Herr Detzel, die KEF hat am Freitag ihren 24. Bericht an die Politik übergeben und damit auch die Empfehlung über die künftige Höhe des Rundfunkbeitrags, über den zuletzt mal wieder viel diskutiert wurde. Sie empfehlen eine Erhöhung um 58 Cent pro Monat. Wie ist die KEF zu diesem Ergebnis gekommen?

Martin Detzel: Grundlage aller Berechnungen ist der Auftrag der Länder. Zur Umsetzung dieses Auftrags haben die Rundfunkanstalten für 2025 bis 2028 einen finanzbedarfswirksamen Gesamtaufwand von 42,6 Milliarden Euro angemeldet. Nach der Verrechnung mit den für 2025 bis 2028 angemeldeten finanzwirksamen Erträgen verbleibt ein angemeldeter ungedeckter Finanzbedarf von 2,9 Milliarden Euro. Die für 2025 bis 2028 zurückgelegte "Sonderrücklage III" aus Beitragsmehrerträgen der Jahre 2021 bis 2024 ist dabei bereits bedarfsmindernd eingerechnet.

Diesen ungedeckten Finanzbedarf haben Sie massiv zusammengekürzt, um rund zwei Drittel. 

Die Kommission hat diesen von ARD, ZDF und Deutschlandradio angemeldeten ungedeckten Finanzbedarf nach dem Grundsatz von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit um 1,8 Milliarden Euro gekürzt. Es verbleibt somit ein ungedeckter Finanzbedarf von 1,1 Milliarden Euro. Für dessen Ausgleich, und damit zur Aufrechterhaltung einer verfassungsgemäßen funktionsgerechten Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, empfiehlt die Kommission für 2025 bis 2028 eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags um 0,58 Euro je Monat auf 18,94 Euro . Für die Beitragszahler entspricht dies einer jährlichen Steigerung von ca. 0,8 Prozent.

Wieso waren diese massiven Anpassungen nötig? Wo hat die KEF den Bedarf vor allem gekürzt? 

Den größten Anteil hieran hatten einerseits Kürzungen beim Personalaufwand und der betrieblichen Altersversorgung sowie dem Programmaufwand. Andererseits hat es Zuschätzungen bei den Erträgen aus Rundfunkbeiträgen, den Erträgen aus Werbung und Sponsoring sowie Anpassungen bei den Eigenmitteln gegeben. Bei den Aufwandsarten sei beispielhaft die Umsetzung der Abbaurate von 0,5 Prozent p.a. bei den besetzten Stellen des ZDF und beim Deutschlandradio genannt. Die Absenkung bei der betrieblichen Altersversorgung beruht im Wesentlichen auf reduzierten Beiträgen an eine Pensionskasse und steigenden Zinserträgen. Anpassungen bei den Erträgen sind im Wesentlichen durch die Erwartung eines höheren beitragspflichtigen Wohnungsbestands und positiver verlaufenden Erträgen aus Werbung und Sponsoring sowie eine rechentechnische Erhöhung der Beitragsrücklage beim ZDF verursacht.

Mehr zum Thema

Gehen Sie davon aus, dass die Politik der KEF-Empfehlung folgen wird?

Das bestehende Verfahren ist verfassungsrechtlich geboten und verfassungsgerichtlich mehrfach bestätigt und beachtet zudem die europarechtlichen Beihilferegelungen. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 20. Juli 2021 dezidiert dargelegt, dass die Ländergemeinschaft zur Erfüllung des grundrechtlichen Finanzierungsanspruchs der Rundfunkanstalten in einer föderalen Verantwortungsgemeinschaft steht. Dies gilt auch für die Berufung auf mögliche Abweichungsgründe von der Empfehlung der Kommission. Diese sind eng begrenzt. Die Ländergemeinschaft müsste einen Abweichungsgrund begründende Tatsachenannahmen nachvollziehbar benennen und eine daran anknüpfende Bewertung offenlegen. Der Kommission liegt hierzu bisher nichts vor.

Und doch fordern einige Länder eine "Beitragsstabilität".

