Im Sommer hat sich ProSiebenSat.1 vom US-Teil des Produktionsgeschäfts von Red Arrow Studios getrennt. Was wird denn jetzt mit dem Rest vom Fest, Herr Pabst?

Red Arrow Studios ist zu einer Zeit entstanden, als ProSiebenSat.1 international sehr aktiv war, zunächst in Europa und später mit dem Ausbau des Produktionsgeschäfts in den USA. Das war mit Blick auf die entstandenen Produktionen sehr erfolgreich. Aus heutiger Sicht sind die Synergie-Effekte eines internationalen Produktionsarms für ein Medienhaus, das sich seit mehreren Jahren klar auf den deutschen Markt fokussiert, nicht mehr gegeben. Deswegen haben wir auf der einen Seite das US-Geschäft erfolgreich verkauft, aber unsere Aktivitäten in Deutschland weiter ausgebaut. Heute besteht unser konzerneigenes Produktionsgeschäft aus vier Produktionsfirmen in Deutschland und vier in Europa und Israel. Dazu kommt unser weltweiter Programmvertrieb. Ab sofort bündeln wir unser Produktionsgeschäft unter der Dachmarke Seven.One Studios, dem Produktionsarm unserer Gruppe, unter Führung von Alexander Pesch (CFO) und Martin Metzger (COO) und mir als CEO. Was sich nicht ändert: Wir produzieren für uns selbst und für andere. Aber wir setzen einen stärkeren Fokus auf die DACH-Region. 

Aber wie strategisch bedeutend sind die europäischen Beteiligungen, wenn man sich auf den deutschen Markt fokussiert? Gibt es da Synergien?

Unsere Produktionsfirmen in Europa und Israel sind ein wichtiger Baustein unseres Produktionsgeschäfts: Snowman Productions in Kopenhagen etwa ist für uns ein kreatives Powerhouse, in dem eigentlich jedes Jahr ein neues Format entsteht, das wir oder andere auch unmittelbar in Deutschland umsetzen, beispielsweise „Hochzeit auf den ersten Blick“ bei Sat.1 oder „Buying Blind“ bei RTL. Derzeit drehen die Kolleg:innen in der Südsee ein neues Realityformat, das wir uns genau anschauen. Snowman ist also eine unglaublich kreative Formatschmiede. Mit July August haben wir in Israel eine Produktionsfirma, die sowohl im Fiktionalen als auch im Non-Fiktionalen Akzente setzt. In Großbritannien sitzt mit CPL Productions eine Produktionsfirma, die für preisgekröntes Fernsehen wie u.a. „A League of Their Own“ steht – das von unserer Redseven Entertainment in Deutschland dann für Sky produziert wurde. Unsere weitere britische Tochter, Endor Productions, realisiert gerade die Adaption von „Anansi Boys“ für Prime Video, das ist eine sehr große Produktion. Endor produziert außerdem für ZDF und ORF und hat gerade die dritte Staffel von „Vienna Blood“ abgedreht, die von unserem Programmvertrieb Red Arrow Studios International weltweit verkauft wird.  

Und wie sieht es in Deutschland aus?

Jobst Benthues hat die Redseven Entertainment in den letzten Jahren zum großen deutschen Produktionshaus ausgebaut, das in Deutschland eine feste Marke geworden ist und für den gesamten Markt produziert. An dieser Stelle noch mal Glückwunsch zum Deutschen Fernsehpreis und zum Blauen Panther, den Redseven als Produzent für ZDF und Kika für „Don’t stop the Music“ und „Don’t stop the Music – Kids“ gewonnen hat. Dann haben wir neben der 2020 mit Carsten Kelber and Christian Ulmen gegründeten Pyjama Pictures, die sich auf Fiction-Formate konzentriert, erst vor wenigen Monaten Flat White Productions mit Fokus auf Factual Entertainment sowie Cheerio Entertainment für Show- und Reality-Formate gegründet. Letztere steht unter der Leitung von Nadine Grünfeld und Frank Kott. Warum haben wir das getan? Wir wollen uns unabhängiger machen im überhitzten deutschen Markt und herausragende Talente an uns binden. Entsprechend erhöhen wir damit auch den Ausbau eigener IP, die wir über all unsere Plattformen ausspielen können. 

