Es ist ein alljährlicher Klassiker der Seriencamp Conference: Im Rahmen von "Work in Progress" gewähren Macherinnen und Macher schonmal einen Ausblick auf derzeit noch in Arbeit befindliche neue Serien - und auch in diesem Jahr zeigte sich da wieder, wie groß das Spektrum da mittlerweile ist. Zu den vielversprechendsten neuen Projekten gehört "Mozart/Mozart", das Story House für die ARD und den ORF produziert.
Mozart/Mozart: "Nah am modernen Mainstream"
Der Pitch sei dabei ganz einfach gewesen, erzählt Showrunner Andreas Gutzeit: "Wir bringen eine Marke in unsere Branche, die seit über 250 Jahren erfolgreich ist, erzählen aber nicht die Geschichte von Wolfgang Amadeus Mozart, sondern eine komplett neue Geschichte über seine Schwester Maria Anna". Die galt einst selbst als Wunderkind, ehe sie mit 14 die Bühne verlassen musste und als Frau statt Wunderkind wahrgenommen wurde. Die Geschichte setzt dann 20 Jahre später ein, als sie ihren Bruder und die Marke "Mozart" in einer ganz finsteren Phase von dessen Leben mit ihrem musikalischen Talent retten muss.
Dabei sollte man freilich keine historisch korrekte Wiedergabe der Fakten erwarten: "Wir wollten nicht in die Falle tappen, Wikipedia nachzuerzählen", sagt Gutzeit. Es gehe weniger um die historische Wahrheit, als um die emotionale Wahrheit und was Maria Anna widerfahren sei. Das sind Themen, mit denen man sich auch heute noch identifizieren könne, erläutert auch Autorin Swantje Oppermann. Eine Hauptrolle in der Serie spielt natürlich auch die Musik. "Mozart/Mozart" sei zwar kein Musical, aber eine sehr musikalische Serie. Komponistin und Music Producerin Jessica De Rooij stand daher vor der Herausforderung, Mozarts Musik als Grundlage zu nehmen, sie aber in moderne Popmusik zu transformieren. Bei der ARD hält man in jedem Fall größte Stücke auf das Endergebnis und erhofft sich, damit längst nicht nur bei Klassik-Interessierten, sondern vielmehr quer durch alle Alters- und Bildungsschichten punkten zu können. Die Serie enthalte Musik, Emotionen, Spannung und Romantik, sagt WDR-Redakteur Frank Tönsmann - und komme damit dem Ziel, "modernen Mainstream" zu erschaffen, schon sehr nahe.
"We come in Peace": Wie bringt man Aliens ins ZDF?
Vor der Herausforderung, ein großes Publikum zu erreichen, stand man auch bei der zweiten vorgestellten Serie "We come in Peace", bei der neben dem schwedischen Sender TV4 auch das ZDF an Bord ist. Es geht darin grob gesagt um die Frage, ob auf der Erde gelandete Außerirdische wirklich in Frieden kommen - oder eben nicht. Eingeplant ist die Serie fürs ZDF-Hauptprogramm auf dem etablierten Montagskino-Sendeplatz um 22:15 Uhr - und damit galt es, eine einzigartige und ausgefallene Story zu erzählen, ohne aber gleich das normale Stammpublikum zu verschrecken. ZDF-Producer Claus Wunn ordnete die Produktion als "Grounded Science-Fiction" ein - denn die Grundstory sei eigentlich eine Ermittler-Geschichte, an die das ZDF-Publikum gewöhnt sei. Den besonderen Touch bringen aber die Sience Fiction-Elemente.
Auch für skandinavische Produktionen ist der Bereich Science Fiction sehr ungewöhnlich - auch weil er durch aufwendige VFX-Arbeiten sehr teuer werden kann. "Es gibt da keine Grenze, du kannst Millionen und Abermillionen ausgeben. Da muss man harte Entscheidungen fällen", sagt Produzent Piodor Gustaffson von Spark. Doch zu sehr sparen sei auch keine Option: "Es ist ein schmaler Grat dazwischen, dass es lächerlich oder großartig werden kann". Den für VFX zuständigen Nicolas Corson hat man daher direkt von Beginn an involviert und nicht wie bei anderen Projekten erst am Schluss. Die Überlegung, die Serie in englischer Sprache zu drehen, um die internationalen Verkäufe zu erleichtern, hat man unterdessen verworfen. Wer eine skandinavische Serie kaufe, erwarte auch skandinavische DNA - und bei den europäischen Budgets mache es ohnehin keinen Sinn, sich mit Hollywood zu vergleichen. Da sei es schlauer, sich stattdessen die Möglichkeit eines Remakes offenzuhalten, erläutert Piodor Gustaffson.
