Das Jahr 2025 hat für einige Kultur-Verantwortliche in der ARD ziemlich turbulent begonnen. Die geplante Verpflichtung von Thilo Mischke als "ttt"-Moderator sorgte für viel Kritik, von der man offenkundig überrascht wurde. Zwischen den Jahren war man viele Tage buchstäblich sprachlos und fand keine Stimme in der immer weiter aus dem Ruder laufenden Debatte. Letztlich sah die ARD von der Verpflichtung Mischkes ab. Das alles warf kein gutes Licht auf Entscheidungsprozesse und die Kommunikationsfähigkeiten innerhalb der ARD.

Und mittendrin: Das noch recht junge Angebot ARD Kultur. Zumindest ein bisschen. 

ARD Kultur hat zum 1. Januar die Verantwortung für die Social-Media-Kanäle von "ttt" übernommen. So war es schon lange vor der verkündeten Mischke-Verpflichtung geplant - und so kam es dann auch während des tobenden Shitstorms. Das ist auch deshalb wichtig zu wissen, weil einige Tage zuvor über den Instagram-Kanal von "ttt" ein Statement veröffentlicht wurde, das Mischke später scharf kritisierte, weil es nicht dem entsprochen habe, was man vorher erarbeitet habe. Die fehlende Moderation des "ttt"-Kanals habe im Anschluss "maßgeblich zur Eskalation [...] beigetragen", so Mischke. 

In diesem Fahrwasser übernahm ARD Kultur also den Instagram-Kanal. "Das war ein turbulenter Start und das haben wir uns anders vorgestellt", sagt Kristian Costa-Zahn, Programmgeschäftsführer und Head of Content von ARD Kultur im Gespräch mit dem Medienmagazin DWDL.de. Man habe direkt Learnings aus der Situation gezogen, sagt Costa-Zahn und verweist auf optimierte Absprachen und Kommunikationswege intern und extern. Bereits bekannt war, dass die "ttt"-Federführung ab sofort beim MDR liegt (DWDL.de berichtete). 

Es war also auch für die noch recht junge ARD-Einheit ein turbulenter Jahresstart. Und auch sonst sind die Aufgabengebiete zuletzt gewachsen. So verantwortet ARD Kultur mittlerweile auch die Koordination des Kultur-Angebots in der ARD Mediathek. Größere Veränderungen gab es hier erst einmal nicht, weil das Angebot auch vorher schon gut funktioniert habe, sagt Costa-Zahn. Die Arbeitsbelastung für sein Team ist dadurch natürlich trotzdem gestiegen - ganz im Gegensatz übrigens zum Budget. ARD Kultur kommt seit dem Start vor rund zweieinhalb Jahren mit jährlich fünf Millionen Euro aus. Davon muss alles bezahlt werden, also neben den Inhalten auch die Gehälter von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die Büromiete, der Betrieb des eigenen Portals und weitere Posten. 

Viele neue Projekte in diesem Jahr

Trotz dieses vergleichsweise überschaubaren Budgets hat es ARD Kultur von Beginn an geschafft, mit verschiedenen Produktionen viel Buzz zu erzeugen. Da waren die Dokus über Viva und Echt, ein KI-Film über eine Band, die an Tic Tac Toe erinnerte, ein Podcast über Taylor Swift und, wie zuletzt, eine Doku über den gefallenen Fynn Kliemann. Erst vor einigen Tagen ist mit "Max & Joy" die nächste große Produktion gestartet, auf die man große Stücke setzt. "Wir denken, dass die Doku das Zeug dazu hat, der nächste Hit zu sein", sagt Kristian Costa-Zahn gegenüber DWDL.de. Die dreiteilige Serie erzählt die turbulente Geschichte der zwei Musiker Max Herre und Joy Denalane, die auch privat ein Paar sind. Ähnlich wie bei dem Echt-Film gibt es viele Privataufnahmen. Es ist gleichermaßen ein Deepdive in die persönliche Geschichte der beiden, aber auch in ihr musikalisches Wirken - und wie beides miteinander korrespondiert. 

Max & Joy © ARD Kultur/LOTTERMANN AND FUENTES Der nächste Hit? Die Dokureihe "Max & Joy" über Max Herre und Joy Denalane ist seit wenigen Tagen in der ARD Mediathek verfügbar

Weitere Projekte stehen bereits in den Startlöchern. Ende Mai startet mit "Blende & Beton" ein Format, dass Kristian Costa-Zahn als Beitrag von ARD Kultur zur europäischen Kulturhauptstadt Chemnitz verstanden wissen will. Der aus Chemnitz stammende Fotograf Philipp Gladsome erkundet darin mit anderen Star-Fotografinnen und Fotografen die Stadt und erschließt diese fotografisch. Dabei soll es nicht nur um Fotografie als Kulturform gehen, sondern auch um Theater, Musik, Clubkultur, Architektur und andere Disziplinen. Produziert wird von i&u TV, das für ARD Kultur auch schon "Galleripky" mit Paul Ripke umgesetzt hatte. 

