Die neuen Schreibtische sind schon da, das Firmenlogo prangt bereits an der frisch gestrichenen Wand. Ansonsten herrscht noch gähnende Leere, als das Medienmagazin DWDL.de die neuen Büros von Flow Media Köln im Agnesviertel am Rand der Kölner Innenstadt besucht. Bis zum Frühjahr saß hier die Produktionsfirma Sagamedia. Ganz bald wird wieder hektische Betriebsamkeit herrschen, denn in diesen Tagen zieht die Redaktion des "Kölner Treff" ein. Die traditionsreiche WDR-Talkshow, die 2026 das 50-jährige Bestehen der Programmmarke und das 20-Jährige ihrer Neuauflage feiert, brauchte bekanntlich eine neue Produktionsfirma, weil Produzentin Bettina Böttinger den Betrieb ihres Unternehmens Encanto zum Jahresende einstellen will.

Flow bekam Anfang Oktober nach einem Pitch mehrerer Kandidaten den Zuschlag vom Kölner Sender. Neun von elf der bisherigen Redaktionsmitglieder wechseln von Encanto zu Flow, darunter Redaktionsleiterin Claudia Backhaus und CvD Thomas Bosse, der erweiterte Aufgaben erhalten und auch die Social-Media-Aktivitäten steuern soll.

Ein möglichst reibungsloser Übergang der TV-Institution sollte also gewährleistet sein, nachdem der WDR-Rundfunkrat den Produktionsvertrag Ende voriger Woche auch formell abgesegnet hat. Als DWDL.de im Oktober erstmals über den Zuschlag berichtete, sorgte die Überschrift "Hamburger Produktionsfirma Flow übernimmt 'Kölner Treff'" für Unruhe bei Flow-Chef Rüdiger Wolf. Ohne Gremienbeschluss konnte er nicht gleich öffentlich klarstellen, dass der WDR den "Kölner Treff" nicht etwa in die Hände der in Hamburg ansässigen Flow Media Company gibt, sondern an deren 100-Prozent-Tochter Flow Media Köln. Diese war im Oktober 2024 aus der früheren Comedy-Schmiede Paloma Pictures hervorgegangen, deren Aktivitäten Wolf in die Muttergesellschaft integriert hat.

Katja Kuchenbecker, Robert Kindermann © Flow Media "Neues Level": Katja Kuchenbecker und Robert Kindermann wollen den "Kölner Treff" digital ausbauen
Da der von Susan Link und Micky Beisenherz moderierte "Kölner Treff" stabil erfolgreich läuft, gibt es keinen Grund, warum das Publikum am Bildschirm den Produzentenwechsel überhaupt bemerken sollte. Freilich blicken WDR und Flow schon weiter in die Zukunft und haben gemeinsame Projektgruppen zur Modernisierung des Formats sowie dessen digitaler Verbreitung eingerichtet. "Wir wollen den 'Kölner Treff' nicht zwanghaft verjüngen", sagt Katja Kuchenbecker, Head of Platforms & Strategy bei Flow, "sondern zusammen mit den WDR-Kolleg:innen die digitale Distribution des Formats mit unserer entsprechenden Expertise Schritt für Schritt auf ein neues Level heben. Dabei können wir auf das starke Potenzial der bisherigen Aktivitäten auf Facebook, Instagram und YouTube aufbauen." Dort zählen Clips aus der Talkshow regelmäßig zu den meistgesehenen Posts des WDR. Denkbar sind künftig etwa eigens für Social produzierte Inhalte sowie ein stärker ausgeprägtes Community-Management.

 

Wir sind als Unternehmen jetzt viel diversifizierter und moderner aufgestellt und haben stabile und wachsende Geschäftsbereiche.
Robert Kindermann, Geschäftsführer der Flow Media Company

 

Flow ist auf diesem Feld ohnehin aktiv – mit etlichen Social-First-Formaten wie "In meiner Welt" (SWR), "Tanoshii" (ZDF), "Ey Jamal", "Beyond Gossip" oder dem gerade gestarteten "Valentinas Closet" (alle funk). Neben klassischen TV-Produktionen wie dem NDR-Quiz "Kaum zu glauben!" mit Kai Pflaume oder der "NDR Quizshow" mit Laura Karasek hatten die Hamburger sich 2021 als Medienunternehmen "für die Streaming-Generation" neu aufgestellt. Davon profitiere man jetzt, bestätigt Robert Kindermann, der die Geschäfte von Flow in Hamburg und Köln zusammen mit Wolf führt: "Die Marktlage ist herausfordernd, alle Auftraggeber stehen vor ihren eigenen Herausforderungen. Deshalb sind wir so dankbar, dass wir bereits 2021 einen umfassenden Transformationsprozess angestoßen haben. Uns war klar: Unser Potenzial ist größer und geht über lineares Fernsehen hinaus. Wir sind als Unternehmen jetzt viel diversifizierter und moderner aufgestellt und haben stabile und wachsende Geschäftsbereiche."

