Es gab eine Zeit, da war Vox jede Saison wieder für eine dicke Überraschung gut. Es waren die Zeiten, wo man plötzlich eine viel beachtete eigene Serie drehte. Wo man sich an eine Gründershow traute, die zuvor als fürs deutsche Publikum ungeeignet galt. Wo man Musik in die Primetime brachte, ganz ohne Casting und Wettbewerb. Wo man Kochshows nochmal ganz neu dachte. Doch diese Zeiten liegen nun schon lange zurück - und bis heute zehrt der Sender von diesen Jahren, weil viele bis heute gehegte und gepflegte Hits damals ihren Ursprung hatten.

Solche Überraschungen sucht man im Programm von Vox nun schon seit mehreren Jahren vergeblich. Stattdessen hat man das Gefühl, der Sender ist berechenbar geworden - was ja per se gar nichts Schlechtes ist. Wer Vox einschaltet, der weiß, welche Art von Fernsehen ihn erwarten wird. Die "voxige" Handschrift ist vielzitiert, und sie ist der Garant für das gute Image des Senders und auch der Garant dafür, dass immer mal wieder herausragendes Fernsehen entsteht, weil die Protagonisten dem Sender vertrauen.

"Herbstresidenz" sticht inhaltlich heraus

Bestes Beispiel dafür war in der vergangenen Saison "Herbstresidenz". In dieser bewegenden Doku-Reihe ging's um den Alltag von Menschen im Seniorenheim. Und um die Frage, ob Menschen mit Behinderungen so qualifiziert werden können, dass letztlich beide Seiten davon profitieren. Es gehörte sicherlich zu den eindrücklichsten Stunden Fernsehen in diesem Jahr, es entstand aber nicht auf der grünen Wiese, sondern steht zum einen in der Tradition des "Schwarzwälder Hirschs", zum anderen in der Tradition anderer Generationenprojekte wie "Wir sind Teens und ihr seid alt". Insofern also auch ein Stück weit: Berechenbar.

Hier steckte freilich trotzdem ungleich mehr Gehirnschmalz in der Entwicklung als in anderen Versuchen, auf bereits Bestehendem aufzubauen. Dazu gehörte das Vorhaben, "Sing meinen Song" noch "Sing meinen Schlager" zur Seite zu stellen, oder neben "Grill den Henssler" noch den Ableger "Deutschland grillt den Henssler" zu produzieren. Beides ging aus Quotensicht dann auch weniger gut auf als gedacht. Und auch noch ein weiteres Format mit Doc Caro erschloss mit Blick auf die Reichweiten kein neues Publikum und verlor im Gegenteil im Vergleich zum schon laufenden Format etwas an Boden.

Ein etwas anderer Ansatz war "The Piano mit Mark Forster und Igor Levit. Wie so viele andere Vox-Formate war auch das gut produziert, nett anzuschauen und es erzielte auch recht solide Quoten. Doch zum Must-See-TV, zum Magnet für weiteres Publikum, das Vox bislang noch nicht auf dem Schirm hatte, taugte es nicht. Auch die Rückkehr von Daniela Katzenberger zu dem Sender, auf dem sie so bekannt wurde, passt sich zwar gut ins Programm ein, wo "Goodbye Deutschland" nach wie vor zu den unverwüstlichen Eckpfeilern gehört. Und für die Katze läuft es ja auch rundum ordentlich, der große Schritt nach vorn war's für Vox aber freilich nicht. Um so überraschender, dass Vox sich entschied, das von RTL herübergeholte "Lego Masters" nicht fortzusetzen, obwohl hier die Quoten zumindest beim jungen Publikum ziemlich gut ausfielen.

Sat.1 zieht wieder vorbei

Das spiegelt sich letztlich dann auch in der Quotenentwicklung wider: In sieben von neun Monaten erzielte Vox einen geringeren Marktanteil als ein Jahr zuvor. Und die direkte Folge daraus: Das zwischenzeitlich schon überholte Sat.1 lag zuletzt nun wieder vor Vox - egal in welche Zielgruppe man blickt. Schon der Überholvorgang war einst vor allem der Schwäche des Konkurrenten zuzuschreiben. Es war also eigentlich klar: Schon wenn man sich in Unterföhring wieder etwas berappelt, würde die Strategie "More of the same" womöglich nicht reichen, um dauerhaft vorn zu bleiben.

Stattdessen wäre mal wieder ein neuer Leuchtturm nötig, neben seit Jahren etablierten Quotengaranten wie "Die Höhle der Löwen", "Sing meinen Song", "Kitchen Impossible", "Grill den Henssler" oder "First Dates Hotel". In Zeiten mit sinkender linearer Nutzung ist das freilich kein einfaches Unterfangen. Aber wer sich dauerhaft auf Platz 2 unter den Privatsendern sehen will, müsste es trotzdem in Angriff nehmen.