Herr Schwingel, Sie drücken seit ein paar Wochen zusammen mit Prime Video ja wieder die Schulbank. Was verrät Ihnen Amazon über den Erfolg von „Maxton Hall“?

Amazon MGM Studios hat uns verraten, dass „Maxton Hall“ der erfolgreichste Neustart eines nichtamerikanischen Originals in der Geschichte von Prime Video ist. Ein ganz außergewöhnlicher Erfolg, den Amazon durch eine auch international hervorragend orchestrierte Startkampagne erst möglich gemacht hat. Und auf UFA-Seite ist es eine echte Zusammenarbeit unserer Fiction- und Serial Drama-Units. Dass ein deutsches Original um die Welt geht und in den sozialen Netzwerken schon vor Release so einen Hype auslöst, hat alle Erwartungen übertroffen. Ich danke allen Beteiligten und auch den Fans, die sich auf unsere Bestseller-Verfilmung eingelassen haben. Wir genießen das gerade sehr und gehen jetzt in die zweite Staffel.

Ist der Erfolg von „Maxton Hall“ ein Beleg dafür, dass der Fiction-Hype vergangener Jahre  manchmal zu verkopft war, wenn wir jetzt bei mehreren Streamingdiensten den Trend zu beliebteren Genres wie einer Glossy Soap beobachten können?

Der Erfolg von „Maxton Hall“ zeigt vor allem, dass es für ein Programm aus unserem Markt ein enormes Zuschauerpotential auf der ganzen Welt gibt. Wenn wir Geschichten mit einer emotionalen Relevanz erzählen und die Sehnsüchte und Bedürfnisse des Publikums triggern, können wir auch international ein großes Publikum erreichen. Dafür steht die UFA, über alle Genres hinweg. Ob täglich, wöchentlich oder als Event, ob mit Shows, Dokumentationen oder Serien. „Maxton Hall“ basiert auf Mona Kastens sehr erfolgreicher Romanreihe, deren Rechte wir uns früh gesichert haben. Sie hat mit ihren Erzählungen den Nerv von Millionen Fans getroffen und wir haben ihren Bestseller mit sehr viel Liebe als Serie umgesetzt. Der Ausnahmeerfolg von „Maxton Hall“ ist eine wundervolle Bestätigung für das Team um unsere Produzentin Ceylan Yildirim, Valentin Debler und UFA Fiction-Geschäftsführer Markus Brunnemann und die besondere Qualität des seriellen Erzählens aus unserem Haus.

Aber die Nachfrage nach seriellen Stoffen - über Miniserien hinaus - nimmt bei Streamimgdiensten zu?

Ja, erfreulicherweise nicht nur bei den Serien. Hier liegt für uns eine Riesenchance. Den Wert von starken und langlaufenden Programmmarken wissen Fernsehsender gerade in wettbewerbsintensiven Zeiten sehr zu schätzen, zumal diese Programme auch nonlinear sehr erfolgreich sind. Insofern überrascht es nicht, dass jetzt auch die Streamer verstärkt danach fragen. Neben dem Abowachstum geht es zunehmend um Kundenbindung gerade in Zeiten, in denen die Menschen jedes Abo doppelt hinterfragen. Und wenn es um Programmmarken geht, wollen wir als UFA die erste Adresse sein. Unsere Entwicklungsarbeit in diese Richtung haben wir schon im vergangenen Jahr deutlich intensiviert. Mutige Streamer können hier mit einem klaren Commitment ein neues Level der Kundenbindung erreichen.

Verantwortet wurde „Maxton Hall“ von UFA Fiction, obwohl sie viel „Serial Drama“ beinhaltet. Lässt sich das noch trennen? Braucht es die Strukturen zweier UFA-Töchter? Sie sind ja gerade dabei die UFA insgesamt neu aufzustellen…

Entscheidend ist, dass wir das Beste aus beiden Welten zusammenbringen, indem unsere Teams inzwischen interdisziplinär zusammenarbeiten. Davon profitieren alle Beteiligten, aber vor allem das Programm.   

Neben „Maxton Hall“ gibt es noch ein weiteres Prestige-Projekt: Mit „Where’s Wanda“ produzieren Sie die erste deutsche AppleTV+ Serie. Was überzeugt an der Idee der Comedyserie so sehr, dass Apple es als erstes deutsche Original auserkoren hat?

Da kam eine bestechende Serienidee mit einem spannenden, sehr hochkarätige Cast und den besten Köpfen in allen Gewerken zusammen. Das ist vor allem der Verdienst von Nataly Kudiabor, Thomas Laue und Sebastian Werninger sowie Debora Rosenthal und Oliver Ossege, die das Projekt vor meiner Zeit entwickelt haben und verantworten.

