Seine Kultfigur Mr. Bean sei ein "egozentrischer, narzisstischer Anarchist" gewesen, ein "Neunjähriger gefangen im Körper eines Mannes", gab Rowan Atkinson unlängst im Interview mit der britischen "Times" zum Besten. Der stets stumme Chaot aus den frühen 90ern ist bis heute so beliebt, dass die Serie in 245 Länder verkauft wurde und 11 Milliarden YouTube-Abrufe zählt.

Im Vergleich dazu sei Trevor Bingley "wesentlich netter und normaler", so hoffe er, Atkinson, zumindest. "Er scheint wie ein herzensguter, wohlmeinender, absolut intelligenter Mann, aber natürlich hat er seine Brüche und Schwachstellen, und seine größte Schwachstelle ist seine Besessenheit." So klingt ein typischer Atkinson-Satz, in dem die perfekte Untertreibung nur einen Zipfel des vollen Wahnsinns durchschimmern lässt.

Trevor Bingley ist der Antiheld der Netflix-Comedyserie "Man vs. Bee", die Atkinson zusammen mit Will Davies ("Johnny English") geschrieben hat. Der geschiedene Vater einer Teenager-Tochter ist quasi dauerarbeitslos, weil er seinen Bürojob nach einem Kampf mit dem Reißwolf und seinen Supermarktjob nach missglückter Auseinandersetzung mit einem Einkaufswagen verloren hat. Sein nächster Versuch: Housesitter bei einer Agentur, die die Luxusvillen der Superreichen betreut. Da ja gerade überall Personalnot herrscht, wird er auch ohne Vorerfahrung auf das mit teurer Kunst und Hightech-Schnickschnack vollgestopte Haus eines urlaubenden Millionärspärchens losgelassen. Die ersehente Chance, das nötige Geld für einen Campingtrip mit Tochter Maddie zu verdienen, liegt in greifbarer Nähe.

Man vs. Bee © Netflix
Dass die Sache irgendwie eskaliert sein muss, ist schon in den ersten Sekunden der Serie klar, als Trevor vor Gericht wegen Brandstiftung, schwerer Sachbeschädigung und einem Dutzend weiterer Delikte verurteilt wird. Seine einzige Erklärung: "Da war diese Biene..." Im Rückblick sehen wir, wie das aggressive Insekt zeitgleich mit Trevor in die Villa einzieht und ihn erst zur Unruhe, dann zur Weißglut treibt. Im Folgenden wird der Genervte zum Hammer, zum Tennisschläger, zur Mikrowelle, zum Flammenwerfer und noch manch anderem Utensil greifen, um die Biene zu erledigen. Dabei müssen als Kollateralschäden ein Mondrian-Gemälde, ein Kandinsky-Mobilé, diverse Designermöbel und Glaswände, ein Jaguar E-Type sowie der von einer Nussallergie geplagte Hund des Pärchens namens Cupcake dran glauben. Die Biene freilich summt in animierter Super-Nahaufnahme nach jeder Attacke fröhlich weiter.

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Keine Frage, Atkinson hat eine neue Paraderolle für sich geschaffen, die zwar ein bisschen mehr Text hat als Mr. Bean selig, aber letztlich voll vom unnachahmlichen Visual-Slapstick-Talent des englischen Meisters lebt. Wer sonst kann so schön überrascht, verschmitzt, verzweifelt oder zum Äußersten entschlossen aus der Wäsche gucken? Funny Bones und Funny Face deluxe. Da gehört es dann zu den komischen Höhepunkten, wenn Atkinsons Trevor unter der Regie von David Kerr mit der komplizierten Gestensteuerung des Wasserhahns und der Küchenschränke kämpfen muss, wenn er mit Magnetband um den Hals in der Hundeklappe stecken bleibt oder den besorgten Hausbesitzern beim Videocall mit schräg versteinerter Miene eine eingefrorene Verbindung vortäuscht. Das Pointenfeuerwerk ist abgeschmeckt mit einer Prise sentimental-warmherziger Stimmung, wenn Trevor mit Tochter Maddie telefoniert und diese immer wieder vertrösten muss.

Besonders für die britische Presse ist eine neue Rowan-Atkinson-Serie natürlich ein Großereignis, wie nicht nur das eingangs zitierte "Times"-Interview belegt. Man muss es nicht unbedingt so weit treiben wie der TV-Kritiker des "Guardian", der zwei Absätze lang darüber sinniert, was wohl die Motivation der Biene sei, den armen Trevor so zu quälen. Vor allem, da die neun Episoden von "Man vs. Bee" nur eine Gesamtspieldauer von 108 Minuten haben, empfiehlt sich das Werk als unkompliziert aufheiternder Quick Binge für zwischendurch.

"Man vs. Bee", bei Netflix