusammenarbeit mit Produktionsfirmen, also die Koproduktion von Programmen für OneGate Media?

Wir sehen uns mehr denn je als Partner der Produzenten und wollen das in Zukunft weiter ausbauen. Auch hier haben wir Mut zur Lücke: Wir können Finanzierungslücken schließen, wollen uns verstärkt an der Finanzierung neuer Produktionen beteiligen und damit früher einsteigen als erst beim fertigen Produkt, um es dann weltweit zu distribuieren. Deswegen wollen wir OneGate Media neben der internationalen Distribution auch für die Kreativbranche in Deutschland als Adresse etablieren. 

Frau Reichert-Facilides, herzlichen Dank für das Gespräch.