Wenn die Deutsche Welle zu ihrem jährlichen Global Media Forum nach Bonn lädt, geht es für gewöhnlich um das Gegenteil von Nabelschau. Der internationalste aller deutschen Medienkongresse versammelt traditionell Journalisten und Medienschaffende aus aller Welt – diesmal knapp 900 aus über 100 Ländern – und widmet sich auch jenen Krisen und Konflikten, die hierzulande sonst durchs Raster fallen. Es ist also ein Zeichen der Zeit – und kein gutes –, wenn das Branchentreffen plötzlich mehrfach zum Forum in eigener Sache wird. Zum einen wäre da der Angriff auf eine Korrespondentin der Deutschen Welle und ihren Kameramann, der am vergangenen Samstag im Westjordanland geschah. In einem Dorf, das durch Zäune und Checkpoints der israelischen Armee von der Umgebung abgeschnitten ist, wurden sie von israelischen Siedlern verfolgt und mit Steinen beworfen. Beide konnten sich unverletzt in Sicherheit bringen, ihr Auto wurde stark beschädigt.
Gezielte Angriffe auf Journalisten, die durch ihre Pressewesten klar erkennbar sind, gehören in Gaza und der Westbank fast schon zur Tagesordnung und gehen nicht immer so glimpflich aus. Dieser Angriff sei "durch nichts zu rechtfertigen" und die israelische Regierung müsse die Sicherheit aller Journalisten im Westjordanland gewährleisten, forderte DW-Intendant Peter Limbourg. NRW-Medienminister Nathanael Liminski verurteilte den Vorfall bei der Eröffnung des Global Media Forums am Montag und kündigte an, beim israelischen Botschafter vorstellig zu werden.
Unter Beschuss steht derweil auch das Prinzip des Auslandsrundfunks westlicher Demokratien generell – von innen wie von außen. Wie schnell es gehen kann, dass aus einer lang etablierten starken Stimme eine Institution im Überlebenskampf wird, zeigt das Beispiel von Radio Free Europe / Radio Liberty (RFE/RL). Die US-amerikanischen Auslandssender – ursprünglich als Informationsquelle für den Ostblock in Zeiten des Kalten Krieges gegründet – begingen vorige Woche ihr 75-jähriges Bestehen. Eigentlich ist es ihre Aufgabe, demokratische Werte durch die Verbreitung freier, unzensierter Nachrichten dort zu fördern, wo die Pressefreiheit bedroht ist oder nicht existiert. Seit die U.S. Agency for Global Media (USAGM) ihre Finanzierung im März auf Anweisung von Präsident Trump eingefroren hat, steht diese Mission auf der Kippe.

Die Kräfte, die gegen uns zum Einsatz kommen, können früher oder später alle hier betreffen", sagte Stephen Capus, CEO von RFE/RL, in Bonn mit Blick auf Kollegen wie Limbourg oder BBC-News-Direktor Jonathan Munro. "Ich hätte nicht gedacht, dass solche Restriktionen gegen unabhängige Medien, wie wir sie seit langem von Russland oder China kennen, jemals von einer US-Administration genutzt würden." Capus, der vorige Woche in Washington zum wiederholten Mal eine vorläufige gerichtliche Anordnung zur Auszahlung der vom US-Kongress bewilligten Mittel für den Monat Juni erwirkte, berichtete von seinen Versuchen, die eigene Finanzierung schnellstmöglich zu diversifizieren. Von der EU-Kommission hat RFE/RL 5,5 Millionen Euro als Notfinanzierung erhalten. In einer "globalen Schlacht um die Wahrheit", so sieht es Capus, müssten alle demokratischen Stimmen enger denn je zusammenstehen. "Die Kräfte auf der anderen Seite lassen nicht nach und setzen auf unsere Erschöpfung."
BBC-Mann Munro bekräftigte die Sichtweise des Amerikaners. Staatliche Akteure wie China und Russland, aber auch kleinere und nähere wie etwa Ungarn, investierten immer mehr Milliarden in globale Medienaktivitäten, sprich Desinformationskampagnen und Fake-News-Schleudern. "Unsere Gegenwehr kann nur darin bestehen, die Wahrheit in all diese Märkte zu tragen", so Munro. "Wir müssen sicherstellen, dass wir möglichst viele Menschen mit freien, unzensierten, unparteiischen Informationen erreichen. Wenn die Gegenseite mit ihren antidemokratischen Narrativen die Oberhand gewinnt, stehen wir auf der falschen Seite der Geschichte." Zu mehr Kooperation und Koproduktion rief auch DW-Chef Limbourg auf: "Wir befinden uns im Informationskrieg. Jede frühzeitige Investition in freie Medien ist dabei effizienter als der Kauf eines Panzers."
Limbourg, der vom Bonner Auditorium ein spontanes Ständchen zu seinem 65. Geburtstag bekam und Ende September in den Ruhestand geht, machte sich zudem für die "Schaffung einer europäischen KI" stark – "unabhängig, transparent und auf öffentlichen Werten aufgebaut, nicht auf privatem Profit. Wenn wir sie gemeinsam aufbauen, kann sie zu einer globalen, gemeinwohlorientierten KI werden. Dies ist unsere Chance, die Zukunft zu gestalten – nicht nur der Medien, sondern der Demokratie selbst. Wenn wir die Integrität und die Vielfalt des Journalismus bewahren wollen, müssen wir die Tools verstehen, die beeinflussen, wie Menschen die Welt wahrnehmen, und Verantwortung für diese Tools übernehmen."
