In einer Zeit der politischen und wirtschaftlichen Unsicherheit stehen Medienmarken vor gigantischen Herausforderungen, leitet der Digital News Report des Reuters Institute ein. Die globale Klimakrise, geopolitische Konflikte und humanitäre Katastrophen formen die Mediennutzung intensiv. Der thematische Einfluss wird von einer Branche begleitet, die sich selbst unter Kostendruck im Umschwung von print auf digital befindet – und alles versucht, um die Transformation so reibungslos wie möglich zu gestalten.

Mitten im Zentrum des Geschehens: Soziale Plattformen. Sie dienen als Reichweitenmultiplikatoren und sind fester Bestandteil des Marketing-Mix nahezu aller Redaktionen. Zurecht: Etwa ein Drittel der weltweit befragten Stichprobe öffnen Facebook (36 Prozent) und YouTube (30 Prozent) als Informationsdienst der Wahl einmal pro Woche. Instagram (19 Prozent) und WhatsApp (19 Prozent) werden von etwa einem Fünftel genutzt, während TikTok mit 16 Prozent noch vor X mit 12 Prozent liegt. Damit befinden sich nun insgesamt sechs Plattformen über der 10-Prozent-Marke für wöchentlichen Nachrichtenkonsum. 

Aber auch kleine Plattformen haben eine Chance: Messenger mischen auf fünf Prozent mit, darauf folgen LinkedIn und Telegram mit vier Prozent, Snapchat und Reddit mit drei Prozent, sowie Threads und Bluesky mit einem Prozent. Der Unterschied liegt hier jedoch in der Ansprache der individuellen Zielgruppen und speziellen Themen, die in den Nischen besonders gut funktionieren. Spannend bleibt, welche Plattform in den nächsten Jahren den Sprung in den Mainstream schaffen könnte.

Achtung: Bei der Interpretation der Zahlen von Reuters werden oftmals nationale und internationale Erkenntnisse durchmischt wiedergegeben. Um diese klar voneinander zu trennen, fällt der Blick zunächst auf die übergeordneten Trends der Medienwelt und schließt mit einer Detailanalyse für den deutschen Markt an. 

Globale Veränderungen von Nachrichten auf Social Media

Die größte Überraschung liefert wohl die Relevanz von Videoinhalten mit Nachrichtenbezug: Auf sozialen Plattformen steigt der Anteil von 52 Prozent in 2020 auf 65 Prozent in der aktuellen Erhebung. Auch unabhängig des Distributionskanals  zeigen Bewegtbildinhalte mit einem Plus von 8 Punkten auf 75 Prozent ein neues Hoch. TikTok ist dabei das am schnellsten wachsende soziale Videonetzwerk innerhalb der Befragung. 

Das Medium hält zudem große Nutzungsanteile in Ländern wie Thailand (49 Prozent) und Malaysia (40 Prozent), wird jedoch gleichzeitig auch als eine der größten Gefahren für Desinformation bezeichnet. Auch Personen des öffentlichen Lebens werden als Multiplikatoren für Falschinformationen benannt. Sie teilen sich den Platz mit politischen Figuren innerhalb der Auswertung, beide Positionen erreichen 47 Prozent. 

Digital News Report © Reuters Institute/DWDL

Jüngere User verlassen sich häufig auf die gleichen Nachrichtenquellen wie andere Altersklassen, betonen jedoch, dass sie mehr Vertrauen in den Wahrheitsgehalt von Kommentarspalten und KI-Chatbots haben. Stoßen sie auf Falschnachrichten, nutzen 21 Prozent der 18- bis 34-Jährigen Videonetzwerke zur Überprüfung, hingegen tun das nur 12 Prozent der Personen über 35 Jahren. Im Allgemeinen hält die Skepsis gegenüber Künstlicher Intelligenz an: Zwar besteht so die Erwartung an kostengünstiger und tagesaktueller Berichterstattung, allerdings werden KI-Nachrichten als intransparenter, ungenauer und weniger vertrauensvoll wahrgenommen. 

