Nach der in vielerlei Hinsicht spektakulären Saison 2023/24, in der mit „Liebes Kind“ aus Deutschland eine der weltweit erfolgreichsten nicht-englischsprachigen Netflix-Serien überhaupt kam, mit „Die Kaiserin“ einen International Emmy gewonnen und beim Deutschen Fernsehpreis regelrecht abgeräumt werden konnte, lag die Latte für die Saison 2024/25 denkbar hoch. Doch selbst gemessen daran kann das Team um Katja Hofem mit den zurückliegenden Monaten sehr zufrieden sein.

Das beginnt schon damit, dass man sich im Herbst über den zweiten International Emmy in Folge freuen konnte, diesmal für „Liebes Kind“. Um so ernüchternder war dann allerdings das Abschneiden beim Deutschen Fernsehpreis, wo Netflix komplett leer ausging. Da der Output von Netflix mit Blick auf deutsche Produktionen ungleich geringer ist als das, was deutsche Anbieter - im Fiktionalen insbesondere die Öffentlich-Rechtlichen - hierzulande produzieren, wäre es aber vielleicht auch etwas vermessen, hier mit einer ähnlichen Dominanz wie in der Ausnahme-Saison 2023/24 zu rechnen.

Die Zahl der deutschen Serien ist angesichts des ohnehin schon sehr gut gefüllten internationalen Netflix-Portfolios also überschaubar. An neuen fiktionalen Serien kamen mit „Achtsam Morden“ im Herbst“ sowie „Cassandra“ im Frühjahr nur zwei auf den Service, dazu kamen von einigen Serien neue Staffeln sowie einige Filme - wie etwa gerade das sehr erfolgreich laufende "Exterritorial", das sich seit dem Start nun schon acht Wochen in den internationalen Film-Top10 hält und in den Alltime-Charts für nicht-englischsprachige Filme auf Platz 4 gerückt ist - und non-fiktionale Produktionen. Nun stellt sich generell die Frage, wie wichtig solche lokalen Produktionen für Netflix angesichts des insgesamt überbordenden Angebots eigentlich sind?

Wie wichtig deutsche Produktionen für Netflix sind

Zwar veröffentlicht Netflix keine Zuschauerzahlen für Deutschland, aber eine wöchentliche Top 10 der hierzulande meistgenutzten Inhalte. Um mehr über die Bedeutung deutscher Netflix-Produktionen auf dem deutschen Markt zu erfahren, haben wir daher diese Rankings im TV-Bereich (Filme außen vor gelassen) für den gesamten Zeitraum Juni 2024 bis Mai 2025 ausgewertet und zum Einen die Anzahl der Wochen ermittelt, in denen es für Inhalte eine Top 10-Platzierung gab. Zudem haben wir Punkte vergeben: Wer in einer Woche auf Platz 1 stand, erhielt zehn Punkte, auf Platz 2 neun etc.

Geht man so vor, dann zeigt sich: Zwar liegt die vierte Staffel von "Emily in Paris" ganz vorn gefolgt von der Miniserie, die weltweit vielleicht für die meisten Schlagzeilen und Diskussionen sorgte: "Adolscence". Doch schon auf den Plätzen drei und vier folgen dann die beiden neuen deutschen Serien, noch vor den Megahits "Bridgerton" und "Squid Game". Das bedeutet nicht unbedingt, dass "Achtsam Morden" und "Cassandra" absolut mehr Deutsche erreichten als die beiden vorgenannten - hier könnte eine größere Nutzung in kürzerer Zeit angefallen sein -, es unterstreicht aber, wie präsent die deutschen Serien hierzulande auf Netflix waren.

Netflix-Ranking für Deutschland

  Wochen in Top 10 Ranking-Punkte*
Emily in Paris (4. Staffel) 8 64
Adolescence 9 62
Achtsam Morden 8 58
Cassandra 7 49
Bridgerton (3. Staffel) 6 48
Squid Game (2. Staffel) 6 47
Cobra Kai (6. Staffel) 8 46
Ein neuer Sommer 6 44
Outer Banks (4. Staffel) 7 44
Kaulitz & Kaulitz (1. Staffel) 6 43

*Dem Ranking liegt eine Auswertung der wöchentlichen deutschen Netflix-Top10 im Bereich Shows (also ohne Filme) zugrunde. Für Platz 1 wurden zehn Punkte vergeben, für Platz 2 neun etc. bis zu einem Punkt für Platz 10. Der Auswertungs-Zeitraum war 3.6.2024-1.6.2025

"Achtsam Morden" etwa war in drei Wochen der hierzulande meistgesehene TV-Inhalt auf Netflix – und es wären wohl vier gewesen, wenn in eine Woche nicht der Boxkampf zwischen Jake Paul und Mike Tyson gefallen wäre. Insgesamt hielt sich die Serie mit Tom Schilling acht Wochen in den deutschen Top 10. "Cassandra" über das Eigenleben eines Smart-Homes aus den 70ern gelang das sieben Wochen lang, auch wenn hier der Sprung auf Platz 1 nie glückte.

