Jede zehnte Person, die online Einkäufe tätigt, hat in diesem Jahr auch schon beim TikTok Shop bestellt. Damit bescheinigt “Nielsen IQ” der Kurzvideoplattform seit Launch im März einen fulminanten Start. Zeigen sich die Deutschen bei digitalen Innovationen erfahrungsgemäß eher zurückhaltend, so ist die Annahme des Angebots im Vergleich zum internationalen Start überraschend wohlwollend. 

Zu Beginn lag der Produktfokus vor allem auf dem Kosmetikbereich. Mit 46 Prozent dominierten Pflegeartikel die Startseite, mittlerweile ist das Portfolio durch Deko, Elektronik und Mode deutlich ausgeglichener. Damit entwickelt sich der Dienst zu einem Rundum-Angebot und macht etablierten Marktplätzen zunehmend Konkurrenz. 

TikTok Shop © TikTok

Die innovative Verbindung von Produkten mit user-generierter Unterhaltung innerhalb eines Ökosystems scheint sich auszuzahlen. Die For-You-Page von TikTok ist auf die Ausspielung der beheimateten Werbeinhalte optimiert: Je länger die Plattform genutzt wird, desto mehr kommerzielle Videos werden ausgespielt. Im Gegensatz zu allgemeinen Inhalten, die mehrheitlich von einer sehr jungen Basis für ein diverses Publikum erstellt werden, spricht die Einkaufsseite Generationen X, Y und Z (28 bis 34 Prozent pro Gruppe) nahezu gleichermaßen an. Lediglich fünf Prozent der Einkäufe werden durch Babyboomer umgesetzt. 

Aber ist alles Gold, was glänzt? Der Hauptgrund für User, den Shop zu meiden, ist die Skepsis gegenüber den Produkten und Quellen. Laut “Lookfamed” mit Verweis auf Statista haben 47 Prozent der Befragten kein Vertrauen in den Marktplatz, 44 Prozent äußern Bedenken in Bezug auf Qualität und Rückgabe. Dazu sei das Kauferlebnis noch nicht ausgereift und der Bezahlprozess übermäßig kompliziert. 

TikTok gibt selbst bekannt, dass die Anzahl an teilnehmenden Shops innerhalb der Plattform auf über 14.000 angewachsen ist. Mit Blick auf den Entwicklungszeitraum bleibt fraglich, ob hier eine qualitative Selektion stattfinden konnte. Etwa jeder zehnte Beitrag enthält einen Direktlink zur Verkaufsseite, folglich ist es nur eine Frage der Zeit, bis User über Videos wie das folgende stolpern:

Empfohlener externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von TikTok, der den Artikel ergänzt. Sie können sich den Inhalt anzeigen lassen. Dabei können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Weitere Informationen finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

“Junge, wenn die Hülle bei dir zuhause ankommt, steht da “Red Bull” und nicht “Ed Bull” drauf!”, erklärt TikToker @7MAYOU den Sachverhalt. “Nur wegen Markenrechten ist das “R” zensiert, wenn du auf den orangenen Button drückst.” Gemeint ist damit der verbundene Shop auf TikTok, der das Handyprodukt anbietet. Mittlerweile ist der Link zwar deaktiviert, die Videos über die Rechtsverletzung von diversen UGC-Accounts dennoch online. 

TikTok Shop © TikTok

Auf der Suche nach weiteren Artikeln bleibt der Verstoß gegenüber der Marke jedoch nicht der einzige. Mit nur wenigen Klicks lässt sich im TikTok Shop das “2-teilige Set für Damen mit Schleifen- und Herzenmotiv” von Yangzi Pajama Workshop erwerben. Nicht Teil der Beschreibung: Dass dort ebenfalls die Red-Bull-Dose im Allover-Print abgebildet ist – alles zu einem Schnapper von 8,15 Euro.  

Der Clou: Über die TikTok-Suche ist das Produkt nicht auffindbar, dafür müssten die entsprechenden Keywords im Namen hinterlegt sein. Stattdessen gelangen User über Inhalte auf der Startseite oder den Reiter “Das könnte Dir auch gefallen” zur Artikelübersicht. Mehr als 28.500 Artikel wurden hier bereits verkauft. Dem Anschein nach lässt sich durch das bewusste Verschweigen der Markenintegration auch hier keine Lizenz für die Nutzung vermuten. 

Auch für verbotene Gegenstände haben sich TikTokerinnen und TikToker etwas einfallen lassen: So wird beispielsweise aus einer Marlboro-Handyhülle kurzerhand ein "Marelboro"-Produkt. Durch die kleine Änderung sortiert der Algorithmus das Verkaufsvideo nicht automatisch aus. Auch hier findet sich keine korrekte Bezeichnung innerhalb der Produktseite oder Verzweigung auf die Ursprungsmarke. 

Handelt es sich hier um Wachstumsschmerzen oder drückt man ein Auge zu? Nachdem sich der TikTok Shop in Deutschland etablieren konnte, muss die Plattform nun verstärkt in die Qualitätskontrolle investieren – zum Schutz von Käuferinnen und Käufern sowie Konten, die zu den Angeboten eigene Inhalte erstellen. Am Beispiel von “Red Bull” zeigt sich, wie einfach und schnell Marken großteils unbewusst abgebildet werden können. Unklar bleibt, wie hoch der verdeckte Schaden ausfällt.