Herr Geiss, wie viel wussten Sie über das Fernsehen, als Sie mit der Sendung begonnen haben, die Sie bis heute prägen?

Das Fernsehen war für uns kein Neuland. Schon bevor es mit unserer RTLzwei-Sendung losging, haben wir für "Explosiv" oder ProSieben diverse Beiträge produziert und waren bei einigen Folgen von "Goodbye Deutschland" dabei. Deshalb kannten wir die Branche und waren uns schon zu einem frühen Zeitpunkt im Klaren darüber, was uns erwartet. Dass daraus zwölf Jahre als eigene TV-Marke werden, konnten wir natürlich nicht ahnen.

Was war das Wichtigste, das Sie seither über die Mechanismen über die Branche gelernt haben?

Man schwimmt in einem Haifischbecken und muss aufpassen, nicht vom Hai gefressen zu werden. Aber das haben wir ganz gut auf die Reihe bekommen.

Inzwischen haben Ihre beiden Töchter sogar eine eigene Sendung.

Ich bin stolz darauf, dass es uns gelungen ist, auch die Kinder im Fernsehen zu etablieren. Aber natürlich war es nicht klar, ob sie das mit 18 oder 19 Jahren überhaupt noch machen möchten. Wir haben sie das immer frei entscheiden lassen und sie haben mitgemacht, weil es ihnen gefiel. Dass sie so einen Spaß daran haben, ist für uns das Zeichen, dass wir sie nicht überfordert haben, so früh im Fernsehen zu sein.

Eine Gratwanderung?

Ich weiß, dass unsere Kinder stolz auf all die Sendungen zurückblicken - auch, weil sie auf den ganzen alten DVDs ihr eigenes Erwachsenwerden betrachten können. Da waren viele tolle Erlebnisse dabei, vom Schlittschuhfahren in Dubai bis hin zu unserer Weltreise. Wir haben so viel Zeit zusammen verbracht - das ist wirklich außergewöhnlich und es hat nur deshalb funktioniert, weil wir alle, wenn Sie so wollen, denselben Beruf haben.

 

"Was der Applaus für die Künstler ist, die auf der Bühne stehen, ist für uns die Quote am Tag nach der Ausstrahlung."

 

Wie kam es überhaupt dazu, dass Sie zu Fernsehstars wurden?

Der erste Anknüpfungspunkt war der Verkauf meiner Sportartikelfirma. Ich bin dadurch mit 30 Jahren Rentner geworden, bin nach Monaco gezogen, hatte ein Haus in Saint Tropez. Für die deutsche Medienbranche war es superinteressant zu erfahren, was einer macht, der mit 30 an der Côte d’Azur das Leben genießt. Dadurch sind zunächst Vier- oder Sechsminüter entstanden, die beim Publikum so gut funktioniert haben, dass mit der Zeit Produzenten auf uns zukamen, um noch mehr mit uns zu machen. Dadurch wurden aus fünf Minuten irgendwann 15 - mit dem Resultat, dass wir irgendwann unsere eigene Sendung hatten, mit der wir noch erfolgreicher wurden.

Empfinden Sie die Drehs als Arbeit, wenn es Ihnen doch eigentlich darum geht, das Leben zu genießen?

Es wäre verlogen zu sagen, dass alles nur Fun ist. Selbstverständlich ist ein ganzer Haufen Spaß dabei, wenn wir unsere Hobbys und Urlaube genießen und verfilmen können. Am Ende des Tages bleibt es aber Arbeit - schon alleine, weil man morgens mit dem Druck aufsteht, die Drehs fortsetzen zu müssen. Es warten ja auch Termine auf einen, ganz zu schweigen von all den Mitarbeitern, die gebucht wurden. Dazu kommen viele neue Ideen über die Jahre. Denn wer sich nicht neu erfindet, ist spätestens nach 50 Folgen erledigt. Wir liegen nicht umsonst bei über 300.

Sie produzieren die Sendung inzwischen seit rund acht Jahren selbst. Was hat sich seither verändert?

Von dem Moment hat sich ganz klar verändert, dass wir fortan mehr Freiheiten hatten. Wir können selbst entscheiden, was wir tun wollen. Wir können selbst entscheiden, wann wir drehen wollen. Und wenn wir einen Dreh ausfallen lassen wollen, dann ist es unser eigenes Geld, das wir verschwenden. Das passt besser zu unserem Lifestyle. Wir sind unser eigener Herr. Das war die wichtigste Entscheidung, um überhaupt mehr als 300 Folgen vernünftig produzieren zu können.

Die Geissens © RTLzwei Seit über einem Jahrzehnt im Fernsehen erfolgreich: Die Millionärsfamilie um Carmen und Robert Geiss.

Schauen Sie seither noch etwas genauer auf die Quote?

Wir haben immer auf die Quote geschaut. Was der Applaus für die Künstler ist, die auf der Bühne stehen, ist für uns die Quote am Tag nach der Ausstrahlung. Gott sei Dank konnten wir uns mehr freuen als wir weinen mussten. Das ist auch der Grund dafür, warum es uns noch gibt. 

In der letzten Zeit sind die Quoten sogar eher wieder gestiegen. Worauf führen Sie das zurück?

Wir zeigen den Zuschauern nach wie vor das authentische Leben. Aber es hängt sicher auch damit zusammen, dass die Kinder älter werden. Es ist doch spannend, was Davina und Shania tun, die inzwischen beide den Abschluss haben und volljährig sind. Die beiden haben eine eigene Wohnung und natürlich kommt auch der erste Freund irgendwann. Dann wird’s sicher nochmal turbulent und aufregend. Da liegt also noch eine gute Zukunft vor uns.

Im Laufe der Jahre wurde Social Media für die Außendarstellung immer wichtiger. Ist das Grundrauschen dort nicht inzwischen größer als im Fernsehen?

Wir sind noch die alten Hasen, die im Fernsehen groß geworden sind. Ich bin auch davon überzeugt, dass das Fernsehen noch immer einen großen Stellenwert besitzt. Social Media nimmt natürlich auch einen erheblichen Teil ein, gerade bei den Jüngeren. Aber in der Zeit, in der wir das Format machen, wird es das Fernsehen ganz bestimmt noch geben.

Gibt's für Dokusoap-Stars ein Rentenalter?

Jürgen Drews hat bis 77 Musik gemacht, Roberto Blanco steht sogar mit über 80 noch auf der Bühne. Ein Verfallsdatum gibt es da nicht. Man muss aber für sich selbst entscheiden, wann es zu viel wird und wann der Zeitpunkt gekommen ist, einen Gang herunterzuschalten und weniger Folgen zu produzieren oder die Kinder mehr in den Mittelpunkt zu stellen. Wir lassen es im Moment ganz locker laufen. Noch sind wir jedenfalls nicht im Rentenalter.

Andere Dokusoap-Stars, etwa Daniela Katzenberger oder die Reimanns, haben in der Vergangenheit auch mal den Sender gewechselt. Sie dagegen blieben RTLzwei immer treu. Wie kommt's?

Wir sind dem Sender sehr verbunden, haben mit denen zwölf geile Jahre verbracht. RTLzwei hat uns zu denen gemacht, die wir heute sind. Umgekehrt haben wir dem Sender auch viel gebracht. Wieso sollen wir also auf eine andere Karte setzen? Carmen und ich sind seit über 40 Jahren zusammen, sind also treue Seelen.

Herr Geiss, vielen Dank für das Gespräch.