Zehn Monate liegen noch vor ihm, dann wird Stephen Colbert ein großes Kapitel amerikanischer Fernsehgeschichte schließen. Nach mehr als drei Jahrzehnten, von denen er selbst mehr als zehn Jahre prägte, wird der US-Sender CBS im kommenden Jahr Colberts "Late Show" beenden. Und auch wenn die Verantwortlichen vor dem Hintergrund der jüngsten Auseinandersetzung mit Präsident Donald Trump ein bisschen zu oft behaupteten, das Aus habe "rein finanzielle Gründe", so bleibt festzuhalten, dass mit dem baldigen Ende der Show das Ende einer Ära einhergehen wird.

Seit Steve Allen vor inzwischen über 70 Jahren zu später Stunde die Bühne betrat, waren Late-Night-Shows so etwas wie die DNA des amerikanischen Fernsehens – befeuert vor allem durch Johnny Carson, der die legendäre "Tonight Show", bis heute die am längsten laufende Unterhaltungssendung in den Staaten, über gleich drei Dekaden hinweg prägte. Als er sich Anfang der 90er zurückzog, war die Bedeutung des Formats derart groß, dass sich der Kampf um Carsons Nachfolge als "Late-Night-War" in das kollektive Gedächtnis Amerikas einbrannte.

Dass nicht David Letterman die Show übernahm, sondern sein Widersacher Jay Leno, führte schließlich dazu, dass CBS mit Lettermans neuer "Late Show" in direkter Konkurrenz zur "Tonight Show" von NBC sendete. Ein neuerlicher Streit brach schließlich aus, als Leno 17 Jahre später durch Conan O'Brien ersetzt wurde, der allerdings nach kurzer Zeit entnervt das Handtuch warf und schließlich bei einem kleineren Sender weitermachte.

David Letterman und Johnny Carson © IMAGO / Everett Collection Late-Night-Legenden unter sich: David Letterman zu Gast bei Johnny Carson.

Das Late-Night-Universum hatte es zu diesem Zeitpunkt auf eine beachtliche Größe gebracht – nicht nur, weil inzwischen längst auch ABC mit seiner täglichen Jimmy-Kimmel-Show mitmischte. In ihren besten Zeiten liefen auf einzelnen Sendern teils drei Spätabend-Shows hintereinander. Auf die "Tonight Show" folgte die "Late Night", ehe Carson Dalys "Last Call" fast schon an das Frühstücksfernsehen übergeben konnte. Bemerkenswert auch, dass bei der Vielzahl ähnlich gelagerter Shows Frauen nahezu keine Rolle spielten. "Full Frontal" mit Samantha Bee, ab 2016 immerhin sechs Jahre auf Sendung, bildete da schon eine echte Ausnahme.

Nach Stephen Colberts eher unfreiwilligem Rückzug wird CBS ab Mitte kommenden Jahres erstmals seit über 30 Jahren ohne Late-Night-Show darstehen. Der Anfang vom Ende ist es gleichwohl nicht, auch wenn Jimmy Kimmel und Jimmy Fallon die Fahne vorerst hochhalten werden. Nein, in Wahrheit ist das Ende schon weit vorher eingeleitet worden. Schon als sich James Corden vor zwei Jahren von der nach Mitternacht gesendeten "Late Late Show" zurückzog, verzichtete CBS darauf, den Sendeplatz mit einer neuen Sendung dieser Art nachzubesetzen.

Hohe Kosten, neue Konkurrenten

Gründe dafür gibt es viele. Die hohen Kosten, die die täglichen Late-Night-Shows verursachen, sind vermutlich der gravierendste. In Zeiten, in denen die US-Networks ernsthaft darüber diskutieren, die Primetime auf nur noch zwei Stunden pro Tag zu verkürzen, weil die Streaming-Konkurrenz sie erst massenhaft Zuschauer kostete und schließlich ihre Werbeeinnahmen drückten, wirken bis tief in die Nacht hinein programmierte Sendungen wie ein Relikt vergangener Tage. Das mag man bedauern, weil die humoristische Einordnung des Tagesgeschehens lange stilprägend war für das amerikanische Fernsehen. Doch in Zeiten von TikTok, Instagram und anderen sozialen Medien sind bis zum Abend, wenn sich die TV-Hots in ihren Anzügen auf die Bühne begeben, alle Witze längst gemacht.

Klassische Late-Night-Shows werden im Gegenzug immer mehr auf kurze Clips verdichtet, die über die Verbreitung auf Social-Media-Plattformen zwar noch immer ein Millionenpublikum finden, aber eben wenig gemein haben mit dem Charme früherer Jahre als die Fernsehwelt noch eine andere war. Conan O'Brien, der Late-Night-Star mit feuerroter Tolle, hatte die Entwicklung schon vor Jahren erkannt, als er damit begann, die Sendelänge seiner Show auf eine halbe Stunde zu verkürzen, ehe 2021 endgültig Schluss war – nach fast drei Jahrzehnten, in denen er das Genre nachhaltig prägte. Seine Späße macht O'Brien heute in anderer Form.

Late Night Berlin © ProSieben/Claudius Pflug Klaas Heufer-Umlauf beendete seine ProSieben-Show "Late Night Berlin" vor wenigen Monaten.

In Deutschland, wo das Interesse des Publikums an humorigen Late-Night-Shows noch nie sonderlich ausgeprägt war, kam Klaas Heufer-Umlauf gerade zu einer ähnlichen Erkenntnis wie sein amerikanischer Kollege. "Ich hab' keine Lust mehr auf Late Night", sagte er vor wenigen Wochen, als er seine ProSieben-Show "Late Night Berlin" nach sieben Jahren beendete. Ein Off-Sprecher hatte kurz zuvor bereits die entscheidende Frage gestellt: "Ist so ein Format noch zeitgemäß, wenn so vieles daran immer gleich?"

Und auch wenn Kabarettist Till Reiners gerade noch einmal einen neuerlichen Late-Night-Versuch unternahm – mit täglichen Shows wie sie Harald Schmidt und später auch Stefan Raab machten, haben wöchentliche Comedyshows nur wenig gemein. Und es reicht eben auch nicht, eine nächtliche Großstadtkulisse in den Studio-Hintergrund zu bauen, wenn, wie bei Edin Hasanovics ZDFneo-Show, die Witze keine aktuellen Bezüge haben, weil die Aufzeichnung aus Kostengründen schon Wochen vor der Ausstrahlung erfolgte.

So weit ist es in Amerika, dem Geburtsland der Late-Night-Shows, freilich noch nicht gekommen. Doch die Entwicklung ist auch dort nicht zu leugnen: Das Genre hat seine besten Zeiten hinter sich. Gute Nacht.

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