Aber genau das ist natürlich auch die Sorge unter freien Produzenten, wenn Sie mit Seven.One Studios jetzt immer neue eigene Produktionsfirmen gründen…

Diese Sorge kann ich allen nehmen. Die Wahrheit liegt bekanntlich in den Zahlen: Der Großteil unseres Budgets geht unverändert in den Markt. Wir wären als Sender und Plattform sehr schlecht beraten, wenn wir uns ausschließlich auf Inhouse-Produktionen beschränken würden. Das wäre kreativer Selbstmord. Mit Blick auf unsere Gruppe und den deutschen Markt produzieren wir für das eigene Haus und für Marktteilnehmer. Ein Fokus richtet sich dabei zunehmend auf junge Talente. Unsere Produktionsfirma Pyjama Pictures feiert gerade zusammen mit Kleine Brüder den großen Erfolg von „Die Discounter“ für Prime Video, die zweite Staffel dieser mehrfach ausgezeichneten Serie startet diese Woche. Diese Form der Zusammenarbeit werden wir weiter ausbauen. Junger Content ist für uns definitiv ein Wachstumsfeld, produktionsseitig wie auch für unsere Plattform Joyn.

Ärgert es nicht ein bisschen, dass „Die Discounter“ nicht bei Joyn zuhause sind?

Natürlich tut mir das weh, wenn ich den Joyn-Hut aufsetze. Aber als Geschäftsführer von Seven One Studios freue ich mich sehr über diesen Erfolg – und außerdem wollen und werden wir weiterhin erfolgreiches Drittgeschäft machen. 

 

"Wir sind offen für Talente, die Companys gründen wollen oder aber bestehende Unternehmen, die in unsere Gruppe passen."

 

Und wie steht es um Flat White Productions?

Wir haben unsere neue Produktionsfirma in Köln vor gut einem Jahr angeschoben. Dann ist uns allerdings die angespannte Personallage in die Quere gekommen. Wir haben eine Weile gebraucht, um für eine Mammutproduktion wie die dreistündige Live-Strecke „Volles Haus“, das Anfang 2023 in SAT.1 startet, die Mannschaft voll zu bekommen. Dazu kam ein überraschender Führungswechsel. Seit November ist Cornelia Landgraf als neue Geschäftsführerin an Bord. Ich würde sagen: Nach einem anfänglichen Stottern läuft der Motor bei Flat White jetzt runder. Und damit sind wir als Seven.One Studios schon sehr breit aufgestellt. Für weiteren kreativen jungen Input aus dem wohl größten Influencer:innen-Netzwerk Deutschlands sorgt außerdem Studio71 – und natürlich Red Arrow Studios International als weltweit etabliertes Distributionshaus. 

Sie sprechen davon mit fast allem aufgestellt zu sein, was sie brauchen?

Wir schauen uns weiterhin sehr genau an, in welchen Feldern wir als Seven.One Studios Talente und Unternehmen an uns binden können. Wir sind offen für Talente, die Companys gründen wollen oder aber bestehende Unternehmen, die in unsere Gruppe passen. Wir haben mit Red Arrow einst ein gutes Gespür auf dem Markt bewiesen. Daran werden wir anknüpfen.

Letzte Frage: Wir stehen vor einem mutmaßlich schwierigem Winter mit für alle steigenden Energiekosten und genereller Inflation. In der Corona-Pandemie gab es schnell Zusicherungen, die Herausforderungen gemeinsam zu schultern. Wie sieht es diesmal aus?

Wir erleben eine dramatische Inflation mit zweistelligem Wachstum der Produktionskosten und das in einem der ohnehin schon teuersten Produktionsmärkte der Welt. Bei dieser Herausforderung müssen beide Seiten in der Lage sein, das Gegenüber zu verstehen. Wir können den Druck nicht ungefiltert an die Produzenten weitergeben, aber die Produzenten können auch nicht alle Mehrkosten an uns weitergeben. Hier brauchen wir einen guten Dialog, um weiterhin zusammen guten Content zu produzieren. Ich wünsche mir ein Miteinander, damit beide Seiten alle Möglichkeiten identifizieren, ein kostengünstigeres, aber qualitativ gleichwertiges Produkt anbieten zu können. 

Herr Pabst, herzlichen Dank für das Gespräch.