Eine Zeitenwende im Streamingmarkt als Konsequenz der Werbevermarktung. Nach Jahren der Geheimniskrämerei um erzielte Reichweiten im Streaming, sind es inzwischen die Werbetreibenden und Agenturen, die Marktstandards und Transparenz einfordern. Image oder Programmqualität allein sind auch für globale Streamimgmarken auf Dauer nicht genug, um ihre Werbung zu verkaufen. Das wurde beim AGF Forum in Frankfurt deutlich, wo Netflix ein klares Bekenntnis zur angestrebten Reichweitenmessung abgab. 

„Die Kooperation mit der AGF ist für uns extrem wichtig, weil wir als Local Player wahrgenommen werden wollen; uns an lokale Gepflogenheiten binden wollen und es diese Einheitlichkeit und Vergleichbarkeit noch nicht gibt im Markt“, sagt Susanne Aigner, Head of Advertising bei Netflix Deutschland, beim AGF Forum in Frankfurt im Gespräch mit Juliane Paperlein. „Wir haben es gesehen in UK, wo wir schon eine JIC-Kooperation haben mit Barb und Zahlen offiziell publiziert werden. Gerade wurde kommuniziert: Wir haben zehn Millionen Monthly Active User in UK.“

„Wir wissen, dass wir transparent, vergleichbar und messbar sein müssen und für uns gibt es da keine Alternative zur AGF und deswegen auch die Partnerschaft“, ergänzt Katharina Koch, Head of Ads Measurement bei Netflix Deutschland. „Ein zweiter Grund ist natürlich - das Schöne und die Power am Big Screen - dass Menschen zusammenkommen, um Content gemeinsam zu schauen. Das heißt, wir wollen nicht nur Devices messen, sondern dem Werbemarkt personenindividuelle Daten zur Verfügung stellen. Wir wollen zeigen, welche Menschen dahinter stehen.“

Und mit Blick auf Großbritannien, wo sich Netflix schon länger messen lässt, sagt Koch: „In diesem Jahr gab es dort zum ersten Mal einen Streamer der auf Nummer 1 der Reichweiten-Charts in UK war: Wir mit ‚Adolescence‘ und jetzt gerade ein zweites Mal mit ‚Wednesday“‘ Wir wollen Vergleichbarkeit, wir wollen Standards, wir wollen hier einen Beitrag leisten und deswegen war es auch eine sehr positive Reaktion sowohl von Agenturen als auch von Werbetreibenden.“ Parallel dazu wurde in Berlin das Vermarktungsteam ausgebaut: „Als ich hab vor zwei Jahren angefangen habe, war das ein One Woman Shop für die ersten sieben Monate. Jetzt sitzen allein in Berlin fast 40 Leute.“

Einen konkreten Zeitrahmen für das gemeinsame Projekt wollten in Frankfurt allerdings weder Netflix noch AGF nennen. Man sei aber optimistisch, bald Ankündigungen machen zu können. Die Arbeit sei allerdings intensiv, weil technische, methodische und rechtliche Fragen geklärt werden müssten. Das zusammen mit der AGF aufzusetzen, hat für Netflix einen Mehrwert über Deutschland hinaus: „Als globales Unternehmen ist es für uns auch ein super guter Blueprint, weil wir diese Erkenntnisse auch in anderen Märkten nutzen können. In Italien, Korea und Australien sind ähnliche Projekte geplant“, sagt Katharina Koch. 

Auch konkrete Angaben zur Anzahl der werbefinanzierten Netflix-Abos in Deutschland blieben Aigner und Koch schuldig. Sie verweisen auf internationale Angaben: In 12 Märkten sei das werbefinanzierte Produkt eingeführt und zähle 94 Millionen Monthly Active Users. In Deutschland sind inzwischen 55 Prozent aller Neuabschlüsse für das kostengünstigere werbegestützte Abo. Dem Vorwurf der Hochpreisigkeit begegnet Netflix-Werbechefin Aigner mit einem Verweis auf die Qualität der Werbe-Integration: Die maximale Werbelast beträgt vier Minuten pro Stunde, mit kurzen Werbeblöcken von maximal 75 Sekunden. Bei Filmen, die jünger als 18 Monate sind, gibt es ausschließlich PreRolls, keine Unterbrecher-Werbung. Und die Werbeblöcke sind weiter händisch gesetzt, um zu vermeiden, dass sie mitten in eine Szene platzen.

„Wir sehen uns nicht als Verdränger vom linearen Fernsehen sondern als Ergänzung dazu. Und es soll anders ausschauen, ganz bewusst anders“, sagt Susanne Aigner. Und ihre Kollegin Katharina Koch ergänzt: „Zum Punkt Zielgruppen: Definitiv erreicht man im TV eine sehr hohe Nettoreichweite, aber es gibt gewisse Zielgruppen, die man ab einem gewissen Punkt nicht mehr so effizient oder auch kostengünstig erreichen kann.“ In diese Lücke wolle man stoßen - „und freue sich schon darauf, wenn man AGF-Zahlen liefern kann“ (Aigner).