Zum in diesem Zusammenhang politisch vielfach kommunizierten Ziel einer Beitragsstabilität ist zu sagen, dass es sich hierbei weder um ein verfassungsrechtliches noch einfachgesetzliches Ziel handelt. Es ist somit auch kein Maßstab für die Arbeit der Kommission. Festzustellen ist jedoch, dass auch das bestehende Verfahren seit 2009 zu einer Beitragsentwicklung führt, die nominell nahezu als stabil und real - gemessen an der Entwicklung der Inflation - zu einer deutlichen Absenkung der Belastung der Beitragszahlerinnen und -zahler geführt hat bzw. führt. Ohne Wechsel vom Gebühren- zum Beitragsmodell, mit der Begleiterscheinung deutlich erhöhter Beitragsgerechtigkeit, und stetiger Maßnahmen für eine höhere Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit läge der Beitrag rein inflationsgetrieben bis Ende 2024 bei 24 bis 25 Euro.

Wie sehr hat es Sie überrascht, dass sich einige Politiker teilweise schon vor einem Jahr, und damit noch vor der Finanzbedarfsanmeldung der Öffentlich-Rechtlichen, massiv gegen eine mögliche Erhöhung des Rundfunkbeitrags ausgesprochen haben?

Die Vorfestlegungen hatten angesichts des eindeutigen und wegweisenden Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts einen gewissen Überraschungseffekt. Als Wissenschaftler geht man davon aus, dass Aussagen methodisch unterlegt und nachprüfbar kommuniziert werden. Politik folgt teilweise anderen Mustern. Es kann dann vorkommen, dass der Schritt von einer These zu einer als richtig anerkannten Erkenntnis ohne Überprüfung der These verkürzt wird. Das muss man zur Kenntnis nehmen. Wenn sich daraus eine förderliche Diskussion mit einem sachgerechten Ergebnis ergibt, haben am Ende alle etwas gewonnen. Die entscheidende Frage ist diejenige nach dem "Wenn".

Als Wissenschaftler geht man davon aus, dass Aussagen methodisch unterlegt und nachprüfbar kommuniziert werden. Politik folgt teilweise anderen Mustern.


Welche Auswirkungen hatten diese Aussagen bei der KEF und ihrer Arbeit zum nun vorgelegten 24. Bericht? Sie haben bereits gesagt, dass sich die KEF nicht durch politische Aussagen beeinflussen lassen darf. Aber schwingen sie nicht auch immer mindestens unterbewusst mit?

Die Arbeit der Kommission basiert auf dem verfassungsrechtlichen Fundament der Rundfunkfreiheit. Darauf aufbauend sind die geltenden staatsvertraglichen Regelungen der Länder Grundlage und Rahmen bei der Erfüllung ihrer Aufgabe. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 20. Juli 2021 klarstellend betont, dass medienpolitische Überlegungen die Rundfunkfinanzierung nicht beeinflussen dürfen. Zur Rolle der Kommission gehört unstrittig, sich im Verfahrensverlauf sachlicher Argumente anzunehmen. Genauso unstrittig ist aber auch, dass die Kommission in ihrer Unabhängigkeit am Ende nur auf der Basis der geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen und ohne jegliche Ergebnisbeeinflussung Dritter zu einer Entscheidung kommen darf und muss. Dies ist jedem Kommissionsmitglied bewusst.

Wird das eigentlich sehr geregelte KEF-Verfahren durch entsprechende Aussagen aus Ihrer Sicht beschädigt?

Grundidee des KEF-Verfahrens ist zwar "Grundrechtssicherung durch Verfahren". Doch in ihrer konkreten Ausgestaltung müssen sich bestehende Verfahrensabläufe und Regelungen immer dynamisch hinterfragen und ggf. anpassen lassen. Sie dienen nicht einem formalen Selbstzweck. Die sich schnell ändernde Medienwelt erfordert schon aus sich heraus eine stete Überprüfung bestehender Verfahrensschritte und geübter Vorgehensweisen. Beispielhaft sei an den steigenden Bedeutungsgewinn nichtlinearer Angebote erinnert. Veränderungsbereitschaft ist folglich auch dem KEF-Verfahren inne und sogar staatsvertraglich angelegt. Die Diskussion und Entscheidungsvorbereitung erfolgen innerhalb der Kommission in einer eigens dafür eingerichteten Methoden-Arbeitsgruppe. Die von Ihnen angesprochenen Vorfestlegungen sind das genaue Gegenteil von Denk- und Verfahrensoffenheit und verweigern sich einer sachlichen Diskussion. Die Gründe dafür bitte ich Sie, die Absender solcher Botschaften selbst zu fragen.

