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Eigentlich wollte das Bundesverfassungsgericht in diesem Jahr entscheiden, wie es beim nicht erhöhten Rundfunkbeitrag weiter geht. So steht es auch heute noch auf der Webseite des Gerichts. Hintergrund ist die Tatsache, dass nicht alle Länder der von der KEF empfohlenen Anhebung des Rundfunkbeitrags um 58 Cent auf 18,94 Euro zugestimmt haben. Die Erhöhung konnte damit nicht zum 1. Januar dieses Jahres kommen, ARD und ZDF legten dagegen bereits im November 2024 Verfassungsbeschwerde ein. Seither heißt es: warten. 

Nachdem sich zunächst bis Ende April zahlreiche Organisationen mit Stellungnahmen zur Verfassungsbeschwerde an das Gericht wenden konnten, reagierten ARD und ZDF darauf bis Mitte Juni. Und auch wenn mittlerweile wirklich alle Argumente auf dem Tisch liegen sollten, wird sich die Entscheidung der Richterinnen und Richter in Karlsruhe noch ziehen. Am Wochenende wurde bekannt, dass das Verfassungsgericht in der Sache wohl erst 2026 entscheiden wird

Die lange Entscheidungsfindung ist auch deshalb ungewöhnlich, weil nicht nur längst alle Fakten und Argumente der Streitparteien klar sind, sondern auch, weil die Situation sehr der von vor vier Jahren ähnelt. Damals folgten die Bundesländer der Empfehlung der KEF ebenfalls nicht - oder genauer gesagt: Sachsen-Anhalt weigerte sich die Erhöhung zu beschließen. Acht Monate später wurde der Beitrag dann durch das Bundesverfassungsgericht angehoben, jetzt wird es noch einmal deutlich länger dauern. 

Über die Gründe der langen Entscheidungsfindung kann man nur spekulieren. Sie hat in jedem Fall aber sehr konkrete Auswirkungen auf die Öffentlich-Rechtlichen, die in ihren Finanzplänen für das laufende Jahr großteils mit der Erhöhung gerechnet haben. Vor Monaten machte man klar, dass man die Zeit bis zu einem Urteil überbrücken könne - da ging man aber noch von einer vergleichsweise schnellen Entscheidung in Karlsruhe aus. Niemand dachte daran, dass sich das Urteil auf 2026 verschieben könnte. 

Und doch sind jetzt alle Anstalten darauf bedacht, die brenzlige Situation nicht noch weiter eskalieren zu lassen. In der Politik gibt es nicht wenige, die ARD und ZDF die Verfassungsbeschwerde grundsätzlich übel nehmen. Zurücknehmen wollten die Anstalten sie aber nicht. Bei einem Rundruf durch die Unternehmen, welche Auswirkungen die verzögerte Entscheidung des Verfassungsgerichts jetzt hat, zeigen sich alle Anstalten schmallippig. 

DWDL.de wollte von ARD und ZDF unter anderem wissen, welche Auswirkungen die Verzögerung auf die Budgets 2025 und 2026 haben und ob es deshalb möglicherweise zu Einsparungen bei Programmen und/oder Sendestrecken kommt. Auf eine Anfrage an alle ARD-Landesrundfunkanstalten antwortet schließlich eine Sprecherin des ARD-Vorsitzes. Sie sagt: "Wir nehmen die Information zur Kenntnis und warten weiter auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Die Wirtschaftsplanungen der ARD orientieren sich grundsätzlich an den Empfehlungen der KEF im 24. Bericht. Die KEF hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass bei einem Beitrag ab dem 01.01.2025 unter 18,94 € die bedarfsgerechte Finanzierung der Rundfunkanstalten für die Jahre 2025–2028 gefährdet ist."  

"Weitreichende Einschnitte" bei Radio Bremen? 

Auf diese Antwort verweisen schließlich auch alle Landesrundfunkanstalten. Sie können oder wollen also keine konkreten Auswirkungen beschreiben, die die verzögerte Entscheidungsfindung in Karlsruhe hat. Dass es Auswirkungen geben wird, ist kein Geheimnis. Als kleine Anstalt ist Radio Bremen besonders betroffen. Schon im ganzen Jahr 2025 werden Investitionen, die auch das Programm betreffen, verschoben und frei werdende Stellen verzögert wiederbesetzt - weil der Rundfunkbeitrag nicht wie von der KEF empfohlen gestiegen ist. Sollte die Erhöhung im laufenden Jahr nicht kommen, kündigte Radio Bremen für das Jahr 2026 bereits "weitreichende Einschnitte" an. Wie die aussehen, will man jetzt noch nicht näher skizzieren. 

Noch vor wenigen Wochen hoffte der Rundfunkrat von Radio Bremen auf ein "zügiges Urteil" (DWDL.de berichtete). Intendantin Yvette Gerner sagte: "Kostensteigerungen und das Ausbleiben der Beitragserhöhung setzen den Sender stark unter Druck. Noch können wir die fehlenden Mittel mit kurzfristigen Maßnahmen kompensieren, es wird aber spürbare Kürzungen im Programm geben, sollte dieser Zustand anhalten."

Auch bei anderen Anstalten ist der Druck groß. Beim RBB zum Beispiel, der ohnehin ein großes Sparprogramm fährt und alleine 9 Millionen Euro einsparen muss, um im kommenden Jahr überhaupt zahlungsfähig zu sein. Der RBB legt in seinem Wirtschaftsplan zwar die 18,94 Euro zugrunde, sperrt jedoch pauschal die Differenz zwischen 18,94 und 18,36 Euro. Gut möglich, dass sich der Einsparungsbedarf hier noch einmal vergrößert. Zumal nicht nur unklar ist, wann Karlsruhe entscheidet, sondern auch wie. Selbst wenn das Bundesverfassungsgericht den Öffentlich-Rechtlichen Recht gibt, könnte es sein, dass die Erhöhung des Rundfunkbeitrags nicht rückwirkend erfolgt - so wie 2021.

