KEF © KEF
Wenn Politikerinnen und Politiker mal wieder gegen den vermeintlich so teuren öffentlich-rechtlichen Rundfunk poltern, vergessen sie in der Debatte meist nicht nur, wer den Auftrag für ARD und ZDF setzt - nämlich sie selbst. Sie übersehen auch gut und gerne, dass nicht die Öffentlich-Rechtlichen darüber entscheiden, wie viel Geld sie zur Verfügung haben. Das macht die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF), ein unabhängiges Expertengremium, dem aktuelle und ehemalige Präsidenten von Landesrechnungshöfen, aber auch Wirtschaftsprüfer, Betriebswirtschaftler, Rundfunkrechtler und noch einige mehr angehören. Insgesamt bilden 16 Sachverständige die Kommission. 

Nun feiert die KEF ihren 50. Geburtstag, an diesem Donnerstag hat die Kommission in die Vertretung des Landes Rheinland-Pfalz in Berlin geladen, um das Jubiläum zu zelebrieren. Kommen wird viel Medienpolitik-Prominenz, auch Ministerpräsident Alexander Schweitzer, Vorsitzender der Rundfunkkommission der Länder, hat sich angekündigt. Und vielleicht kommt man an dem Abend darüber ins Gespräch, welche Zukunft die KEF eigentlich noch hat. Zuletzt drängte sich nämlich der Eindruck auf, die Politik gebe nicht mehr sonderlich viel auf die Empfehlungen der Kommission. 

Die Bedeutung der KEF hat sich im Verlaufe der letzten 50 Jahren stark gewandelt. Die Institution wurde in ihrer heutigen Form 1975 gegründet, aber schon einige Jahre davor nahm die sogenannte "Arbeitsgruppe Rundfunkgebühren" ähnliche Aufgaben wahr, diese Arbeitsgruppe war aber staatlich dominiert. 1994 stellte das Bundesverfassungsgericht schließlich fest, dass das damalige Gebührenfestsetzung nicht im vollem Umfang mit der Rundfunkfreiheit vereinbar sei, in der Folge mussten Politiker die Kommission verlassen und es entstand das auch heute noch gültige, dreistufige Finanzbedarfsfestsetzungsverfahren. Dabei melden die Anstalten ihren Finanzbedarf zunächst bei der KEF an, die überprüft diesen und kürzt ihn in der Regel deutlich zusammen. Danach entscheiden die Länder über die KEF-Empfehlung zur künftigen Beitragshöhe. 

Martin Detzel © IMAGO / epd Martin Detzel
In den vergangenen 20 Jahren wurde das KEF-Verfahren in Karlsruhe gleich mehrfach bestätigt und die Rolle der Kommission gestärkt. Zuletzt im Jahr 2021, als sich Sachsen-Anhalt weigerte, die KEF-Empfehlung umzusetzen. Seither gilt: Eine Abweichung der Länder von der KEF-Empfehlung ist möglich, aber nur in Ausnahmefällen und im Konsens der Länder. "Die Rolle der KEF hat sich also von einer beratenden Arbeitsgruppe hin zu einem Sachverständigengremium, das mit seinen verbindlichen Empfehlungen dem Schutz der Rundfunkfreiheit dient, entwickelt", sagt der KEF-Vorsitzende Martin Detzel gegenüber DWDL.de selbstbewusst. "Diese Rolle nimmt die KEF uneingeschränkt wahr." 

"Wie vor vier Jahren sehe ich auch jetzt keine verfassungsrechtlich tragfähigen Gründe, die die Abweichung rechtfertigen könnten."
KEF-Vorsitzender Martin Detzel zur Nicht-Erhöhung des Rundfunkbeitrags


Und auch aus der Medienpolitik kommen zum 50. Geburtstag der KEF wertschätzende Worte. "Die Arbeit der KEF ist ein zentraler Baustein unseres staatsfernen Rundfunkfinanzierungssystems und ein Beispiel dafür, wie unabhängige Institutionen zum Funktionieren unserer Demokratie beitragen können", sagt Heike Raab, Staatssekretärin in Rheinland-Pfalz und Koordinatorin der Rundfunkpolitik der Länder, auf Anfrage von DWDL.de. Die Kommission gewährleiste, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk auf einer "transparenten und sachlich begründeten Finanzierungsgrundlage arbeiten kann". In einer Zeit, in der demokratische Institutionen unter Druck und Medien immer stärker unter wirtschaftlichen und politischen Einfluss geraten, sei die Arbeit der KEF umso bedeutender, sagt Raab.