24. KEF Bericht, Übergabe © IMAGO / epd Martin Detzel bei der Übergabe des 24. KEF-Berichts an Malu Dreyer, Vorsitzende der Rundfunkkommission der Länder und Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz

Ist das aktuelle, verfassungsrechtlich vorgegebene Finanzfestsetzungsverfahren am Ende angekommen? Schon vor einigen Jahren musste das Bundesverfassungsgericht einschreiten und auch jetzt sieht es nicht so aus, als würden alle Bundesländer der KEF-Empfehlung folgen. 

Die Kritik am verfassungsrechtlich vorgegebenen Verfahren zur funktionsgerechten Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland setzt, wie bereits im Zusammenhang mit der Empfehlung des 22. Berichts (Anhebung des Beitrags um 86 Cent für die Periode 2021 bis 2024), erneut an der falschen Stelle und deshalb auch zu spät ein. Verfassungsrechtlich steht den Ländern unstrittig zu, den Finanzbedarf des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu umgrenzen, um in der Wortwahl des Bundesverfassungsgerichts zu bleiben. Hierfür steht diesen das Instrument des Auftrags zu, mit dem sie die Funktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks festlegen. Die daraus abgeleitete Bedarfsanmeldung durch die Anstalten sowie die sich anschließende Prüfung durch die Kommission verschließen sich aus verfassungsrechtlichen Gründen der Einflussnahme der Länder. Bei der abschließenden Umsetzung der Empfehlung der Kommission kommen die Länder wieder ins Spiel, um mögliche Abweichungsgründe zu prüfen und im Bedarfsfall zu belegen. Aus Sicht der Kommission leiden die aktuellen Abläufe primär an der fehlenden rechtzeitigen Willensbildung im Kreis der politisch Verantwortlichen für eine zielkonforme Auftragserteilung an die Rundfunkanstalten. Das ist jedoch kein Mangel des Verfahrens.

Die von Ihnen angesprochenen Vorfestlegungen sind das genaue Gegenteil von Denk- und Verfahrensoffenheit und verweigern sich einer sachlichen Diskussion.


Es wird immer wieder und zuletzt verstärkt über Reformen bei den  Öffentlich-Rechtlichen diskutiert. Einige Vorhaben werden aktuell von den Anstalten umgesetzt: Wie bewerten Sie einerseits die Tiefe der geplanten Reformen und andererseits das Tempo der Durchführung eben dieser Reformen? 

Die Kommission weist seit der Erarbeitung des Dritten Medienänderungsstaatsvertrags darauf hin, dass sich darin keine Regelungen finden, die konsequent einen vom Auftrag aus gerechnet reduzierten Aufwand der Rundfunkanstalten zur Folge haben. Ebenso finden sich in der aktuellen Diskussion keine Hinweise auf die durchgängige Bereitschaft von Änderungen in der föderalen Struktur. Die immer wieder vorgebrachte Anregung einer Fusion des SR mit dem SWR und parallel des RB mit dem NDR dürfte angesichts der bereits bestehenden Arbeitsteilung kaum zu nennenswerten Einsparungen führen. 

Aber?

Es gehört zur Wahrheit aber auch dazu, dass der vielfaltssichernde föderale Charakter der deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunklandschaft nicht zum Nulltarif zu bekommen ist. Dies soll nicht beschönigen, dass sich auch die Kommission Jahr für Jahr mehr Geschwindigkeit, mehr Standardisierung, mehr Abstimmung und Kooperation innerhalb und zwischen den Anstalten wünscht. Diesen Wünschen verleiht die Kommission von Beitragsperiode zu Beitragsperiode durch entsprechende Kürzungen auf der Grundlage von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit beim festgestellten Finanzbedarf Nachdruck.

