Foto: RTLNoch vor wenigen Wochen kursierte die Meldung, die Deutschen hätten die Nase voll von Casting-Shows. Laut einer Umfrage der Zeitschrift „TV Guide“ aus dem Januar lehnen sogar 80 Prozent der 14 bis 29-Jährigen das Genre gänzlich ab. Dann scheinen die Befragten wohl nicht bemerkt zu haben, was sie das schauen, denn auch in diesen Tagen feiern mit Sendungen wie „Deutschland sucht den Superstar“ und „The Next Uri Geller“ ausgerechnet Casting-Shows sechs Jahre nachdem das Genre in Deutschland etabliert wurde, große Erfolge.
 
Seit Januar poltert Dieter Bohlen wieder für RTL bei „Deutschland sucht den Superstar“. In dieser Woche starten mit „Germany‘s next Topmodel“ bei ProSieben und „Ich Tarzan, Du Jane“ mit Hugo Egon Balder bei Sat.1 zwei weitere Talentsuch-Sendungen. Im April dann sucht Thomas Gottschalk für das ZDF „Musical Showstar 2008“.
 
Casting-Shows sind nicht tot
 
„Der Behauptung, Casting-Shows sind tot, würde ich widersprechen“, sagt RTL-Sprecherin Anke Eickmeyer dem Medienmagazin DWDL.de. „Man kann das Fernsehen nicht neu erfinden, Talentshows gab es schon von Anfang an im Fernsehen. Ebenso wie Quiz- und Talkshows“, so Eickmeyer weiter.
 
Da die jeweils aktuellen Themen der Fernsehunterhaltung gewissen Zyklen unterlägen, sei es für einen Sender allerdings wichtig, die konzeptionelle Ausrichtung der jeweiligen Shows entsprechend anzupassen. „Wir ruhen uns nicht auf dem Erfolg aus“, sagt Eickmeyer über das Format „Deutschland sucht den Superstar“. Bei RTL versuche man die Innovation immer wieder innerhalb des Formats hinzukriegen.
 
 
Neue konzeptionelle Ausrichtung für die Zielgruppen
 
Foto: Sat.1Bei Sat.1, wo es an einem langfristig erfolgreichen Casting-Format fehlt, muss man das mit einem neuen Show-Konzept hinbekommen. Ab Freitag dieser Woche begibt sich der Sender unter dem Titel „Ich Tarzan, Du Jane“ auf die Suche nach zwei Hauptdarstellern für das Disney-Musical „Tarzan“. "Für 'Ich Tarzan, Du Jane' haben wir uns einen besonderen Zugang zum Thema Casting gesucht.
Wir casten nicht einfach irgendwen, sondern mit einer klaren Ausrichtung und mit einem sehr klaren Karriereversprechen", erklärt Sat.1-Sprecherin Kristina Faßler.
 
Dass Sat.1 dabei mit einem Musical-Veranstalter kooperiert ist kein Zufall. "Studien zu Folge sind Musicals das beliebteste Live-Entertainment der Deutschen und vor allem in der Zielgruppe von Sat.1 außerordentlich beliebt", erklärt Faßler. Auch beim ZDF sieht man das Musical bei seiner Zielgruppe im Trend.


Das Casting-Märchen

Selbst wenn zu Weilen ein Murren über die Darstellungsform der Casting-Show zu hören ist: Für das Fernsehen ist dieses Genre geradezu ideal. So gehe es beim Fernsehen um Zuschauernähe, erklärt ZDF-Sprecher Peter Gruhne. „Diese erreicht man unter anderem dadurch, dass man sie das Bildschirmgeschehen mit beeinflussen lässt“, erklärt er.

Auch bei RTL sieht man im Casting den idealen Rohstoff, um beim Zuschauer mit musikalischen Inhalten auf verschiedenste Weisen zu punkten. „‘DSDS‘ ist nicht nur eine Talentshow, sondern hat zum Beispiel auch Elemente der Soap“, erklärt RTL-Sprecherin Eickmeyer. Dadurch gelinge die emotionale Bindung der Zuschauer an das Format. „Mit jeder neuen Folge erzählen wir die Fortführung der Geschichte. Im Grunde eine Art Märchen“, so Eickmeyer.
 
Gut zu vermarkten, weil nah an der Warenwelt
 
Logo: SevenOne MediaEin wichtiger Aspekt, auch in der Vermarktung der Programme. „Alles was mit Competition zu tun hat - mit Helden und Identifikationsfiguren - hat gute Voraussetzungen für Involvement und hohe Zuschauerbindung“, erklärt Andreas Kühner, Kommunikationschef beim ProSiebenSat.1-Vermarkter SevenOne Media. Mit „Germany‘s next Topmodel“ verkauft sein Unternehmen Werbezeiten einer Sendung, die neben dem Wettbewerb auch noch ein weiteres Themenfeld bedient: Mode und Kosmetik.
 
„Die Sendung bewegt sich ja generisch bereits nah an der Welt der Marken“, erklärt Kühner. So sei das Format für die Werbekunden eine „wunderbare Marketingplattform - ohne dabei wie eine inflationierte Litfasssäule zu wirken. Die Sendung biete demnach viele Anknüpfungsmöglichkeiten für die Inszenierung von Marken auf den verschiedenen digitalen Plattformen der Sendergruppe - wie zum Beispiel Online-Spiele und Video-on-Demand.
 
Hohes Maß an Planbarkeit für die Werbekunden
 
Logo: IP DeutschlandDie Vermarkter der RTL-Show „Deutschland sucht den Superstar“ sehen die Stärken des Formats eher in der hohen Reichweite, die man dauerhaft erzielen kann. So kam die vierte Staffel der Sendung im vergangenen Jahr auf einen durchschnittlichen Marktanteil von 31,2 Prozent der 14- bis 49-Jährigen. „Die Staffel läuft über mehrere Monate und garantiert den Werbekunden somit hohe Planbarkeit. Werbungtreibende platzieren ihre Produkte in dem Umfeld, um schnell Bekanntheit und Images aufzubauen“, erklärt Caren Lottermann, Direktorin Sales & Services RTL beim Vermarkter IP Deutschland.

Trotz aller Abgesänge und Kritik an dem Umgang so mancher Jury mit ihren Kandidaten: Die Casting-Show feiert fröhliche Urständ. Das Genre entwickelt sich weiter und beginnt in immer mehr Bereiche vorzudringen. Stand zu Beginn der Casting-Welle noch das Erfolgsversprechen „Superstar“, so sind es nun konkrete Jobs, die vergeben werden. Neben den Musical-Darstellern ist Komödiant und Regisseur Michel ‚Bully‘ Herbig derzeit auf der Suche nach Wikingern für seine „Wickie“-Film. Die wird er finden - dank einer entsprechenden Show bei ProSieben.