"Ku'damm '77" mit Mockumentary in der Serie
Vor ganz anderen Herausforderungen stand Annette Hess bei der Fortsetzung der "Ku'damm"-Reihe. Als Autorin möge sie eigentlich keine Sequels, erklärt Hess, zu groß sei die Gefahr, in eine Soap zu geraten. Es hat also einen guten Grund, dass trotz des großen Interesses des ZDF an einer weiteren Staffel seit "Ku'damm 63" schon über vier Jahre vergangen sind: "Du musst eine neue Geschichte, ein neues Thema mit Relevanz finden." Man wolle nicht nur unterhalten, sondern etwas Bedeutendes mit einer Botschaft erzählen. Daher rührt also auch der große Zeitsprung um gleich 14 Jahre ins Jahr 1977. Das ergibt nicht nur einen spannenden neuen zeitgeschichtlichen Hintergrund, sondern sorgt auch für eine starke Weiterentwicklung der Figuren. "Die beiden Töchter werden erwachsen - es gibt uns die Möglichkeit die Geschichte von Familie Schöllack über drei Generationen zu erzählen - Oma, Mütter, Töchter", sagt Beate Bramstedt vom ZDF.
Daneben gibt es noch eine weitere sehr spannende Neuerung in der neuen Staffel: Innerhalb der fiktionalen Serie wird eine Dokumentation über die Schöllacks gedreht. Annette Hess, die sich selbst als großer Fan von Mockumentarys (und übrigens auch von den "Geissens") outete, hatte ursprünglich sogar die Idee, die komplette Staffel als Mockumentary zu drehen, letztlich wurde in Dikussionen mit dem ZDF daraus dann aber diese Mischform. Spannend sei beim Dreh gewesen, dass man manche Szenen, die man sonst teils über mehrere Tage in etlichen Takes hätte drehen müssen, durch den Mockumentary-Stil als One-Shot produziert habe. Übrigens: Auch wenn Annette Hess kein Sequel-Fan ist, gibt's lose Pläne für eine weitere Staffel. ZDF-Redakteurin Bramstedt deutete einen möglichen Sprung in die Wendejahre 1989/90 an.
"Die Düsteren": Publikum in den 20ern und 30ern im Visier
Nicht immer muss die Publikumsansprache freilich ganz so breit sein wie bei einem erprobten Hit wie "Ku'damm": Im Rahmen der "New8"-Initiative von öffentlich-rechtlichen Sendern aus acht Ländern entsteht derzeit eine Mystery-Thrillerserie mit dem Arbeitstitel "Die Düsteren" für ZDFneo – eine Serie, mit der man erkennbar bemüht ist, das Angebot für eine jüngere Zielgruppe zu erweitern. "Die Serie passt perfekt zu unserem Ziel, ein Publikum in den 20ern und 30ern anzusprechen", sagt ZDF-Redakteur Johannes Frick-Königsmann und erklärt, das Konzept füge sich ein in den Weg, den der Sender bereits mit “Love Sucks” und “Hameln” eingeschlagen habe.
Damit nichts schiefgeht, haben die Mainzer nicht nur einen hochkarätigen Cast um Max Riemelt und Lisa-Marie Koroll verpflichtet, sondern auch Jan-Martin Scharf und Arne Nolting an Bord – “zwei der besten Autoren in Deutschland, erst recht, wenn es um Mystery geht”, wie Frick-Königsmann betont. Beide haben bereits vor vielen Jahren mit “Weinberg” ihr Mystery-Können unter Beweis gestellt. Für “Die Düsteren” verlegen Scharf und Nolting die Handlung nun auf eine Nordseeinsel, wo böse Doppelgänger nach einem Riss zwischen den Dimensionen den Platz der Menschen einzunehmen versuchen. Eine "unique Prämisse" sei das, sagt der ZDF-Redakteur und beteuert, man habe bei der Entwicklung und Umsetzung "keine Bilder im Kopf" gehabt, sondern sich darauf eingelassen, etwas gänzlich Neues hervorzubringen.
"Alphamännchen": Keep the best and change the rest
Jan-Martin Scharf und Arne Nolting brachten aber auch etwas ganz und gar nicht Düsteres mit nach Köln: Die von Geißendörfer Pictures für Netflix produzierte Serie "Alphamännchen". Das Besondere hier: Es gibt bereits ein spanisches Vorbild, das ebenfalls für Netflix produziert wurde, nun lässt man es also lokal adaptieren. Während manche Serien bei Netflix in der Originalversion zum weltweiten Erfolg avancieren, funktionieren manche Produktionen nur lokal - hier könnte man bei Netflix künftig verstärkt weitere Adaptionen vorstellen, die dann auf heimische Darsteller setzen und auf lokale Eigenheiten eingehen, erläuterte die deutsche Serien-Chefin Eva van Leeuwen.
Es geht um vier Männer in der Midlife-Crisis, wobei Geschichten über Freundschaft und Beziehungen im Mittelpunkt stehen, so van Leeuwen. Zur Vorgehensweise erläuterten Scharf und Nolting, dass sie das spanische Original angeschaut und haben und dann nach dem Prinzip "Keep the best and change the rest" handelten. So wurden aus zehn Folgen im Original acht Folgen in der deutschen Umsetzung. Auch habe man die Tonalität etwas geändert, wolle weniger eine Message rüberbringen als vielmehr in leichtem Ton unterhalten. Voraussichtlich im Herbst gibt es die erste Staffel zu sehen - und wenn sie so gut ankommt, wie man das bei Netflix erhofft, dann dürfte eine zweite Staffel nicht lange auf sich warten lassen. Eine zweite Staffel sei schon in Entwicklung, sagt Hana Geißendörfer. Vorlagen gibt's genug: Vom spanischen Vorbild "Machos alfa" wird inzwischen schon die vierte Staffel gedreht.