Ebenfalls überraschend: Reuters bescheinigt eine stabile Nutzung von X für Nachrichten in vielen Märkten, darunter beispielsweise die USA (3. Platz) oder Großbritannien (3. Platz). Aber auch in Ländern wie Österreich, Tschechien oder Finnland landet der Kurznachrichtendienst unter den ersten sechs Nennungen. 

Nachrichten in sozialen Medien auf dem deutschen Markt

Bevor die Zahlen für Deutschland genannt werden, spricht das Reuters Institut auch hier eine Warnung aus: Aufgrund der medial turbulenten Zeiten, wie beispielsweise das vorzeitige Ende der Bundesregierung und die darauffolgenden Neuwahlen, sei eine vorsichtige Interpretation der Daten notwendig. Zusätzlich werden politische oder wirtschaftliche Phänomene, wie das Eingreifen von Elon Musk in den deutschen Wahlkampf oder die steigende Bedrohung für den Lokaljournalismus genannt, die einen Einfluss auf das Verhalten und die Wahrnehmung von Medien haben. Aus dieser Situation heraus ergibt sich folgende Verteilung von Nachrichtenquellen: 

Digital News Report © Reuters Institute/DWDL

Das Vertrauen in die Medien liegt mit 45 Prozent in Deutschland auf einem stabilen Niveau, kann jedoch nicht an das zwischenzeitliche Hoch während der Coronapandemie anschließen. Das ist nicht gerade ein herausragender Wert, im Vergleich mit den USA, wo nur 30 Prozent angeben, den Nachrichten meist zu vertrauen, stehen die deutschen Medien aber besser da.

Auf der Liste der seriösesten Medien landen in erster Linie öffentlich-rechtliche Angebote, allen voran die “Tagesschau” und “ZDFheute”. Aber auch lokale Zeitungen genießen mit einem Vertrauensanteil von 63 Prozent hohes Ansehen. Unter den privaten Angeboten gewinnen “n-tv” (60 Prozent), “Zeit” (56 Prozent) und die “Süddeutsche Zeitung” (55 Prozent). “Bild” befindet sich mit 23 Prozent am Ende der Auflistung. 

Digital News Report © Reuters Institute/DWDL

Steht Deutschland dem aktuellen Videotrend entgegen? Die Nachrichtenutzung der sozialen Plattformen stagniert auf fünf der ersten sechs Plätze: Lediglich Instagram kann einen Prozentpunkt beim Thema Informationskonsum gutmachen. Dagegen hält YouTube mit einem Minus von drei Prozent, Facebook büßt einen Punkt ein. Zur Überraschung verzeichnet auch Kurzvideoplattform TikTok keinen Aufwind. 

Auch fällt auf, dass die sozialen Plattformen hierzulande erheblich seltener genutzt werden als im internationalen Vergleich. Facebook geben mit 15 Prozent weniger als halb so viele als Nachrichtenquelle an als weltweit (36 Prozent), bei YouTube sind es nur 18 statt 30 Prozent, bei TikTok fünf statt 16 Prozent. Und auch der Anteil derer, die Nachrichten über soziale Netzwerke, per Mail oder Messenger teilt, ist mit 18 Prozent im weltweiten Vergleich eher niedrig.

Das bedeutet zweierlei: Für Nachrichten-Inhalte auf Social Media und ihre Sichtbarkeit ist in Deutschland noch ordentlich Raum nach oben. Und die Deutschen hängen auch noch überdurchschnittlich stark an einem altbekannten Medium: dem Fernsehen. Das eroberte in diesem Jahr sogar wieder den Spitzenplatz bei der Frage nach der Hauptnachrichtenquelle zurück. 43 Prozent setzen hier auf TV, 42 Prozent auf das Internet.