Die institutionelle Unabhängigkeit der KEF schütze nicht nur die journalistische Freiheit, sondern sichere auch die pluralistische Meinungsbildung ("eine der tragenden Säulen unserer Demokratie"), sagt die oberste Medienpolitikerin des Landes. Heike Raab: "Deshalb verdient die KEF nicht nur Anerkennung für ihre bisherige Arbeit, sondern auch das Vertrauen und die Rückendeckung für ihre zukünftige Aufgabe." Diese Rückendeckung wünscht sich auch der KEF-Vorsitzende Martin Detzel, der sich bereits 2024 im Interview mit DWDL.de eine "objektive Anerkennung der Leistungsfähigkeit des bestehenden KEF-Verfahrens und eine offene und sachgerechte Diskussion über dessen Weiterentwicklung" gewünscht hatte - und dies nun noch einmal erneuert. 

Und auch wenn Detzel sagt, er habe den Eindruck, die Rolle der KEF sei "grundsätzlich mehrheitlich akzeptiert" und die fachliche Expertise werde nicht angezweifelt - zuletzt konnte man nicht wirklich den Eindruck gewinnen, als würden Medienpolitik bzw. Bundesländer hinter der KEF stehen und ihre Empfehlungen schätzen. Anders ist es nicht zu erklären, dass nun schon zum zweiten Mal in Folge eine Beitragsempfehlung der Kommission nicht beschlossen wurde. Aktuell hängt die von der KEF empfohlene Erhöhung des Rundfunkbeitrags vor dem Bundesverfassungsgericht. 

24. KEF Bericht, Übergabe © IMAGO / epd KEF-Vorsitzender Martin Detzel übergibt den 24. Bericht (inklusive Empfehlung zur Beitragserhöhung) im Februar 2024 an die damalige Vorsitzende der Rundfunkkommission der Länder und rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer. Umgesetzt wurde die Empfehlung bis heute nicht

Dass die Politik die Empfehlung erneut nicht umgesetzt hat, bezeichnet Martin Detzel gegenüber DWDL.de jetzt als "enorme Belastung für das System des öffentlich-rechtlichen Rundfunks". Der KEF-Vorsitzende: "Wie vor vier Jahren sehe ich auch jetzt keine verfassungsrechtlich tragfähigen Gründe, die die Abweichung rechtfertigen könnten." Darauf habe man als KEF auch schon bei verschiedenen Gelegenheiten hingewiesen. Im aktuell laufenden Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht hat auch die KEF Stellung genommen. "Wir schauen mit großem Interesse auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts."

Heike Raab © Staatskanzlei RLP/ Unger Heike Raab
Heike Raab will aus der Tatsache, dass die Länder der KEF-Empfehlung zuletzt nicht mehr gefolgt sind, aber nicht ableiten, dass die Kommission künftig an Wichtigkeit verliert. Sie sagt: "Die Empfehlungen der KEF müssen auch in Zukunft die Grundlage für politische Entscheidungen zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bleiben." Die objektiven Empfehlungen seien "unverzichtbar" und die KEF stelle sicher, dass die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks "langfristig und an den tatsächlichen Bedürfnissen ausgerichtet ist". Aus ihrer Sicht sei die Arbeit der KEF "auch in der Zukunft unverzichtbar". Möglich ist, dass sich das Bundesverfassungsgericht demnächst auch zur Rolle der KEF einlassen wird. Sollte das passieren, werde man sich im Länderkreis gegebenenfalls danach auch damit noch einmal beschäftigen, sagt Raab. 

Neue Beitragsperiode? Nicht mit der KEF

Doch es ist ja nicht nur die aktuelle Empfehlung zum Rundfunkbeitrag, die für Zündstoff sorgt. Die Politik will ja bekanntlich auch die Beitragsperioden ändern, deren Rhythmen grundsätzlich nicht festgelegt sind. So soll die aktuelle Beitragsperiode von 2025 bis 2028 auf 2025 bis 2026 verkürzt werden, ab 2027 soll dann wieder ein regulärer, vierjähriger Beitragszeitraum gelten. Die Länder erhoffen sich dadurch ab 2027 signifikante Einsparungen bei den Anstalten und entsprechende Effekte auf den Rundfunkbeitrag. Hier hofft man vor allem auf den Reformstaatsvertrag, der zum 1. Dezember dieses Jahres in Kraft treten soll. 

Wie DWDL.de bereits vor einigen Wochen berichtete, ist diese Umstellung der Beitragsperioden jetzt aber kaum noch umzusetzen, denn für den Zeitraum ab 2027 müssten die Anstalten eigentlich schon ihren Finanzbedarf angemeldet haben, damit die KEF diesen prüfen und eine Empfehlung aussprechen kann. Das Problem: Der Reformstaatsvertrag mit den neuen Regelungen ist noch gar nicht in Kraft - und auch wenn es aktuell so aussieht, als würde das Papier alle Landtage passieren, so ist eine Finanzbedarfsanmeldung nur schwer möglich, wenn die gesetzliche Grundlage noch gar nicht feststeht. Außerdem hatte die KEF bereits erklärt, dass sie nicht glaubt, dass die Anstalten durch die Reformen bis 2028 wesentliche Einsparungen erzielen können. 

