Herr Heidemann, wenn man an ZDF-Shows in der Primetime denkt, kommt einem zunächst mal "Wetten, dass..?" oder die "Giovanni Zarrella Show" in den Sinn. Im vergangenen Herbst haben Sie jedoch auch Jan Böhmermanns "Lass dich überwachen!" eine Bühne um 20:15 Uhr geboten – und damit in Kauf genommen, dass das Stammpublikum abschaltet. Welche Lehren ziehen Sie daraus?
"Lass dich überwachen!" war ein spannendes Experiment – auch getrieben von unserem Ziel, ein ZDF für alle anzubieten und auch im Hauptprogramm vermehrt ein junges Publikum anzusprechen. Und tatsächlich hat die Show in den jüngeren Zielgruppen sowohl linear als auch in der anschließenden non-linearen Auswertung sehr gut funktioniert. Aus diesem Grund haben wir uns dazu entschlossen, in diesem Jahr sogar zwei Ausgaben von "Lass dich überwachen!" in der Primetime zu senden. Die Show ist ohnehin im besten Sinne öffentlich-rechtlich, ja, fast schon didaktisch, weil sie sich um die zentrale Frage dreht, wie man im Internet mit seinen Daten umgeht. Außerdem ist sie ein Hinweis, wie sich Genres in Zukunft verändern werden.
Sie setzen abseits davon um 20:15 Uhr vor allem auf Giovanni Zarrella und Johannes B. Kerner. Sehen Sie das ZDF damit gut aufgestellt?
Die "Giovanni Zarrella Show" und der "Quiz-Champion" mit Johannes B. Kerner sind aktuell unsere Hauptsäulen für den Samstagabend. Mit dieser Aufstellung bin ich sehr zufrieden. In diesem Jahr produzieren wir sogar eine zusätzliche Ausgabe mit Giovanni und auch mehr "Quiz-Champions". Beides sind Formate, die sowohl im Gesamtmarkt reüssieren als auch ein junges Publikum ansprechen. Aber klar ist auch, dass wir Platz für Neues brauchen. Aus diesem Grund konzentrieren wir uns im Quiz-Bereich komplett auf den "Quiz-Champion" und trennen uns im Gegenzug von "Da kommst du nie drauf!", auch wenn es eine schöne Erfolgsgeschichte war. Stattdessen wollen wir im Frühjahr 2025 beispielsweise die Challenge-Show "Race Across the World" am Mittwochabend zur besten Sendezeit ausstrahlen. Das ist auch deshalb spannend, weil es für uns auf diesem Sendeplatz ein ganz neues Genre ist – nicht die große Showbühne, sondern angesiedelt irgendwo auf der Welt mit fünf Paaren, die sich auf eine spannende Reise begeben.
Das Format stammt ursprünglich von der BBC. Wie blicken Sie derzeit, kurz vor der letzten MIPTV in Cannes, auf den Lizenzmarkt?
Wir fahren zweigleisig, wollen also sowohl Formate zukaufen als auch weiterhin mit den Produzenten eigene Shows und Ideen entwickeln. Auffällig ist, dass klassische Show-Formate im Studio international derzeit kein großes Thema sind. Insofern tun wir gut daran, uns anderweitig zu orientieren und neue Farben auszuprobieren. Factual ist ganz klar bei uns auf dem Vormarsch, wie der anhaltende Erfolg von Formaten wie "Bares für Rares" oder "Die Gartenprofis" zeigt. In diesem Bereich wird in Zukunft außerdem noch ein neuer Sendeplatz am Vorabend hinzukommen.
"Die extremen Produktionskostensteigerungen sind eine große Herausforderung für uns alle in der Branche."
Schon im vergangenen Jahr haben Sie die "Gartenprofis" zeitweise mittwochs um 19:25 Uhr getestet.
Auch in diesem Sommer wollen wir diesen Sendeplatz wieder testweise mit Factual-Formaten bespielen. Unser klares Ziel ist es, hier im nächsten Jahr durchgängig auf dieses Genre zu setzen. Weil das mit einem Format alleine nicht zu schaffen ist, befinden wir uns aktuell in der Entwicklung und Akquise. Das ist einerseits für die Factual-Produzenten interessant, aber auch für unser Haus, weil die Produktionskosten günstiger als bei anderen Genres sind.
Steigende Produktionskosten treffen allerdings auch die Unterhaltung. Wie reagieren Sie darauf?
Die extremen Produktionskostensteigerungen sind eine große Herausforderung für uns alle in der Branche. Dieser Entwicklung müssen wir Rechnung tragen – etwa, indem wir im Mai bei der "Giovanni Zarrella Show" neben einer der regulären Live-Shows auch eine zusätzliche Aufzeichnung produzieren werden, um im Doppelblock Synergien zu schaffen und Produktionskosten zu senken. In Zukunft werden wir weiter in diese Richtung denken müssen, denn gerade die großen Shiny-Floor-Shows kosten einfach Geld. Gleichzeitig richten wir den Blick auf andere, kostengünstigere Genres wie eben Factual Entertainment.
In den vergangenen Jahren hat das ZDF auch im Bereich der Social-Factuals viel ausprobiert, zuletzt mit "Buchstäblich leben". Wie geht’s hier weiter?