Das letzte Gespräch? © Supa Stories/Paul von Boetticher "Das letzte Gespräch?" mit Maria Popov und Umut C. Özdemir wird künftig von Flow Media Berlin produziert

Nach DWDL.de-Informationen hat Flow Media Köln bereits ein zweites Großprojekt an Land gezogen. Im ersten Quartal 2026 soll unter Federführung des WDR ein neues Reality-Format für die ARD-Mediathek entstehen. Der WDR-Flurfunk weiß zu berichten, dass der entsprechende Produktionsvertrag Anfang Februar auf die Tagesordnung des Rundfunkrats kommt. Offiziell äußern sich Sender und Produzent nicht dazu. Flow wächst mit Beginn des neuen Jahres aber nicht nur in Köln, sondern auch in Berlin. Dort übernimmt Wolfs Firma die Supa Stories GmbH, ein junges Produktionsstudio, das ebenfalls auf Streaming und Social Content spezialisiert ist. Das von Markus Heidmeier gegründete Unternehmen ist Ende 2023 aus der früheren Kooperative Berlin hervorgegangen und produziert Formate wie "Das letzte Gespräch?" oder "Brudi" für funk, "Umwelt Crime" oder "Schattenwelten des Sports" fürs ZDF sowie Podcasts für Audible und Podimo.

Rüdiger Wolf, Markus Heidmeier © Flow Media/Supa Stories "Gleicher Ansatz": Rüdiger Wolf (l.) übernimmt die Supa Stories in Berlin von Markus Heidmeier (r.)
Künftig firmiert Supa Stories unter dem neuen Namen Flow Media Berlin. Heidmeier bleibt Geschäftsführer, gibt seine Anteile aber komplett an die Flow Media Company und deren Alleininhaber Rüdiger Wolf ab. Mit der neuen Mutterfirma teile man den "gleichen strategischen und kulturellen Ansatz", erklärt Heidmeier gegenüber DWDL.de. "Wir glauben an Geschichten als die Grundform des menschlichen Denkens. Wir teilen dieselbe Leidenschaft für das journalistische und authentische Erzählen dieser Stories. Wir sind deswegen davon überzeugt, dass starke Dokus und spannende Dokuserien Zielgruppen erreichen, beteiligen und prägen können – egal auf welcher Plattform." Ende Oktober hatte Heidmeiers Team den "TopDocs"-Wettbewerb der ARD mit dem Doku-Projekt "Milliardengeschäft Periode" gewonnen, das sich der Kommerzialisierung von Frauengesundheit widmet und nächstes Jahr realisiert werden soll.

 

Viel mehr als in der Vergangenheit muss ein Produktionshaus auch die Verbreitung und Vermarktung von Content beherrschen.
Rüdiger Wolf, geschäftsführender Gesellschafter der Flow Media Company

 

Den objektiv vorweisbaren Erfolgen zum Trotz reiche es nicht mehr aus, "nur kreativ und schnell zu sein", so Heidmeier. "Aktuelle und zukünftige Herausforderungen brauchen strategische Antworten: die tiefe Integration von KI in Redaktion und Produktion, neue Formen der Vermarktung, die Entwicklung von Talents und IPs." Dafür brauche es starke Partner. Wolf seinerseits treibt mit der Akquisition zwar die fortschreitende Konsolidierung im Produktionsmarkt weiter an, möchte aber unbedingt den Eindruck vermeiden, auf große Expansion aus zu sein, während andere Produzenten darben. "Wir wollen nicht wachsen um des Wachsens willen", betont der Flow-Chef gegenüber DWDL.de. "Wir sind uns aber bewusst, dass wir heute in die Wege leiten müssen, was wir in fünf Jahren brauchen, um in einem maximal disruptiven Markt noch gesund existieren zu können. Viel mehr noch als in der Vergangenheit muss ein erfolgreiches Produktionshaus nicht nur die Entwicklung und Herstellung von Content, sondern auch dessen Verbreitung und Vermarktung beherrschen. Für die Verzahnung dieser unterschiedlichen Disziplinen benötigen wir eine gewisse Größe, die uns insgesamt resilienter werden lässt."

Im Zuge dessen entsteht eine Firmengruppe, die ab Januar rund 90 Festangestellte beschäftigen wird, davon jeweils um die 20 in den Filialen Berlin und Köln. Am Stammsitz Hamburg plant Wolf darüber hinaus noch eine Neugründung: die Flow AI Studios als Joint Venture mit dem KI-Entwickler und Strategieberater Advanced Innovation der Hamburger Unternehmer Dan Nommensen und Konrad Gulla. Nachdem das gesamte Flow-Team bereits an einem einheitlichen KI-Tool-Bundle trainiert wurde und jeder einzelne Mitarbeiter seinen individuellen persönlichen KI-Assistenten erhalten hat, will man diese Expertise künftig auch extern vermarkten, indem man Lösungen zur Kreation und Produktion von Inhalten entwickelt und andere Produktionshäuser bei Interesse berät.

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