Kristian Costa-Zahn kündigt gegenüber DWDL.de auch noch zwei Projekte für das laufende Jahr an, die aus den Bereichen Filme und Serien kommen, eins davon mit einem bekannten Protagonisten. Darüber hinaus steht Kunst im Mittelpunkt von zwei Projekten. Details will er in allen Fällen noch keine nennen. Ganz generell ist der Output bei dem geringen Budget beachtlich. Möglich wird das auch, weil ARD Kultur bei allen Projekten mit verschiedenen Landesrundfunkanstalten zusammenarbeitet. 

"Wir sind ein Netzwerk-Knotenpunkt. Es ist nie so, dass wir als ARD Kultur wie ein Satellit alleine agieren", sagt Costa-Zahn. Die ARD-interne Zusammenarbeit in der Kultur habe in den vergangenen zweieinhalb Jahren noch einmal stark zugenommen. Und während viele Köche an anderer Stelle hin und wieder den Brei verderben, ist dieses Phänomen bei ARD Kultur zumindest noch nicht zu beobachten - im Gegenteil. 

"Wir sind extrem Performance-getrieben."
Kristian Costa-Zahn, Programmgeschäftsführer und Head of Content von ARD Kultur


Zuletzt hat man auch die eigene Zielgruppen-Definition angepasst. Blickte man bis zum vergangenen Jahr überwiegend auf die 30- bis 50-Jährigen, hat man diese Definition erweitert und startet inzwischen schon bei Menschen, die 20 Jahre alt sind. So ist es dann auch zu erklären, dass Formate rund um Fynn Kliemann oder auch Taylor Swift umgesetzt wurden, wobei es eine präzise Trennung zwischen den Zielgruppen hier ja auch gar nicht geben kann. "Wir richten uns bei der Zielgruppe komplett nach der ARD Mediathek und der ARD Audiothek. Das sind unsere Zielplattformen", sagt Kristian Costa-Zahn und verweist darauf, dass auch dort die Definition mittlerweile erweitert worden sei. 

Generell bleibt es aber so, dass Projekte mit einem potenziell älteren Publikum von den linearen Sendern umgesetzt werden. Und solche mit einer sehr jungen Zielgruppe gehen zu Funk. Oder wie es Costa-Zahn formuliert: "Wir richten uns an junge bis mittelalte Erwachsene und ihre Lebenswelt. Alle haben gemeinsam, dass sie digital sozialisiert sind und einen hohen On-Demand-Medienkonsum haben." 

Und auch ein anderer Punkt hat sich seit dem Start von ARD Kultur nicht verändert: Projekte, die man umsetzt, sollen möglichst breit sein. "Wir treten nicht dafür an, nischig zu sein. Es geht darum, breitenwirksame Projekte zu starten. Wir wollen Kultur an möglichst viele Menschen vermitteln." Generell suche man keine Themen, sondern Geschichten. Wichtig sei eine funktionierende Dramaturgie, egal auf welche Art. Costa-Zahn: "Hauptsache es gibt eine." 

In der Bewertung von Erfolg und Misserfolg gibt es für ARD Kultur nicht die eine Zahl, stattdessen schaut man sowohl auf Abrufe und Watchtime, aber auch auf Auszeichnungen, Public Value und inhaltliches Feedback. "Wir sind extrem Performance-getrieben", sagt Costa-Zahn. Und so muss sich jedes Format aufs Neue beweisen. Nach dem Erfolg des Taylor-Swift-Podcasts wurde zuletzt "Die Billie Eilish Story" gestartet. Ist auch das ein Erfolg, ist eine Ausweitung auf andere Popstars denkbar. Wenn nicht, dann tendenziell eher nicht. 

KI? "Wenig radikal gedachte Projektvorschläge

Ein Thema, das alle in der Branche aktuell umtreibt, ist Künstliche Intelligenz (KI) - das ist bei ARD Kultur nicht anders. Mit "Boom" hatte man im vergangenen Jahr einen Film veröffentlicht, bei dem die Figuren mit einer KI interagiert haben. Was ist seither passiert? "Ich merke, dass sich im Markt kurzfristig gar nicht so viel ändert", sagt Kristian Costa-Zahn gegenüber DWDL.de. Zwar gebe es vereinzelt Pitches, bei denen KI zum Teil vorkomme. Aber: "Es kommen wenig radikal gedachte Projektvorschläge. Wir sind als ARD Kultur sehr innovationsorientiert und immer bereit, auch etwas auszuprobieren." Er würde sich freuen, wenn "ungewöhnlichere Vorschläge" kämen, bei denen man "das Produzieren der Zukunft testen" könne. Letztlich gehe es aber nicht nur um die Technik, auch der Inhalt und der Mehrwert durch Einsatz neuer Technologien müsse stimmen, so der Head of Content von ARD Kultur. 

Zeit dafür ist noch reichlich. Kristian Costa-Zahn und seine Geschäftsführer-Kollegin Bettina Kasten, sie verantwortet den Bereich Partner- und Projektmanagement, sind erst vor wenigen Monaten für drei weitere Jahre an der Spitze der Gemeinschaftseinrichtung bestätigt worden (DWDL.de berichtete). Da dürfte es für Produzentinnen und Produzenten noch genügend Möglichkeiten geben, die Chefs von ARD Kultur mit ungewöhnlichen Vorschlägen zu überzeugen - sei es durch KI oder andere Ideen.