"Das darf das ZDF-Justiziariat aber nicht vor der Ausstrahlung erfahren", sagt Jan Böhmermann und beömmelt sich. Er weiß natürlich, welche Knöpfe man drücken muss, um Aufmerksamkeit zu generieren. Es geht um "Das Grundgesetz der Tiere", das bisher aufwendigste Special des "ZDF Magazin Royale" aus dem Hause Unterhaltungsfernsehen Ehrenfeld. Vordergründig erzählt der 30-minütige Animationsfilm eine Legende über Entstehung des Grundgesetzes. Aber eben nicht nu(h)r, klärt Miguel Robitzky im gemeinsamen Gespräch auf: "Wer aufmerksam schaut, wird im Hintergrund noch weit mehr Insider-Gags entdecken können."
Robitzky arbeitet seit fünf Jahren im Team von Jan Böhmermann, als Autor hinter der Kamera und bei Bedarf auch immer häufiger in allerlei Rollen davor. Seine gar nicht mal so heimliche Leidenschaft war und ist allerdings der gezeichnete Humor. Fünf Jahre und 271 Zeichnungen lang kommentierte Robitzky das Mediengeschehen in Deutschland mit seinen wöchentlichen Karikaturen-Reihe "Das Letzte" bei DWDL, wechselte dann die Seiten. Aus dem komischen Vogel bei uns, wurde Böhmermanns Mann für komische Vögel. Wie kam es nun zum "Grundgesetz der Tiere"?
"Viele Momente unserer Geschichte wurden schon rauf und runter erzählt, aber zu diesem noch heute gültigen und in vielen Punkten ja sehr wegweisenden jedoch dünnen Grundgesetz gibt es kaum etwas. Auch keine Legenden und Mythen. Dabei ist das doch eine Steilvorlage", sagt Jan Böhmermann und erinnert sich an seinen ersten Besuch im Museum König in Bonn, wo tatsächlich zwischen ausgestopften Tieren einst das Grundgesetz geschrieben wurde. "Man wird uns unterstellen, wir würden uns das alles ausdenken. Aber wer zu unserem Film recherchiert und sich dafür interessiert, wird merken, wie viel auf einer realen Vorlage basiert. Konrad Adenauer, Erfinder des ZDF und der Sojawurst - das haben wir uns nicht ausgedacht!"
Schon länger hatte er die Idee, diesen skurrilen Aspekt der deutschen Geschichte aufzubereiten, sagt Böhmermann. Mit Miguel im Team kam dann die Idee, es als Animationsfilm umzusetzen. "Jan schickte Fotos rum, auf denen neben dem Parlamentarischen Rat diese Giraffe rumstand. Das war eine Steilvorlage, so skurril. Da ging dann automatisch die Fantasie mit mir durch", erinnert sich Miguel Robitzky. Zweieinhalb Jahre ist das her. Böhmermann: "Miguel wollte immer schon Animation machen und kam er zu mir, weil er ein Angebot hatte, woanders was zu machen und ich schlug ihm vor, dass wir das einfach selbst machen bei Unterhaltungsfernsehen Ehrenfeld." Es war der Startschuss zu einem Projekt, das für alle Beteiligten die übliche Arbeit auf den Kopf stellte.
"Die Freiheit wirklich alles gestalten zu können ist auch die Pflicht wirklich alles gestalten zu müssen."
Miguel Robitzky
Warum? "Visuelle Witze lassen sich am Tisch nicht mal eben raushauen wie eine Pointe. Wie sieht das beispielsweise aus, wenn ein Schmutzgeier durch den Raum fliegt? Da wird viel für die Tonne gezeichnet. Und wir sind sonst ja eher textbasiert und auf OneLiner getrimmt", so Robitzky. Und nicht nur das, wie Böhmermann ergänzt: "Je länger wir daran gearbeitet haben und je unklarer wurde, wann das Ding fertig wird, wurde offensichtlicher: Jeder Zeitbezug muss raus. Aktuelle Referenzen altern nicht gut bei Animation. Das war ein ganz anderes Arbeiten als bei jedem normalen ZDF Magazin Royale. Da können wir auch kurz vor der Sendung nochmal schnell was ändern. Das waren hier ganz andere Vorläufe - totales Neuland für uns."