Der sogenannte Zukunftsrat hat einige Ideen zur künftigen Finanzierung der Öffentlich-Rechtlichen vorgelegt. Das würde auch die Rolle der KEF ändern. Von der Politik hieß es zuletzt lediglich, man überprüfe das Verfahren. Gehen Sie davon aus, dass die KEF künftig deutlich andere Aufgaben haben wird als heute? 

Man muss zwischen dem Verfahren zur funktionsgerechten Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und dem Denkanstoß einer zusätzlichen "Qualitätsprüfung" des Programmauftrags durch die KEF unterscheiden. Zur Frage der Diskussion über das Finanzierungsverfahren habe ich bereits Stellung genommen. Die Empfehlung des Zukunftsrats zur qualitativen Auftragsüberwachung durch eine neu zu strukturierende Kommission erscheint mir systemfremd und gerät schnell in Konflikt mit der grundrechtlich geschützten Programmautonomie der Anstalten. Mit der Aufwertung der Gremien durch den Vierten Medienänderungsstaatsvertrag haben die Länder hingegen die Grundlage geschaffen, innerhalb der dafür vorgesehenen binnenpluralen Aufsicht die Umsetzung des Auftrags sowohl ex ante als auch ex post prüfen zu können. Die Zusammensetzung der Gremien ermöglicht eine Abbildung der Gesellschaftsstruktur. Zur Anwendung kommende Methoden könnten zwischen den Gremien übergreifend standardisiert werden. 

Was halten Sie generell von der Idee, die Auftragserfüllung erst im Nachgang an eine Beitragsperiode zu bewerten? 

Die Idee einer im Nachhinein bestrafenden Kürzung von Finanzmitteln aufgrund einer, wie auch immer, belegten Verletzung von Qualitätsmaßstäben, mag auf den ersten Blick charmant klingen. Tatsache ist aber, dass das Geld dann bereits verausgabt wäre. Das jetzige Verfahren setzt bei der Umsetzung von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit bereits an der Mittelbereitstellung an. Was nicht zur Verfügung gestellt wird, kann auch nicht verausgabt werden. Unwirtschaftliches Verhalten kann auch heute schon im Nachhinein durch zusätzliche Wirtschaftlichkeitsabschläge sanktioniert werden.

Aus Sicht der Kommission leiden die aktuellen Abläufe primär an der fehlenden rechtzeitigen Willensbildung im Kreis der politisch Verantwortlichen für eine zielkonforme Auftragserteilung an die Rundfunkanstalten.


Die Rundfunkkommission wird bei der KEF ein Sondergutachten bestellen, durch das aufgezeigt werden soll, welche Auswirkungen gewisse Reformvorhaben auf den Rundfunkbeitrag haben könnten. Bereits im
Herbst will die Politik ihren sogenannten Reformstaatsvertrag vorlegen. Werden Sie bis dahin fertig mit dem Sondergutachten?

Nach unseren Informationen befindet sich die Beauftragung der Kommission mit einem entsprechenden Sondergutachten noch in der Abstimmung zwischen den Ländern. Insoweit können wir aktuell weder etwas zum Umfang noch zum konkreten Inhalt einer Beauftragung sagen. Zusammengefasst führt dies zu dem Ergebnis, dass auch die Frage nach der Dauer der Bearbeitung eines Sonderberichts derzeit nicht zu beantworten ist. Voraussetzung jeglicher Berechnungen der Kommission ist jedoch in jedem Fall ein hinreichender Grad der Konkretisierung der vorgesehenen Maßnahmen.

Was wünschen Sie sich von Anstalten und Politik für die kommenden Monate? 

Eine objektive Anerkennung der Leistungsfähigkeit des bestehenden KEF-Verfahrens und eine offene und sachgerechte Diskussion über dessen Weiterentwicklung. Die Fakten lügen nicht. Zu dem Resultat sollten alle Beteiligten gemeinsam stehen. Dies fördert Vertrauen und damit auch eine breite Akzeptanz. "Billiger geht immer" ist kein Motto für einen föderalen öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit seiner Funktion in einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft. Die wirtschaftliche und sparsame Erbringung der beauftragten Leistung hingegen schon. Daran wirkt die Kommission in ihrer Rolle mit allen Kräften mit.

Herr Detzel, vielen Dank für das Gespräch!