Frau Wagner, Frau Etspüler. Vor fast zwei Jahren ist die damalige Odeon Entertainment zu Madame Zheng geworden. Sie wollten Diversität und Gleichstellung liefern. Ich muss zugeben: Als ich erstmals davon gehört habe, ist mir nicht zuerst ein Format wie "Forsthaus Rampensau" in den Sinn gekommen.
Tina Wagner: Da geht es Ihnen wie uns (lacht). Im Ernst: Wir haben Reality nie ausgeschlossen, aber immer gesagt, dass wir es anders machen wollen. Es geht nicht nur darum, was man macht, sondern auch wie man es macht. Nina und ich haben in der Vergangenheit schon viele Formate gemeinsam umgesetzt und dabei eine bestimmte Art der Zusammenarbeit, sowohl intern im Team, aber auch mit unseren Talenten vor der Kamera, etabliert. Wir erzählen unsere Geschichten liebevoll und auf Augenhöhe, das machen wir auch in den Reality-Formaten, die wir produzieren. Wir nennen das Female Storytelling. Diese wertschätzende Herangehensweise wurde uns beim "Forsthaus" zum Beispiel unter anderem von den prominenten Teilnehmer*innen gespiegelt. Sie werden bei uns gut behandelt und dafür schenken sie uns Inhalte.
Nina Etspüler: Die Themen Diversität und Gleichstellung haben sich von Anfang an auf zwei Ebenen bezogen. Es geht nicht nur um die Formate, sondern auch um die Situation hinter der Kamera. Also: Wie arbeiten wir mit den Menschen zusammen und welche Mitarbeiter*innen holen wir? Wir haben flache Hierarchien und arbeiten viel mit Müttern, die halbtags angestellt sind. Nach wie vor haben diese Frauen Probleme, bei anderen Produktionsfirmen unterzukommen. Es ist aber natürlich völlig legitim, einen Antrittsgedanken, wie wir ihn damals formuliert hatten, irgendwann auf die Realität zu überprüfen.
Waren Sie zum Start mit Ihren Zielen zu ambitioniert?
Nina Etspüler: Der Markt ist aktuell ziemlich eng und die Budgets werden knapper. Da kann man sich nicht nur mit Dokus, Sozialexperimenten oder starken Frauen über Wasser halten. Deshalb haben wir uns angeschaut, welche Genres gefragt sind und welche wir gut bedienen können. Und wir haben bei uns sowohl in München als auch in Wien viele gute Reality-Producer. Mit ihren Ideen und einer neuen Produktionsweise haben wir eine Lücke getroffen, in der es aktuell einen großen Bedarf gibt: kostengünstig produzierte Reality-Shows. Daher haben wir uns ein Stück weit angepasst. Das heißt aber nicht, dass wir nicht auch an Dokus oder Sozialexperimenten weiterarbeiten.
Tina Wagner: Wir arbeiten uns nach und nach an unsere Vision heran: Starke Frauen und starke diverse Charaktere erzählen. Das geht nicht von jetzt auf gleich, das müssen wir uns hart erarbeiten. Und gleichzeitig wollen wir natürlich Geld verdienen. Wir sind mit dem Diversity-Ansatz gestartet, am Ende war es aber vielleicht naiv zu denken, dass wir ausschließlich Formate verkaufen können, die auf dieses Versprechen einzahlen. Wenn wir Madame Zheng leben lassen und damit erfolgreich sein wollen, müssen wir diese spitze Zielsetzung aufbrechen. Ich finde aber nicht, dass sich Diversity und Reality widersprechen. Das ist ein Genre, das ich seit 25 Jahren bediene, wir machen es einfach auf unsere sehr weibliche Art. Deshalb passt Reality wunderbar zu uns.
Also Reality als Brot-und-Butter-Geschäft, Gleichstellung und Diversity als Kür?