"Die Empfehlungen der KEF müssen auch in Zukunft die Grundlage für politische Entscheidungen zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bleiben."
Heike Raab, Staatssekretärin in Rheinland-Pfalz und Koordinatorin der Rundfunkpolitik der Länder


Oder wie es der KEF-Vorsitzende Martin Detzel gegenüber DWDL.de formuliert: "Eine Veränderung des Rhythmus der Beitragsperioden oder deren Verkürzung steht dem Gesetzgeber im Rahmen seiner Kompetenz zur allgemeinen Rundfunkgesetzgebung grundsätzlich frei. [...] Derart veränderte Beitragsperioden bedürfen aber einer verfahrenskonformen Umsetzung durch die KEF. Eine solche ist jedoch zeitlich nicht mehr möglich, und zwar weder für den Zeitraum 2025/2026 noch für eine neu definierte Periode 2027 bis 2030." Ohne erneute Bedarfsanmeldungen der Anstalten auf Basis einer neuen Rechtsgrundlage und der Durchführung regulärer Finanzbedarfsermittlungsverfahren könne man keine belastbare Aussage darüber treffen, inwieweit die Anstalten nach einer solchen Veränderung angemessen finanziert wären, so Detzel. Die KEF ist auch in ihrer öffentlichen Kommunikation in den vergangenen Jahren transparenter und selbstbewusster geworden. Detzels Aussagen unterstreichen das. 

Die KEF geht also auf Konfrontationskurs zu den Ländern, die zumindest offiziell noch an ihren Plänen für eine Neudefinition der Beitragsperioden festhalten. Heike Raab sagt gegenüber DWDL.de, dass die Perioden verschoben werden können, solange die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks weiterhin gesichert und der Bedarf für die nächsten Jahre klar abgedeckt sei. Davon gehen die Länder aktuell aus. "Die notwendige Flexibilität ist also gegeben, um solche Änderungen auch im Zeitrahmen bis 2027 umzusetzen." Raab verweist unter anderem auf die Tatsache, dass die sich ändernden Rahmenbedingungen schon seit langer Zeit bekannt sind. Viele der Veränderungen seien bereits in der Planung der Rundfunkanstalten berücksichtigt und würden eine "zügige Bedarfsanmeldung und eine Prüfung durch die KEF" ermöglichen. 

Unsicherheitsfaktor Karlsruhe

Gut möglich aber, dass sich nach dem Urteil aus Karlsruhe alles noch einmal ändern wird. Es ist nicht auszuschließen, dass die Länder, sollte die Beitragserhöhung vom Verfassungsgericht angeordnet werden, auch bei der Neufestsetzung der Beitragsperioden einen Rückzieher machen. Wenn Karlsruhe geurteilt hat, dürfte es zudem auch eine Entscheidung im Länderkreis geben, ob das neue Finanzierungsmodell für die Öffentlich-Rechtlichen tatsächlich kommt. Eigentlich wollte man ein Widerspruchsmodell einführen, was die Rolle der KEF ein Stück weit stärken würde. 

Das neue Modell sieht vor, dass die KEF-Empfehlung in Recht und Gesetz übergeht, sofern kein Land widerspricht. Dabei gelten verschiedene Hürden: Liegt die empfohlene Erhöhung zwischen 0 und 2 Prozent, müssten 3 Länder Widerspruch einlegen (Hier gibt’s mehr Infos zum neuen Modell). Weil ARD und ZDF aber Verfassungsbeschwerde gegen die Nicht-Erhöhung des Rundfunkbeitrags eingelegt haben, blockieren Bayern, Sachsen und Sachsen-Anhalt die Reform. Ob es nach einer Entscheidung tatsächlich zu einer Umsetzung kommt, ist unklar. Denn auch im Länderkreis herrscht hier und da Unmut über die Tatsache, dass man das Verfahren durch die Reform aus der Hand gibt. Andererseits: So wie es aktuell läuft, kann es auch nicht bleiben. Das sollte mittlerweile jedem Medienpolitiker und jeder Medienpolitikerin klar sein, deshalb erscheint das Widerspruchsmodell wie ein guter Kompromiss. 

Ziemlich viele Fragezeichen und Konfliktpotenziale also für die kommenden Monate und Jahre. Ruhig ist es zum 50. Geburtstag bei der KEF also in keinem Fall. Klarheit herrscht dafür mittlerweile an anderer Stelle. Vor einem Jahr wurde eine komplette Neuaufstellung des KEF-Systems diskutiert. Der von den Ländern eingesetzte Zukunftsrat hatte damals vorgeschlagen, die vorgelagerte Bewertung des Finanzbedarfs durch die KEF durch eine nachgelagerte Variante zu ersetzen. Das lehnte nicht nur die KEF ab, auch in der Politik gab es nicht viele Unterstützer dieser Variante. Immerhin etwas, worauf man sich zum 50. Geburtstag einigen kann. 

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