Eine Glossy Soap und eine Dark-Comedyserie im Streaming: Zwei Genres, mit denen sich Streamer nicht unbedingt vom Linearen unterscheiden. Nähert sich das Streaming dem Fernsehen an?

Den Streamern geht es ebenso wie den Fernsehsendern um reichweitenstarke Programme. Zudem gibt es eine große Schnittmenge bei den Zuschauenden, die beide Angebote nutzen. Während das lineare Fernsehen ein lokales Publikum adressiert, denken wir für die Streamer über den deutschsprachigen Markt hinaus. 

Vor zehn Jahren prägte Kevin Spacey bei einer Rede anlässlich des Edinburgh TV Festival den Begriff des „Golden Age of Television“. Nun haben zuletzt der Rückzug von Sky und Paramount für Verunsicherung gesorgt. Sind wir noch im „Golden Age of Television“?

Es ist offensichtlich, dass sich der Markt konsolidiert. Wir kommen von einem extrem hohen Niveau. Kurz vor der Pandemie war so viel Geld im Markt wie noch nie. Das relativiert sich jetzt und wird verstärkt durch einen angespannten Werbemarkt, der sensibel auf politische und gesamtwirtschaftliche Unsicherheiten reagiert. Vielleicht ist es nicht mehr das Golden Age of Television, dafür aber das Golden Age of Video. Denn die Videonutzung in TV, Streaming und in den sozialen Medien nimmt weiter zu. Wir können uns seit Jahrzehnten über ein vitales duales System freuen. Die globalen Streamer haben den Markt kräftig in Bewegung gebracht und so dazu beigetragen, dass die Innovation in den nonlinearen Angeboten der privaten und öffentlich-rechtlichen Anbieter vorangetrieben wird. 

Steckt da momentan die meiste Musik drin? Oder haben Sie Hoffnung, dass die privaten Sendergruppen wieder mehr Fiction beauftragen?

Ich habe nicht nur die Hoffnung, sondern in meiner Zeit bei RTL Deutschland auch aktiv daran gearbeitet. Ich bin überzeugt davon, dass es wirtschaftlich sinnvoll ist, das Genre konsequent zu bespielen. Das geht nicht mit mal einer Produktion hier, mal einer dort. Es braucht eine grundsätzliche Entscheidung für ein gewisses Produktionsvolumen, um Sendeplätze und Sehgewohnheiten zu etablieren. Wer hier investiert, schafft mit Fiction fast immer werthaltiges Programm, das eine Säule im Angebot ist und mehrfach eingesetzt werden kann. 

Was hat mehr Chancen: Der Fernsehfilm oder die Serie?

Reihen! Ganz klar, denn damit kannst du am meisten gewinnen. Für Reihen können wir kreative Köpfe engagieren, die sich vielleicht auf eine Serie nicht einlassen wollen. Gleichzeitig etabliert man eine Sehgewohnheit und baut eine Marke auf, egal ob Sender oder Plattform. Künstlerisch agieren wir dann bei jeder Folge fast wie beim Einzelstück und bauen mit jeder weiteren Episode die bestehende Fangemeinde aus.

Zwei der täglichen Serien der UFA hatten zuletzt mit schwächelnden Quoten zu kämpfen. Sie sorgen sich aber nicht um die Produktionen?

Wir kennen die Wellenbewegungen, denn sie richtig zu interpretieren und entsprechend zu handeln ist entscheidend bei der intensiven Arbeit an langlaufenden Programmmarken. Guido Reinhardt, der seit kurzem mit seinen Teams beide Kölner Dailys verantwortet, hat das sehr genau im Blick. Umso wichtiger, dass wir zuletzt immer wieder deutlich über Senderschnitt liegen.

Jetzt macht die UFA ja mehr als Fiction, die Mutter Fremantle steht sogar mehr für Formate als Fiction. Wie bitter ist es dann, wenn auch noch ein Fremantle-Format wie „Too hot to handle“ jetzt von der Konkurrenz für Netflix produziert wurde?

Es ist uns bei dieser Produktion anscheinend nicht gelungen, neben vielen begeisterten Fans auch unseren Partner davon zu überzeugen, uns mit der zweiten Staffel zu beauftragen. Damit sind wir nicht zufrieden und es liegt an uns, daraus zu lernen. Gleichzeitig freuen wir uns auch im Non-Fiktionalen über erfolgreiche Programmmarken wie „Wer weiß denn sowas?“ oder „Hartz und herzlich“ und arbeiten mit viel Liebe zum Detail an der neuen Staffel von „DSDS“. Es ist ein großes Kapital der UFA, dass wir in allen Genres aktiv sind, weil es uns von Marktschwankungen unabhängiger macht. Dieses Potenzial im Haus noch mehr zu nutzen und im Markt noch stärker auszuspielen ist mir ein großes Anliegen.

