"Was würdest du tun, wenn ich dich jetzt losbinden und freilassen würde?", fragt der böse dreinblickende Wärter neugierig seinen Gefangenen. "Ich würde nach Hause gehen", erwidert dieser ruhig. "Dann würde ich den Geheimdienst kontaktieren und ihnen dabei helfen, dich hier zu finden. Dann würde ich ihnen dabei helfen, dich umzubringen". "Das gefällt mir", antwortet der Wärter ein wenig überrascht, bevor er den Mann vor sich K.O. schlägt. Solch eine Konversation würde eine normale Geisel wohl nicht inszenieren können. Doch Philip Nørgaard (Johannes Lassen) ist keine normale Geisel und Teil eben jenes Geheimdienstes, den er erwähnte. Nach dieser Szene folgt in "Below the Surface" (OT: "Gidseltagningen") ein Schnitt und wir machen einen Sprung in die Zukunft. Philip lebt noch.

 

Anfänglich scheinbar unbeeindruckt von seinem Erlebnis, führt er weiterhin seinen Job als Anführer einer dänischen Anti-Terror-Einheit aus und muss nicht lange warten, bis der nächste Krisenfall ansteht: In Kopenhagen wird eine U-Bahn von drei maskierten und schwer bewaffneten Männern geeentert, die insgesamt 15 Geiseln nehmen. Ihre Forderung: Vier Millionen Euro. Doch sollte man den Terroristen diese augenscheinlich geringe Summe für 15 Menschen einfach geben, gar mit ihnen verhandeln? Die erste von vielen Fragen, die sich die dänische Regierung stellt, während sie noch nicht einmal weiß, mit welcher Organisation sie es eigentlich zu tun hat. 

Acht Tage wird dieser Zustand anhalten. Acht Tage, die "Below The Surface" im "24"-Stil eine Situation observiert - heutzutage vermutlich näher an unserer Realität als wir möglicherweise wahrhaben möchten. Doch wieso sollte man sich freiwillig eine Serie anschauen, die Erinnerungen an tragische Ereignisse auffrischt? Nun, aus dem gleichen Grund, warum in der Schule Geschichte gelehrt wird. Um nicht zu vergessen und um daraus zu lernen.

Insbesondere ein Punkt spricht für "Below the Surface": So haben es die Ideengeber Adam Price ("Borgen") und BAFTA-Gewinner Soren Sveistrup ("The Killing") in Zusammenarbeit mit dem Showrunner Kasper Barfoed ("Dicte") geschafft, ein außerordentliches Konstrukt von Storysträngen mit smarter Pointiertheit zu vereinen. Die Drama-Serie von Discovery Networks, die in Ko-Produktion mit ZDFneo entstanden ist, bringt nämlich derart viel Empathie auf, dass es gelingt, jede einzelne der 15 Geiseln angemessen zu beleuchten. Ebenso wie die Polizei-Seite, präsentiert von Philip Nørgaard, der zudem aufgrund seiner vorherigen Gefangenschaft an einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) leidet, die Reaktionen der Regierung und das journalistische Arbeiten der Medien. 

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Es ist also eine Menge, die sich die Macher hier vorgenommen haben. Und sie haben es gut gemacht, verständlich umgesetzt für jedermann. Da kommen wir auch schon zum wohl einzigen Problem der Serie. Denn um sie für jedermann kompatibel zu gestalten, hat man sich in "Below the Surface" sehr ausführlich mit jedem einzelnen angesprochenen Punkt beschäftigt. So, dass sich die Zuschauer, die nicht alles ewig breit erklärt bekommen möchten, auch mal in langweiligen Momenten wiederfinden können, weil sich gewisse Situationen gerne wiederholen. Alleine wie ein Staat mit Terroristen umzugehen hat ("Wir verhandeln nicht mit ihnen"), wird unendlich oft erwähnt. So wichtig das Thema auch ist, so ermüdend kann die Erfüllung des Lehrplans sein - und das geht eben an manchen Stellen auf Kosten des Unterhaltungswerts.

Wer aber eine Serie mit authentischer Story sucht, bei der nichts ausgelassen wird, sollte "Below the Surface" ernsthaft in Erwägung ziehen. Denn so lange man die richtigen Momente mitbekommt – und diese überwiegen – wird man Teil einer wichtigen Produktion, die sich adäquat mit dem Terrorismus der Jetzt-Zeit auseinandersetzt. Lobenswert ist zugleich, wie mutig die Macher an das Thema herangegangen sind. Als der Geiselnehmer nämlich bei dem größten Nachrichtensender des Landes anruft, um einen sehr spontanen Skype-Call aus dem Gefangenenlager anzubieten, wird gezeigt, wie sensationsgeil direkt zugesagt wird, ohne sich vorher intern abzusprechen und - viel wichtiger - ohne vorher die Polizei zu verständigen. So gesehen liefert "Below the Surface" ganz nebenbei auch noch eine Lehrstunde für die Medien.

Schön ist aber auch, dass man die sehr persönliche Geschichte von Philip Nørgaard nie komplett unter den Deckel fallen lässt. Mit ihm werden dem Zuschauer immer wieder Twists präsentiert, die nicht die komplette Serienwelt revolutionieren möchten, aber unheimlich smooth sind. Darauf stimmt bereits die erste Szene ein: "Jetzt sage mir, was du wirklich tun würdest, würde ich dich frei lassen", führt der Wärter sein angestoßenes Gespräch fort. "Ich würde nach Hause gehen...", erwidert Philip erneut. "...und würde das normalste Leben der Welt führen."

"Below the Surface" umfasst acht Episoden und hat in diesem Frühjahr Premiere auf dem dänischen Pay-TV-Sender Kanal 5/Discovery Networks Denmark gefeiert. ZDFneo zeigt die Serie ab dem 6. Oktober unter dem Titel "Countdown Copenhagen".