Es sind die zentralen Fragen des Familienlebens, die hier verhandelt werden: Ja, es mag verdammt schwierig sein, die Montageanleitung eines Ikea-Regals zu durchdringen. Aber liegt nicht die ungleich größere Herausforderung darin, seine Kinder zu erziehen, ohne die Fehler der eigenen Eltern zu wiederholen? Aina Clotet scheint genau zu wissen, wovon sie spricht. Die Hauptdarstellerin, Autorin und Regisseurin hat alles an Erfolgen, Rückschlägen, Herzschmerz, Peinlichkeiten, Pathos und Ernüchterung zusammengesucht, was zwischen Fortpflanzung und Elternschaft so auftauchen kann, und die rohe Emotionsmasse dann in acht Serienfolgen voll von schwarzem, intelligentem Humor gegossen.

Clotet spielt Mariana, die mit Ehemann Samuel (Marcel Borràs) und ihren beiden Kindern aus dem Zentrum von Barcelona in die grünen Hügel am Stadtrand zieht – auf der Suche nach einem Umfeld, in dem die fünfjährige Lía und der einjährige Max behütet aufwachsen können. Mariana nutzt den Einschnitt auch, um beruflich durchzustarten: Sie leitet ein ambitioniertes Sozialprojekt zur Unterstützung marokkanischer Teppichknüpferinnen. Derweil nimmt IT-Fachmann Samuel ein Sabbatical, um Kinder und Haushalt zu betreuen. Auf der anderen Straßenseite wohnt eine ziemlich blonde und scheinbar perfekte Familie, die aus Schweden stammt. Meilenweit voraus seien die Nachbarn mit ihren Erziehungsmethoden, schwärmt Samuel und eifert ihnen fortan nach.

In der Absicht, bessere Eltern zu werden, rufen Mariana und Samuel eine Therapiegruppe ins Leben, der sich sogleich andere Paare aus dem Viertel mit ähnlichen Unsicherheiten anschließen. Ihre Sorgen teilen sie dort mit einer professionellen Familienpsychologin. Einzig Annika (Liv Mjönes), die schwedische Mutter von gegenüber, verschließt sich den Therapiesitzungen. Die Idylle stürzt ins Chaos, als Annikas Sohn sich das Leben nimmt. Vor allem Mariana kann nur schwer mit ihren Ängsten umgehen und entwickelt eine regelrechte Besessenheit, den Umständen des Selbstmords nachzuforschen.

"Esto no es Suecia" – das international als "This Is Not Sweden" firmiert und von der ARD den unnötig umständlichen Titel "Barcelona for Beginners – Familie und andere Katastrophen" verpasst bekam – gewann den Prix Europa als beste TV-Serie; Clotet wurde im April beim Festival Canneseries als beste Hauptdarstellerin ausgezeichnet. Die Serie spielt mit dem besonders in Südeuropa verbreiteten Klischee, dass das Leben in Skandinavien lebenswerter und die dortigen gesellschaftlichen Errungenschaften nachahmenswert seien. Ab Folge zwei beginnt jede Episode mit den verzweifelten Fragen der Eltern in der Gruppentherapie, die nach Kontrolle und Perfektion streben, aber vom Alltag doch konsequent in die Gegenrichtung geschubst werden.

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"Es war mein oberstes Ziel, über mich selbst zu lachen", gab Aina Clotet vor und wurde der Maxime vollumfänglich gerecht. Ob die Elternstrategien, ihren Kindern Grenzen zu setzen, zwischen "Ich schlage zurück" und "Ich packe meine Koffer, als wollte ich für immer gehen" changieren oder ob das übertriebene Helikopter-Prinzip darin gipfelt, dass ein Baum auf dem Schulhof wegen der potenziellen Verletzungsgefahr gefällt werden muss: Stets sind die sogenannten Erwachsenen – Mittdreißiger mit Ängsten, Hoffnungen und Träumen – dem realen Chaos ausgeliefert, dem sie oftmals nicht allzu erwachsen begegnen. Clotet und Borràs sind nicht nur vor der Kamera Partner, sondern haben auch im echten Leben zwei gemeinsame Kinder. Den Auslöser zur Serie gab die Teilnahme an einer psychologischen Gruppentherapie für Eltern. Der Humor helfe dabei, so Clotet, die eigenen Fehler in der Elternschaft zu erkennen und die Schwierigkeiten zu bewältigen.

Dass "Barcelona for Beginners" nicht nur eine kleine katalanische Serie, sondern eine internationale Koproduktion mit deutscher, schwedischer und finnischer Beteiligung wurde, liegt daran, dass Clotet ihr Projekt im Development-Stadium beim Filmfestival in Göteborg pitchte und dort die Fiction-Chefinnen von SVT (Schweden) und YLE (Finnland) überzeugte – aber auch NDR-Redakteurin Sabine Holtgreve, die den Achtteiler schließlich für die "FabFiction"-Initiative von NDR, SWR und WDR auswählte. Ein guter Griff.

"Barcelona for Beginners", ab 21. Juni in der ARD-Mediathek