Herausgekommen ist Humor auf mehr als einer Ebene: mal albern, mal tiefgründig oder im Bildhintergrund versteckt: Das 30-minütige Special lässt auf wunderbare Weise wahre Geschichte und Dichtung ineinanderfließen - ein Abgleichen von Fakten und Fiktion wie man es zuletzt z.B. bei der Netflix-Serie "The Crown" erlebte. Wertvoll wird "Das Grundgesetz der Tiere" schon durch seine Form, denn obgleich man in Hollywood gerne auf Talente setzt, die in Ludwigsburg das Handwerk studiert haben, hat Animation in Deutschland einen schweren Stand. Diese 30 Minuten sind daher auch ein Ausrufezeichen: Es ginge schon, wenn man denn wollen würde. Und dass u.a. Bastian Pastewka, Olli Dittrich, Uschi Glas, El Hotzo und Frank Elstner dem ganzen ihre Stimme leihen - sei auch der Begeisterung für etwas Neues geschuldet.
"Wenn man an eine Sache glaubt, auch wenn man sie noch nie zuvor gemacht hat, ist die Chance groß, dass es cool wird. Vielleicht wird nicht alles perfekt, aber man gibt einfach alles dafür um neue Wege zu gehen. 'Das Grundgesetz der Tiere' war echt aufwändig und wir haben viel dabei gelernt, aber jetzt können wir Animation. Und wer macht denn in Deutschland Animation für Erwachsene - komplett produziert in Deutschland? Da ist nichts outgesourct." Studio Soi aus Ludwigsburg hat die Animation von "Das Grundgesetz der Tiere" auf Basis des Character-Designs und der Gestaltung von Miguel Robitzky übernommen.
Über diesen Prozess sagt er: "Das basiert auf jahrelangem Zeichnen von Karikaturen und Comics. Ich hatte schon eine Grundlage, aber unsere Figuren haben sich über den kompletten Produktionszeitraum von zweieinhalb Jahren immer wieder stetig verändert. Das fängt mit Skizzen an, die irgendwann eine Silhouette ergeben mit der man dann weiterarbeitet und dann kommt das Studio dazu, da verändert sich nochmal viel, weil manches nicht funktioniert wenn sich die Figuren bewegen sollen. Zum Beispiel die Federn vom Schmutzgeier Walter. Das war am Anfang noch eine ganze Federkrone, aber das hätte bedeutet man müsste bei seinen Bewegungen jede einzelne Feder animieren. Das wird dann unverhältnismäßig aufwendig. Also wurden es dann drei Federn. Das unterschätzt man gerne bei Animation im Vergleich zur realer Verfilmung: Die Freiheit wirklich alles gestalten zu können ist auch die Pflicht wirklich alles gestalten zu müssen. Das ist eine unglaubliche Frickelarbeit."
"Wir wären doch bescheuert, das nicht fortzusetzen: Der Parlamentarische Rat gibt mehr als genug her für eine Miniserie."
Jan Böhmermann
"Das ZDF kennt sich aus mit Animation aber es war nach 60 Jahren mal Zeit, mehr als nur die Mainzelmännchen zu machen", sagt Jan Böhmermann über das animierte Special. Es ist allerdings nicht das allererste Projekt dieser Art beim "ZDF Magazin Royale", wenn auch zum ersten Mal gleich 30 Minuten lang. "Wir haben immer mal wieder mit Animation experimentiert. Das war mal Helmut Kohl - und diesmal ist es ein anderer toter Kanzler", sagt Robitzky und meint Konrad Adenauer, Erfinder der Sojawurst und erster Regierungschef der Bundesrepublik - eine der bekannten Figuren, die an der Entstehung des Grundgesetzes mitgewirkt haben.
Der animierte Helmut Kohl, er war damals aber schnell wieder weg. "Die Angst vor juristischen Schritten der Witwe von Helmut Kohl war dem ZDF dann doch zu groß", sagt Böhmermann und fügt mit einem Grinsen hinzu: "Wenn's nach uns gegangen wäre, hätten wir da auch noch weiter Leichenfledderei betrieben, aber da richten wir uns natürlich wie immer nach den Anweisungen von ganz oben."
Die 30 Minuten "Das Grundgesetz der Tiere" waren also nicht der Anfang - und sollen auch nicht das Ende der Ambitionen in der Animation sein. Oder wie Jan Böhmermann sagt: "Allein produktionell betrachtet: Die Figuren sind animiert, die Stimmen sind gefunden. Wir wären doch bescheuert, das nicht fortzusetzen. Und inhaltlich gibt es noch einige andere Artikel des Grundgesetzes, deren Entstehung man mit einer schönen Legende erzählen könnte. Der Parlamentarische Rat gibt mehr als genug her für eine Miniserie - warum denn nicht?" Robitzky schiebt hinterher: "Und wenn nicht, dann lasse ich mich gerne abwerben. Das würde ich an dieser Stelle gerne schon mal bei DWDL kundtun."
"Das Grundgesetz der Tiere" ist ab Freitagabend 20 Uhr in der ZDF Mediathek verfügbar und um 23 Uhr im ZDF zu sehen.