“Stirbt Social Media?”, titelte "Die Zeit" jüngst unter Berufung auf die "Financial Times" und beschrieb damit ein neues Phänomen innerhalb der Digitalbranche: die Nutzung der sozialen Plattformen hat in manchen Altersklassen bereits den Zenit erreicht – überraschenderweise steigt die Verweildauer auf Mobilgeräten dennoch weiterhin an. Der Wechsel ins Digitale übernimmt immer mehr Bereiche des Alltags, für Social Media bescheinigt die ARD/ZDF-Medienstudie jedoch die Obergrenze innerhalb der möglichen Nutzungsspanne.
Ein Grund für die Stagnation ist die hohe Fragmentierungsrate. Überzeugten Angebote früher mit einzigartigen Funktionen auf einer Plattform, teilen sich heute verschiedene Anlaufstellen die gleichen Angebote. So waren Kurzvideos zunächst auf Vine, dann innerhalb TikTok sowie auf Instagram oder YouTube verfügbar. Mittlerweile sind sie nun auch auf Snapchat und bald auf eigenen KI-Plattformen zu finden. Das Überangebot spaltet die Aufmerksamkeit des Publikums maßgeblich und hat die Marktsättigung in verschiedenen Facetten erreicht.
Entsprechend schwieriger wird es für Anbieter, junges Publikum zu erschließen und vor allem zu binden. Der Druck auf Marken wird größer. Für die passende Strategie braucht es grundsätzlich zwei Dinge: konstante Lernbereitschaft und aktuelle Erkenntnisse. Letzteres lieferte XPLR: MEDIA und iconkids & youth auf den Medientagen München mit der Studie “Gen Z & Gen Alpha Decoded”. Daraus geht hervor, dass native Zielgruppen einen bestimmten Medienmix bestehend aus fünf Komponenten favorisieren.
Essentiell ist dabei die "Flexibilität on Demand" und eine damit einhergehende Berücksichtigung der Lebensstruktur junger Menschen. Sie benötigen Informationen in einem eigenen Rhythmus, abseits der gesamtgesellschaftlich etablierten "Tagesschau-Strukturen" und fordern eine stark individuelle Aufbereitung.
"Nicht desinteressiert an komplexen Inhalten"
Neben einer inhaltlichen Tiefe spielt vor allem die Gestaltung bei Kurzvideoinhalten eine maßgebliche Rolle, gebündelt in der Kunst der schnellen Informationsvermittlung. "Junge Menschen sind nicht desinteressiert an komplexen Inhalten, sondern benötigen eine Aufbereitung, die eine Relevanz für ihre eigene Lebensrealität schafft", berichtete Verena Fücker von der "News-WG" des Bayerischen Rundfunks.
Es ist kein Geheimnis mehr: vor allem der Einstieg entscheidet, ob ein Video vollkommen konsumiert wird. Aber auch eine Positionierung und Spezialisierung auf und von unterschiedlichen Plattformen ist relevant. Anstatt eines uniformierten Angebots werden hier differenzierte Anlaufstellen erwartet, die diverse Lebensrealitäten abbilden. Ein Beispiel dafür sind harte Fakten in Bildpostings für Instagram, aber eine hohe Erwartung an das Storytelling in Langformaten auf YouTube.
Zusätzlich zur niedrigschwelligen Identifikation wird die Forderung nach Authentizität und Haltung laut. Wünsche, die bisher besser von Creatorinnen und Creatorn als klassischen Medien bedient werden können. Zu groß wirkt der Spagat zwischen konservativer Berichterstattung und persönlichen Statuten.
Warum sollten sich also Marken diesem Wandel fügen? "Um junge Menschen an die Zeitung heranzuführen", positionierte sich Florian Wende, Redaktionsleiter bei der Mediengruppe Straubinger Tagblatt und Landshuter Zeitung, und argumentierte damit aus Unternehmensperspektive. Stattdessen im Fokus der meisten Medien: die Zukunftsfähigkeit traditioneller Marken. Laetitia Colacicco, Moderatorin beim Radiosender Energy Nürnberg, attestierte: "Die junge Zielgruppe kann dich schnell groß machen" - und benennt damit wohl den gemeinsamen Wunsch neuer Angebote nach schnellem Erfolg. Denn: Reputation schafft nur bedingt Sichtbarkeit. Was es fortan braucht, ist Innovation.