Aktuell arbeiten wir zusammen mit den Ehrlich Brothers an einem neuen Social-Factual mit dem Titel "Magic Moves", das wir im Winter am Vorabend ausstrahlen werden. Wir haben das Format zusammen mit Content Laden entwickelt. Das ist also unsere erste große Zusammenarbeit mit der neuen Firma.
Worum geht’s inhaltlich?
Im Zentrum der Sendung stehen Kinder mit Hemiparese, mit halbseitiger Lähmung, und der Versuch, Bewegungsabläufe zu verbessern. Es geht aber auch um Selbstvertrauen und Mut, wissenschaftlich begleitet von einem Therapiezentrum und dem LMU Klinikum München. Der Kern ist ein Zaubercamp mit den Ehrlich Brothers, die die Kinder zehn Tage lang intensiv betreuen und ihnen Zaubertricks beibringen wollen – in der Hoffnung, durch die Bewegung Verbesserungen in den motorischen Fähigkeiten der Kinder erzielen zu können.
Wenig Handlungsbedarf haben Sie derzeit in der Daytime, wo die "Küchenschlacht" und "Bares für Rares" seit Jahren verlässliche Quotenbringer sind. Wie groß ist das Bedürfnis, auch bei diesen Formaten mal an Stellschrauben zu drehen?
Wir überlegen jedes Jahr, wie sich diese erfolgreichen Formate vielleicht noch optimieren lassen. Beim Drehen der Schrauben muss man allerdings mit einem kleinen Schraubenzieher vorgehen. Bei beiden Formaten planen wir aktuell Veränderungen im Look & Feel des Studios, was nach all den Jahren einfach mal notwendig ist. Aber im Kern bleiben die "Küchenschlacht" und "Bares für Rares" natürlich so wie sie sind – regelmäßige Marktanteile um die 20 Prozent sprechen da eine klare Sprache.
Dass Johann Lafer demnächst auch in Sat.1 am Nachmittag kochen wird, stört sie nicht?
Nein, Johann darf alles ausprobieren. Und es ist ja in der Vergangenheit schon häufiger woanders am Nachmittag gekocht worden. Aber wie das eben so ist mit dem Kochen: Manchmal gelingt das Gericht, manchmal nicht.
"Man muss mit Blick auf eine mögliche Zukunft von 'Wetten, dass..?' sehr genau wissen, was man da tut."
Lassen Sie uns über Comedy sprechen. Auch dort haben Sie mit der "heute-show", dem "ZDF Magazin Royale" und der "Anstalt" drei bewährte Säulen im Programm. Wie viel Platz ist da für Neues?
Das Comedy-Feld ist groß – und es soll noch größer zu werden. Wir wollen einerseits unseren Formatkosmos weiterentwickeln, aber auch unsere Köpfe stärken und andere Facetten von ihnen präsentieren. Mit Tommi Schmitt planen wir bekanntlich zur EM eine Fußball-Doku, in der er drei Nationalspieler begleitet. Dazu kommen die Talkshow "Neo Ragazzi" mit ihm und Sophie Passmann, die wir aktuell fortsetzen, und die 3sat-Late-Night-Show mit Sarah Bosetti, die gerade den Grimme-Preis gewonnen hat. Außerdem stehen unsere ZDFneo-Shows mit Aurel Mertz und Edin Hasanovic in den Startlöchern. Aber dabei soll es nicht bleiben.
Woran arbeiten Sie?
Für das kommende Jahr entwickeln wir derzeit eine neue Show mit Till Reiners, die am Freitagabend während der Sommerpause der "heute-show" im Hauptprogramm aufschlagen soll. Darüber hinaus überlegen wir bei den erfolgreichen "heute-show Spezials" mit Lutz van der Horst und Fabian Köster noch mehr Ausgaben zu produzieren und wir werden neue Spin-Offs mit Valerie Niehaus und Martina Hill ins Programm nehmen. Dabei geht es darum, das ohnehin schon starke Ensemble der "heute-show" noch stärker zu machen. Und auch mit Bastian Pastewka und Oliver Welke sind wir in Gesprächen darüber, wie wir ihre gemeinsame Show "Wiedersehen macht Freude" fortsetzen können. Daneben setzen wir das "Browser Ballett" mit einer frischen Idee fort und gehen mit Freshtorge in eine zweite Staffel. Nach den "Einsamen Herzen" treffen sich nun alle Protagonisten der ersten Staffel in einem Reality-Camp wieder.
Viel Neues also. Aber ausgerechnet die erfolgreichste Fernsehshow des vergangenen Jahres war eine 40 Jahre alte Idee, nämlich "Wetten, dass..?".
Wir haben mit "Wetten, dass..?" in den vergangenen drei Jahren Quoten erzielt, wie sie sonst mit einem Unterhaltungsformat nicht mehr möglich sind. Das war noch einmal das alte Lagerfeuer. Großartig, dass es so etwas noch gibt.
Gibt's denn sowas auch in Zukunft noch? Sie haben sich die Zukunft von "Wetten, dass..?" ja bewusst offen gehalten.
Es war für uns alle sehr emotional, als Thomas am Ende der Show auf dem Bagger stand. Jetzt klingt die Freude über den Erfolg allmählich ab und wir blicken nach vorne. Man muss mit Blick auf eine mögliche Zukunft von "Wetten, dass..?" allerdings sehr genau wissen, was man da tut. Aber sag niemals nie.
Herr Heidemann, vielen Dank für das Gespräch.