Tina Wagner: Ich sage gerne: Wir machen das eine, lassen das andere aber nicht sein. Ich will kein Genre abwerten. Bei uns sind die Dinge gleich und wir schauen uns bei allen Projekten an, wie wir sie umsetzen können, damit wir vollumfänglich dahinterstehen. Wichtigste Regel: Wir arbeiten nicht mit Stereotypen.
Der Markt ist aktuell ziemlich eng und die Budgets werden knapper. Da kann man sich nicht nur mit Dokus, Sozialexperimenten oder starken Frauen über Wasser halten.
Nina Etspüler
Wo genau ist das Alleinstellungsmerkmal zum Beispiel bei "Forsthaus Rampensau"? Nachdem die Formate eine Zeit lang immer extremer wurden, geht der Trend aktuell in die andere Richtung. Und auch ein Format wie "Kampf der Realitystars" ist unterhaltsam, ohne dabei zu extrem zu sein.
Tina Wagner: Das Original-"Forsthaus" in Österreich war ja nicht mit klassischen Promis besetzt, sondern mit Allstars des Senders ATV, das macht einen Unterschied, weil sich die Protagonist*innen vor der Kamera anders verhalten. In der deutschen Version konnten wir durch John und Florian aka Erkan und Stefan eine gelungene Metaebene einziehen, die beiden haben die Geschehnisse als Reality-Neulinge betrachtet. Und generell wurde uns immer wieder gesagt, dass unser Forsthaus durch seine Schlichtheit witziger ist als andere Reality-Formate. Das finde ich auch.
Nina Etspüler: Ich habe auch das Gefühl, dass das Pendel im Bereich Reality aktuell wieder in eine andere Richtung schlägt. Vor ein paar Jahren war es vielleicht ein bisschen zu viel, zu extrem. Mit "Forsthaus Rampensau" spielen wir jetzt in der neuen Zeit vorne mit.
Für RTLzwei produzieren Sie auch "Hartz, Rot, Gold". Wie passt das ins Portfolio?
Tina Wagner: Das ist ein Format, das wir von Odeon Entertainment geerbt haben und das bei RTLzwei auch sehr erfolgreich läuft. Deshalb haben wir überlegt, wie wir es verändern können, so dass es nicht im Widerspruch zu unserer Positionierung steht. Wir haben viel mit RTLzwei gesprochen und uns dazu entschieden, die Protagonist*innen nicht in Schubladen zu stecken und jenseits der gängigen Stereotype zu erzählen. Es gibt viele Hartz-IV-Empfänger und das ist ein Thema, das man zeigen sollte. Wir sind auch hier auf Augenhöhe und versuchen, Verständnis für die Menschen zu entwickeln. Über diese Weiterentwicklung sind wir sehr zufrieden, es zieht sogar Diversity bei "Armes Deutschland" ein. Voraussichtlich erzählen wir in dem Format bald eine Transgender-Frau.
"Forsthaus Rampensau" merkt man nicht an, dass an der ein oder anderen Stelle gespart wurde, verglichen mit ähnlichen Formaten.
Tina Wagner
Jetzt kommt mit "Badass - Women of Wrestling" bei RTL+ das erste Format, das in Richtung Gleichstellung und Diversität zielt. Damit haben Sie keine offenen Türen eingerannt, oder?
Nina Etspüler: In der Flut an neuen Ideen herauszustechen, ist nicht einfach. Viele gehen daher erst einmal auf bekannte Gesichter und Marken. Trotzdem gibt es einen Bedarf an guten neuen Charakteren. Beim Wrestling-Format sind wir einerseits visuell sehr stark unterwegs, außerdem ist Wrestling ein starkes Thema und unsere Frauen, die sich in einer Männerwelt durchsetzen wollen, passen perfekt. Das ist die DNA von Madame Zheng, solche Geschichten wollen wir erzählen.
Wie haben Sie RTL letztlich vom Format überzeugt? Bislang ist man dort ja eher nicht durch Wrestling-Content aufgefallen.