70 Mio. Einsparungen - selbst wenn der Beitrag steigt

Große Sparpakete hatten sich zuletzt unter anderem auch der SWR (nachzulesen hier…) und der BR (... und hier) auferlegt, beide Anstalten müssen 70 Millionen Euro einsparen - und gehen in ihrer Rechnung jeweils schon davon aus, dass der Rundfunkbeitrag steigt. Heißt: Kommt die Erhöhung nicht oder nur verzögert und dann nicht rückwirkend, dürfte dieser Betrag noch einmal steigen. Und es ist wohl kein Zufall, dass der SWR die eigenen Sparanstrengungen am Montag noch einmal in einer Pressemitteilung aufzählte - kurz nachdem klar wurde, dass die Entscheidung des Verfassungsgerichts nicht mehr in diesem Jahr kommt. 

Auf Nachfrage will man sich beim SWR aber nicht dazu äußern, ob durch die Verzögerung weitere Sparanstrengungen nötig sind. Auch beim BR verweist man lediglich auf das allgemein gehaltene ARD-Statement. Dabei war es BR-Intendantin Katja Wildermuth, die sich als erste hochrangige ARD-Vertreterin sehr früh und klar in Sachen Rundfunkbeitrag positionierte. Bereits im November 2023 mahnte sie die Verfassungstreue der Politik in Bezug auf das KEF-Verfahren an. Bei der Vorstellung des Wirtschaftsplans 2025 hieß es vom BR, dass sich die Einsparnotwendigkeiten bis 2028 "zusätzlich verschärfen" würden, sollte die Erhöhung des Rundfunkbeitrags nicht zum 1. Januar 2025 kommen. Der Rundfunkrat hat sogar eine Auflage im Wirtschaftsplan festgelegt, in der es heißt, dass der BR für diesen Fall weitere Maßnahmen einleiten muss. Auch der BR geht in seinen Finanzplanungen von einem Rundfunkbeitrag in Höhe von 18,94 Euro aus. 

Auch WDR, MDR, SR und HR verweisen gegenüber DWDL.de auf das allgemeine ARD-Statement. So macht es auch der NDR, hier sind die Vorzeichen jedoch andere. Während viele andere Anstalten in ihren Finanzplanungen von einem erhöhten Rundfunkbeitrag ausgehen, weil dieser von der KEF empfohlen wurde, stehen beim NDR noch 18,36 Euro in sämtlichen Planungen. Gemäß der NDR-Finanzordnung dürfen Erhöhungen des Rundfunkbeitrags in der Planung erst berücksichtigt werden, wenn Höhe und Zeitpunkt feststehen.

Auch beim ZDF geht man in der eigenen Finanzplanung von einem erhöhten Rundfunkbeitrag in Höhe von 18,94 Euro aus. Schon im November 2024 schrieb DWDL.de: "Es gibt keine akute Notlage, die Rahmenbedingungen aber sind schwierig. Spannend dürfte es werden, was in den einzelnen Anstalten und dem ZDF passiert, sollte sich das Bundesverfassungsgericht Zeit mit einer Entscheidung lassen - oder vielleicht nicht im Sinne der Öffentlich-Rechtlichen entscheiden." Zu möglichen Auswirkungen wollen sich aber auch die Mainzer nicht äußern und verweisen lediglich auf die "laufende Abstimmungsphase" im Zuge der Haushaltsberatungen für 2026.

ARD und ZDF brauchen Rücklagen auf

Weitreichende Einsparungen oder Stellenstreichungen im Rahmen der Nicht-Erhöhung des Rundfunkbeitrags sind bislang ausgeblieben, weil ARD und ZDF auf Rücklagen zurückgreifen dürfen, die in der vergangenen Beitragsperiode angehäuft wurden. Das sollen sie nach dem Willen der Politik zwei Jahre lang machen, also bis Ende 2026. Dann soll eine neue Beitragsperiode gelten - und möglicherweise auch ein neuer Rundfunkbeitrag. Das ist zumindest der Wunsch der Bundesländer. Ein Wunsch, der so kaum mehr umzusetzen ist. 

Zum einen ist es schon viel zu spät für die KEF, eine neue Beitragsermittlung durchzuführen. Die Länder hoffen, dass der Reformstaatsvertrag zu einem niedrigeren Rundfunkbeitrag führen wird. Die KEF hatte das zumindest für die Zeit bis 2028 verneint. Aber ohnehin sollen die Reformen ja erst zum 1. Dezember 2025 greifen. Zum anderen ist es so, dass die Rücklagen, die ARD und ZDF aktuell aufbrauchen, schon in der Empfehlung für eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags eingerechnet wurden. Fehlende Rücklagen können in Zukunft nicht mehr beitragsdämpfend wirken, es droht damit also sogar zu einer höheren Beitragsanhebung zu kommen.

Die Reform des Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag, inklusive eines neuen Modells der Beitragsfestsetzung, steht ebenfalls vor dem Aus, weil Bayern, Sachsen und Sachsen-Anhalt blockieren. Sie begründen das mit der Verfassungsbeschwerde von ARD und ZDF, die sich aber ja auf die Zeit ab 2025 bezieht und formell nichts mit der Reform zu tun hat. Weil bis Ende November die entsprechenden Ratifikationsurkunden vorliegen müssen, die Länder aber noch das Urteil aus Karlsruhe abwarten wollen, dürfte die Finanzierungsreform vorerst gescheitert sein. Das Warten geht also auf allen Ebenen weiter.