Man muss dieses ungleiche Ermittlerpaar nicht unbedingt mögen. Jedenfalls machen es die schwedische Kriminalkommissarin Saga Norén und ihr dänischer Kollege Martin Rohde sich und ihrer Umgebung eher schwer. Sie leidet am Asperger-Syndrom, einer Form des Autismus, und stößt ständig Menschen vor den Kopf, ohne es zu merken. Er hat seine ganz eigenen Vorstellungen von Loyalität - und in der Vergangenheit ein paar falsche Entscheidungen getroffen, die ihm nun nachhängen.

Dennoch wird man von Norén, Rohde und ihrem brisanten Fall so schnell nicht wieder loskommen, wenn man sich einmal auf "Broen" (dänisch), "Bron" (schwedisch) bzw. "Die Brücke - Transit in den Tod" eingelassen hat. Die Gemeinschaftsproduktion der skandinavischen Sender DR und SVT mit dem ZDF entwickelte sich während der ersten Staffel im Herbst 2011 gleich zum Straßenfeger. Vor allem, weil Erfinder und Chefautor Hans Rosenfeldt eine überaus gelungene Mischung aus Krimi, Sozialdrama und Politthriller erzählt.



Auf der Öresundbrücke, die Dänemark und Schweden miteinander verbindet, nimmt die Geschichte ihren Lauf. Nach einem kurzen Stromausfall wird dort eine Leiche gefunden. Weil diese exakt auf der Grenze zwischen den beiden Ländern liegt, müssen die Kommissare Rohde aus Kopenhagen und Norén aus Malmö gemeinsam ermitteln. Sie identifizieren zunächst eine Malmöer Stadträtin, bemerken jedoch kurz darauf, dass nur der Oberkörper der Leiche von ihr stammt. Der untere Teil gehört zur Leiche einer Kopenhagener Prostituierten, die ein Jahr zuvor ermordet worden war.

Der Täter, der von den Medien später "Wahrheitsterrorist" genannt wird, wendet sich im Laufe der Ermittlungen immer wieder an die Öffentlichkeit, um seine politische Botschaft klarzumachen. Er will Missstände in beiden Ländern anprangern, etwa die Ungleichbehandlung von Stadträtin und Prostituierter beim polizeilichen Ermittlungsaufwand. Der Fall der vermissten Prostituierten war von den Behörden bereits nach zwei Wochen ergebnislos eingestellt worden. Dem Brückenmörder geht es im weiteren Verlauf auch um den gesellschaftlichen Umgang mit Obdachlosen, um die gescheiterte Integration von ausländischen Zuwanderern oder um die Gleichgültigkeit gegenüber Kinderarbeit.

Via Livestream kann die Bevölkerung im Internet verfolgen, wie ein Obdachloser an unbekanntem Ort gefesselt auf einem Stuhl vor der Kamera sitzt. Durch eine Kanüle an seinem Oberkörper wird langsam Blut abgezapft, was irgendwann zum Tod durch Blutverlust führen wird. Der Brückenmörder fordert ein hohes Lösegeld von reichen Immobilienbesitzern, wenn er den Gefangenen am Leben lassen soll. Auch hat er seine Finger im Spiel, als wenig später mehrere psychisch labile Personen Morde begehen und sich danach jeweils selbst umbringen. Etliche Winkelzüge und Seitenstränge später wird langsam klar, dass der wahre Täter in einer gänzlich unerwarteten Richtung zu suchen ist und dass Rache als Hauptmotiv eine gewichtige Rolle spielt.

Serienmacher Rosenfeldt bietet seinem Zuschauer nicht den leichtesten Weg. "Die Brücke" erfordert volle Konzentration und Aufmerksamkeit - sonst hat man schnell mal eine wesentliche Wendung oder einen Hinweis, der viel später erst zum Tragen kommt, verpasst. Das lohnt sich aber, weil man mit gehaltvollem Thrill belohnt wird und weil die Serie mit ihrer erzählerischen Dichte einen selbst für skandinavische Top-Verhältnisse enormen Sog entfaltet.

Wenn auf den internationalen TV-Märkten gegenwärtig wieder viel über Fiction-Formate geredet wird, dann ist "Die Brücke" ein exzellentes Vorbild dafür, wie es gehen kann. Erst wagte sich der US-amerikanische Kabelsender FX Networks an "The Bridge" und verlegte sein hervorragendes Remake mit Diane Kruger und Demián Bichir in den Hauptrollen an die politisch noch brisantere Grenze wischen Mexiko und den USA. Dann schlossen sich Sky Atlantic aus Großbritannien und Canal+ aus Frankreich mit ihrer europäischen Version "The Tunnel" an - hier stand statt einer Brücke der Eurotunnel unter dem Ärmelkanal im Mittelpunkt. Ein echtes Remake-Phänomen auch für die Shine Group: Deren schwedische Tochter Filmlance produzierte das Original, Shine America die US-Version, Shine France Films und die britische Shine-Tochter Kudos die Eurotunnel-Variante.

Auf weiteren Nachschub dürfen sich Fans der "Brücke" auf beiden Seiten des Atlantiks freuen: Nach der zweiten Staffel, die im Herbst 2013 in Skandinavien, im März/April 2014 im ZDF lief und in der Norén und Rohde eine Terrorgruppe jagen, arbeitet Hans Rosenfeldt schon an der dritten Staffel, die Ende 2015 ausgestrahlt werden soll. Am 9. Juli startet bei FX in den USA - und einen Tag später auch beim deutschen Pay-TV-Sender FOX - die zweite Staffel von "The Bridge - America", erneut mit Deutschlands Hollywood-Export Diane Kruger als Detective Sonya Cross.