Herr Werner, während wir hier sprechen, läuft auf Ihren Sendern ein Peter-Alexander-Film aus den 60er-Jahren, ebenso die "Schlagerbox" und "Inga Lindström" – also reichlich Eskapismus. Das dürfte gerade in diesen Krisenzeiten ein gerne genutztes Angebot des Publikums sein?

Es hat sich in den vergangenen Jahren in der Tat gezeigt, dass wir als TV-Sender schon davon profitieren, wenn zum Beispiel Theater und Kinos geschlossen sind. Da gab es einen unmittelbaren Zusammenhang, aber das galt nicht nur für uns. Als der Lockdown nicht mehr existierte und der vermeintlich normale Alltag zurückkehrte, hat sich das wieder relativiert. Wir haben aber festgestellt, insbesondere bei Romance TV, unserem Sender mit der größten technischen Reichweite, dass viele Neukunden hängen geblieben sind, die uns während der nutzungsintensiven Covid-Zeit entdeckt haben.

Wie machen Sie aus diesen neuen (Gelegenheits-)Zusehenden nun Menschen, die regelmäßig einschalten?

Es gelten die alten, bewährten Regeln: es ist wichtig, auffindbar zu sein. Wir erleben viele neue Player, mit denen wir kooperieren müssen und wollen. Wir sind auf Streamingportalen wie Waipu  und Zattoo dabei – und natürlich bei allen großen Plattformen, wie der Telekom, Vodafone und natürlich bei unserem stärksten Partner Sky mit seinem neuen Produkt Wow vertreten. Für unsere Sender gilt, dass sie ihre Programmversprechen konsequent einhalten müssen. Wir setzen immer auf hohe Qualität – unsere Programmchefs lassen sich stets etwas Neues einfallen. 

 

Für das öffentlich-rechtliche Fernsehen muss es eine gesunde Kombination aus Entertainment und Information sein. Tim Werner


Zu Ihrem Programm gehören auch diverse öffentlich-rechtliche Stoffe – "Lindström", "Bergdoktor", "Marie fängt Feuer" etc. Speziell um seichtere Unterhaltung öffentlich-rechtlicher Sender gibt es eine lauter gewordene Debatte. Wie ist da Ihr Standpunkt, auch als Fachbereichsvorstand Fernsehen und Multimedia des VAUNET?

Bevor ich vor rund 13 Jahren hier angefangen habe, habe ich rund zehn Jahre im unmittelbaren Umfeld des Lerchenbergs bei ZDF Studios gearbeitet. Ich kann Ihnen sagen, dass ich diese Diskussion mindestens genauso lange kenne. Für das öffentlich-rechtliche Fernsehen muss es eine gesunde Kombination aus Entertainment und Information sein. ARD und ZDF haben die berechtigte Sorge, dass das Konstrukt nicht funktionieren würde, wäre das Programm rein auf die Information reduziert. Dieser Meinung bin ich auch. Ob teure Sportrechte nötig sind, wie groß Showetats sein müssen, drüber kann man freilich immer diskutieren. Im fiktionalen Bereich, den Sie ansprechen, muss man sagen, dass es der quotenträchtigste ist. "Traumschiff", "Bergdoktor" und anderes sind seit vielen Jahren Flaggschiffe, die andere Programme selbst mit Wiederholungen schlagen. 

Die Diskussion, die es freilich seit Jahren gibt, hat jüngst aber an Schärfe gewonnen.

Die Ereignisse beim RBB haben die Blicke wieder intensiviert. Hier gibt es Dinge aufzuklären, aber, dies passiert ja gerade auch.

Lassen Sie uns über eine andere Schlagzeile der vergangenen Wochen sprechen: "Werner bleibt Vorstand der Mainstream Media AG." Wie lange mussten Sie nachdenken, ehe Sie zugesagt haben?

Eigentlich war es eine einfache Entscheidung  – auch in der Nachbetrachtung. Ich bin in einem tollen Familienunternehmen, kenne den Gründer seit mehr als 20 Jahren. Da weiß man also, ob man nochmal fünf Jahre weiter machen möchte. Das Grundsätzliche ist da lange geklärt. Vielleicht aber haben Sie in der ein oder anderen Meldung auch mein Alter gelesen (56, Anm. d. Red.), da gibt es dann schon mal einen Moment, an dem man überlegt, ob man noch einmal etwas verändern möchte. Das habe ich nun jedenfalls um fünf Jahre verschoben….



Wenn wir über die Krisen dieser Zeit sprechen, Krisen, die auch Ihr Business betroffen haben. Wie oft hatten Sie seit 2020 Bauchschmerzen?