Nach dem Fiktion-Hype kam der Boom des Dokumentarischen. Hält der an?

Unbedingt. Das ist ein Wachstumsfeld für die UFA. Beim kürzlichen Docu Summit von Fremantle in London hat sich dieses Bild auch international bestätigt. Selbst mit großer Sorgfalt können wir im Dokumentarischen schneller und teils auch günstiger produzieren als bei den meisten fiktionalen Programmen. Und trotzdem erzielen wir mit spannenden Themen einen ähnlichen Sog. Wir werden künftig noch mehr Entwicklungsarbeit auf das Genre konzentrieren und haben den Bereich daher gerade erst unter der Führung von Ute Biernat neu aufgestellt.

Wie weit sind Sie denn beim Umbau der UFA? Es gab in den vergangenen Monaten ja bereits einige Personalien.

Sie nennen es Umbau, wir sprechen vom Projekt „UFA 2030“. Gemeinsam mit Natalie Clausen und dem Führungsteam geht es mir darum, ein möglichst präzises Bild der UFA in rund sechs Jahren zu zeichnen - kreativ und kulturell ebenso wie organisatorisch und wirtschaftlich. Dafür stellen wir jetzt die Weichen. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf der allseits bekannten Regel „Culture eats strategy for breakfast“, denn sie gilt aus meiner Sicht unverändert und in einem Peoplesbusiness wie unserem umso mehr. Umbau klingt nach Arbeiten, die bald abgeschlossen sind. Ich gehe davon aus, dass es ein andauernder Prozess bleibt, bei dem wir uns stetig hinterfragen und weiter entwickeln werden.

Teil des Prozesses ist ein neu eingeführtes „Horizon Board“. Was wollen Sie damit erreichen?

In den Führungsebenen der UFA haben wir viele oftmals langjährige Mitarbeitende mit viel Erfahrung, was ein großer Wert für das Unternehmen ist. Gleichzeitig bin ich der Auffassung, dass es uns guttut, wenn auch die nächste Generation eine deutlich vernehmbare Stimme im Unternehmen bekommt. Dafür haben wir jetzt ein Gremium. Durch das Horizon Board beziehen wir jüngere Kolleginnen und Kollegen aus Bereichen wie Produktion, Kreation oder Technologie künftig in zukunftsorientierte Entscheidungen des Hauses mit ein. Ich bin gespannt auf die Impulse aus der Runde ebenso wie den gemeinsamen Diskurs und erhoffe mir neue Perspektiven bei Themen, die für uns wichtig sind oder werden. 

Sind in einem Jahr der erwarteten Konsolidierung Übernahmen eine mögliche Wachstumsperspektive für die UFA?

Wir sind für Partnerschaften jeder Art durchaus offen, auch Übernahmen schließe ich nicht aus. Priorität hat jedoch aktuell die Weiterentwicklung der UFA, wie wir sie derzeit mit einigem Tempo vorantreiben.

Lassen Sie uns einen Blick auf die Roadmap der UFA werfen: Was kommt in den nächsten Monaten bzw. welche Produktionen stehen an?

Neben der Fortsetzung vieler etablierter UFA-Programme freuen wir uns natürlich sehr auf Staffel 2 von „Maxton Hall“ ebenso wie „Dinner for five“, eine hochkarätig besetzte Produktion unserer nächsten Serie für Amazon MGM Studios. Wir können „Where’s Wanda“ bei AppleTV+ kaum erwarten, drehen mit „Uferpark“ für RTL+ und Super RTL erstmals eine Serial Drama für die Kids-Zielgruppe und haben beim Seriencamp mit „Upir" grad unsere erste Serie für Joyn vorgestellt, ebenfalls großartig besetzt. Die Entwicklungsarbeiten mit Dirk Steffens haben begonnen, dem hier wohl bekanntesten Wissenschaftsjournalisten und Bestseller-Autoren, den wir im Dok-Bereich an uns binden konnten. Außerdem freuen wir uns auf die Produktion der neuen Staffel „Das Supertalent“, in der Comedian Tony Bauer die Jury aus Dieter Bohlen, Bruce Darnell und Ekaterina Leonova verstärken wird. Und last, but not least stehen schon Ende Juni die Specials von „Take Me out XXL“ bei RTL auf dem Programm.

Herr Schwingel, herzlichen Dank für das Gespräch.