"Cassandra" war nächster großer internationaler Erfolg

Doch während der Erfolg zuhause die Pflicht ist, wäre ein weltweiter Durchbruch die Kür. Und hier lieferte insbesondere "Cassandra" ab: Gobal führte man zwei Wochen lang die Hitliste der nicht-englischsprachigen TV-Inhalte an, schaffte es zwischenzeitlich in 32 Ländern auf Platz 1, in 85 Ländern in die Top 10. Insgesamt hielt sich "Cassandra" sechs Wochen lang in den weltweiten Top 10. "Achtsam Morden" reiste nicht ganz so gut und war am stärksten im deutschsprachigen Raum - kam aber immerhin auch drei Wochen in die internationale Top 10 und davon eine Woche auf Platz 1.

Neben den neuen Serien lieferte Netflix zudem einige Fortsetzungen, darunter Teil 2 der international enorm erfolgreichen ersten Staffel von „Die Kaiserin“. Sie schaffte es fünf Wochen in die deutsche Top 10. Die vierte Staffel von „How to sell drugs online (fast)“ gelang das nur zwei Wochen, im Sommer ging auch „Kleo“ in eine zweite Staffel, die insgesamt vier Wochen in den deutschen Top 10 auftauchte. Auch wenn der Aufschlag hier etwas geringer war als bei den neuen Produktionen: Fortsetzungen zahlen sich für Netflix schon deswegen aus, weil dann auch die vorherigen Staffeln stets nochmal einen Boost bekommen, wie sich zwei Mal im Jahr in den detaillierten Zahlen im „What we watched“-Report gut ablesen lässt.

Spannend übrigens, dass auch deutsche Serien, die Netflix einfach nur zweitverwertet, nochmal ein neues Publikum finden. Die ZDFneo-Sitcom "Doppelhaushälfte" etwa tauchte beispielsweise mit Staffel 1 sechs Wochen lang in den deutschen Top 10 auf. Dass Staffel 2 deutlich seltener genutzt wurde, spricht allerdings auch dafür, dass nicht alle, die mal reinschauten, auch dauerhaft dranblieben.

Reality wird auch für Netflix immer wichtiger

Neben dem fiktionalen Angebot wird für Netflix das Non-Fiktionale schon seit längerem immer wichtiger - und zwar gerade auch mit Blick auf die lokalen Produktionen. Das auffälligste Projekt war da sicherlich "Kaulitz & Kaulitz", das im Sommer letzten Jahres Premiere feierte und kürzlich nun schon in die zweite Staffel ging. Auch wenn die Zwillingsbrüder weltweit Fans haben, dürfte schon die Tatsache, dass die Sendung eben in deutscher Sprache ist, den ganz großen internationalen Erfolg erschwert haben. In den globalen Charts tauchte die erste Staffel nur ganz kurz in einer Woche auf Platz 10 auf. In Deutschland hingegen reichte es sechs Wochen lang für eine Top 10-Platzierung, davon war "Kaulitz & Kaulitz" vier Wochen unter den Top 3 der meistgenutzten Netflix-Inhalte hierzulande. In unserem deutschen Netflix-Ranking reichte das für den Einzug in die Season-Top 10.

Und dann wären da noch die Adpationen international schon bestens erprobter Netflix-Realityformate. "Love is Blind: Germany" funktionierte da Anfang des Jahres richtig gut: Vier Wochen lang gehörte das Format zu den drei meistgenutzten Netflix-Inhalten hierzulande – wobei auch die sukzessive Veröffentlichung der Folgen half, das Interesse über einen etwas längeren Zeitraum hochzuhalten. Bei der zweiten Staffel von "Too hot to handle: Germany" ging man einen anderen Weg, auch hier reichte es aber immerhin in drei Wochen zu einer Top 10-Platzierung.

In jedem Fall zeigt sich: Es lohnt sich mit Blick aufs deutsche Publikum, im Reality-Bereich auf deutsche Adaptionen zu setzen, die US- oder UK-Varianten finden in den deutschen Top-Rankings deutlich weniger Niederschlag. Gleichwohl gilt aber natürlich auch: Sie werden schon weit überwiegend für ein deutsches Publikum produziert. Wie zufrieden man bei Netflix mit den beiden Reality-Formaten trotzdem ist, zeigt auch die Tatsache, dass neben einer zweiten Staffel für "Love is Blind: Germany" kürzlich in München auch die Fortsetzung für "Too hot to handle: Germany" verkündet wurde.

Auch wenn deutsche Inhalte im Gesamt-Angebot von Netflix nur eine kleine Minderheit ausmachen: Sie erfahren offensichtlich hierzulande eine weit überdurschnittliche Nutzung. Offenbar gelingt es mittlerweile also ziemlich gut, den Geschmack des heimischen Publikums zu treffen. Dass ab und an noch ein durchschlagender internationaler Erfolg dazu kommt, unterstreicht die gute Bilanz des deutschen Teams in der jüngeren Vergangenheit noch.