Wir haben eine besondere Situation, die ich als Unternehmer so noch nicht erlebt hatte. Als verantwortlicher Vertriebsleiter habe ich in meiner Zeit bei ZDF Studios etwa die Kirch-Krise erlebt. Die war schon herausfordernd, aber doch sehr stark auf den deutschen Markt begrenzt. Aktuell haben wir es mit einer globalen Krise zu tun, die unzählige Unbekannte enthält. Aber, ich versuche dennoch positiv zu bleiben, denn wir haben ja auch alle aus der Corona-Krise gelernt. Anfangs waren etwa mit Blick auf Werbeeinnahmen unglaubliche Einbußen prognostiziert, die für uns weder im deutschen noch im polnischen Markt zutrafen. Ich habe den Austausch mit unseren wichtigsten Partnern in der Krise nochmals deutlich intensiviert und daraus viele gute Ideen und auch Energie gezogen, wovon wir als Unternehmen bis heute profitieren. Ohne Frage, wir müssen uns auf ein sehr herausforderndes Jahr einstellen. Dennoch sehe ich uns gut aufgestellt.

Sie investieren nun sogar und starten drei FAST-Sender auf Plattformen wie waipu.tv, Rakuten TV, Pluto TV, LG und Samsung. Und darunter ist auch ein Sportsender namens World of Freesports. Das überrascht.

Bevor ich zum ZDF ging, hatte ich eine Sport-Vermarktungsagentur. Eigentlich wundert es mich selbst ein wenig, dass ich nicht im Sportmanagement arbeite. Herr Zmeck, unser Aufsichtsratsvorsitzender, hat etwa mit DF1 auch eine große Sport-Affinität bewiesen. Sie glauben nicht, wie viele Sportkonzepte wir schon auf dem Tisch hatten – die wurden aber aus welchen Gründen auch immer nicht weiter verfolgt. Jetzt passt es, weil wir eine spannende Verbreitungsstrategie haben. Wir werden den Sender auch international verbreiten. Wir zeigen Sportarten wie Freeriding, Klettern und Mountainbiken, dies sind Events, die toll produziert sind und für die wir einen Markt sehen.

Filmgold und Starke Frauen runden das Angebot an neuen FAST-Channels ab.

Da haben wir 2021 eine sehr intensive Analyse betrieben und uns den FAST-TV-Markt in Europa und den USA angeschaut. Diese Ergebnisse haben wir transferiert – und haben Gespräche mit den Plattformen aufgenommen. So haben wir uns herausgefunden, welche Assets bei Samsung, LG und Co. noch fehlen. So zeigen wir künftig auf diesen Sendern Serien wie "The Big C", "Drop Dead Diva" oder Filme mit Tobias Moretti, Uschi Glas und Mario Adorf. Liebhaber von modernen Klassikern und Nostalgie-Filmen dürfen sich auf Erfolgsstreifen wie "Der Pfundskerl", "Familie Sommerfeld", "Die große Freiheit", "Drei in fremden Betten" oder "Agathe kann´s nicht lassen" freuen.

Wie schnell lässt sich mit den Sendern Geld verdienen?

Dies wollen wir natürlich schon ab dem ersten Tag, aber, wir hoffen, dass unser Business-Case im dritten Jahr positiv ist.

Wie läuft die Zusammenarbeit mit den großen Plattformen in Bezug auf die etablierten Sender wie Romance TV?

Wir pflegen eine sehr angenehme und stabile Partnerschaft mit Sky. Romance TV und Heimatkanal sind dort feste Bestandteile. Die Entwicklung von Romance TV macht mir große Freude. Die AGF weist den Sender im Pay TV-Markt stets unter den Top 3 aus. Mit diesem Anspruch sind wir einst angetreten und haben sogar das Ziel, ihn auf Platz 1 zu hieven. Für den Heimatkanal würde ich mir wünschen, ihn noch stärker bei Vodafone positionieren zu können.  

Lassen Sie uns zum Abschluss noch über Gründer und Aufsichtsratsvorsitzenden Gottfried Zmeck sprechen. Er ist Visionär, Ratgeber, Antreiber, aber auch jemand, der noch korrigiert?

All das kann ich so unterschreiben. Vor allem aber möchte ich ergänzen, dass er ein sehr angenehmer Mensch ist. Von Partnern und Freunden werde ich oft gefragt, wie häufig er noch da ist. Da kann ich sagen, dass er da ist, wenn man ihn braucht.

Danke für das Gespräch.