Nina Etspüler: Frauke Neeb fand unseren Pitch spannend und im Laufe des Gesprächs entstand das finale Konzept für unsere weiblich besetzte Wrestling-Doku. Auch Einkäufer interessieren sich für diese Ausrichtung und überlegen, wie man sowas verstärkt umsetzen kann. Wenn man Frauen in entscheidenden Positionen sitzen hat, ist das vielleicht nochmal etwas präsenter. In dem Fall war es toll, denn Frauen sind ja nun mal kein Nischenthema.
Was haben Sie aktuell noch in der Pipeline?
Nina Etspüler: Wir entwickeln aktuell sehr viel und sind fast täglich bei potenziellen Auftraggebern, um neue Ideen vorzustellen. Dabei arbeiten wir unter anderem mit unserer Schwesterfirma Mediawan zusammen, dadurch haben sich zwei tolle Projekte ergeben, die wir derzeit pitchen. Grundsätzlich machen wir bei Madame Zheng alles außer Gameshows und große Shiny-Floor-Formate. Wir entwickeln Dokus, Sozialexperimente, junge Dating-Formate, Dailys, Talkshows, laute Realitys und kleinere, vergleichsweise günstige Realitys.
In Österreich liegt ein wahnsinniges Potenzial an neuen Ideen.
Nina Etspüler
Madame Zheng ist auch in Österreich stark vertreten und produziert viel für die ProSiebenSat.1Puls4-Gruppe, zu der auch ATV gehört. Welcher Markt ist aktuell der wichtigere für Sie? Deutschland oder Österreich?
Tina Wagner: Der deutsche Markt ist größer und deshalb bedeutender, wenn es um künftiges Wachstum geht. Österreich ist zwar kleiner, aber für uns extrem wichtig, weil man dort experimentierfreudiger ist und wir Dinge ausprobieren können. Das liegt unter anderem an der jahrelangen vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen unserem Team in Wien um Clemens Bauer und ProSiebenSat.1Puls4. Wir überlegen aktuell sogar, ob wir etwas für beide Länder gleichzeitig auf die Beine stellen können.
Nina Etspüler: In Österreich liegt ein wahnsinniges Potenzial an neuen Ideen. Natürlich wird davon nicht alles auch in Deutschland funktionieren. Aber wir schauen uns alle Formate an, entwickeln zusammen und wollen die beiden Firmen noch näher zusammenbringen. Insgesamt arbeiten in München und Wien 70 Menschen für die Madame Zheng, wenn die aufeinandertreffen, werden enorm viele kreative Energien freigesetzt.
Tina Wagner: Was ganz entscheidend ist: Unsere Kolleg*innen in Österreich wissen, wie man kostengünstig produziert, weil sie immer schon mit weniger Mitteln auskommen mussten. Nina und ich haben auch in der Vergangenheit oft mit österreichischen Partner*innen zusammengearbeitet, die die Not erfinderisch gemacht hat. So ist es jetzt auch: Wir haben irrsinnig viel von unserem österreichischen Team gelernt. Zum Beispiel eben wie man schlank produziert und trotzdem qualitativ hochwertig aussieht. "Forsthaus Rampensau" merkt man nicht an, dass an der ein oder anderen Stelle gespart wurde, verglichen mit ähnlichen Formaten.
Nina Etspüler: Weil es im Zweifel auch egal ist. Die Spiele müssen lustig sein und dann ist es den Zuschauerinnen und Zuschauern nicht so wichtig, ob man das mit nur zwei EB-Kameras abfilmt.
Tina Wagner: Wir nennen das den "Austrian Way of Production" und pitchen das auch so. Das sind unsere USPs: Female Storytelling und das effiziente Produzieren.
Vielen Dank für das Gespräch!
Sechs Ausgaben von "Badass - Women of Wrestling" sind ab sofort bei RTL+ zum Abruf verfügbar.