The West Wing26 Emmy Awards - vier Jahre in Folge in der Königskategorie Beste Serie - und zwei Golden Globes: Keine Fernsehserie hat je mehr Auszeichnungen erhalten als "The West Wing". Über sieben Staffeln von 1999 bis 2006, insbesondere aber in den ersten Jahren, war die Serie über den Alltag des US-Präsidenten und seinem Beraterstab im Weißen Haus ein Erfolgsgarant für den Sender NBC, dessen Abstieg im US-Fernsehmarkt mit dem Ende von "The West Wing" einher ging.

"The West Wing" erzählt von der fiktiven Präsidentschaft des Demokraten Josiah "Jed" Bartlet, gespielt von Martin Sheen, seinen Herausforderungen und dem Alltag im Westflügel des Weißen Hauses. Im Mittelpunkt steht dabei auch sein Beraterstab sowie die Entscheidungsprozesse und Diskussionen im Weißen Haus, die, wie Kritiker zu Recht loben, die große Politik greifbar machten. Auch, weil immer wieder sehr aktuelle Themen aufgegriffen wurden. Den Terroranschlägen vom 11. September widmete man sich etwa in einer extra produzierten Episode nicht einmal einen Monat später.

Während "The West Wing" in den USA also Rekorde brach, einhelliges Lob von Kritikerseite bekam und für NBC zum letzten großen Serien-Erfolg vor dem Niedergang wurde, galt die US-Serie in Deutschland über Jahre hinweg als nicht programmierbar. Vorgeschoben wurden viele Argumente. Der Kern des Problems saß jedoch drüben in Washington - im echten Oval Office. Durch die Politik von George W. Bush schien es unmöglich das deutsche Fernsehpublikum für eine Serie über den amerikanischen Präsidenten und US-Politik zu begeistern. Dies musste Sat.1 schmerzlich erfahren.
 

 
Die Noch-Berliner programmierten 2006 die etwas schlechtere, aber nicht zu verachtende US-Serie "Commander in Chief" über die erste Präsidentin der USA. Doch die bei uns unter dem Titel "Welcome Mrs. President" gezeigte Serie mit Geena Davis in der Hauptrolle floppte in Deutschland wie schon zuvor in den USA. Was dieser Serie zusätzlich zum Verhängnis wurde und eine Ausstrahlung von "The West Wing" in Deutschland so lange verhinderte, wird am 20. Januar nun jedoch Geschichte sein. Mit der Amtseinführung von Barack Obama endet das Kapitel George W. Bush im echten White House.

Die Wahl von Barack Obama zum 44. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika ist ein Hoffnungsschimmer für "The West Wing": Nie war das Interesse an der amerikanischen Politik größer als in diesen Monaten. Selten war die Sympathie einem US-Präsidenten gegenüber größer als bei Obama. Schon durch die spanennden Vorwahlen wurden interessierte Leser und Zuschauer von Medien rund um den Globus im vergangenen Jahr mit dem amerikanischen Politik-System vertraut. Die Voraussetzungen für den Start von "The West Wing" waren nie besser als jetzt.

The West WingDennoch: Die große Chance, die Wahl Obamas oder seine Amtseinführung am 20. Januar für den Start der Serie zu nutzen, hat niemand ergriffen. Einzig der PayTV-Sender Fox zeigt die Serie bereits seit vergangenem Jahr Mai und wird im Februar die zweite Staffel vollendet haben. Mit über 150 verfügbaren Folgen und einer bereits vorhandenen Sychronfassung ist die Serie egal ob im Daily Stripping am späten Abend oder wöchentlicher Ausstrahlung auch für das FreeTV attraktiv. Verdient hätte sie den großen Primetime-Auftritt zweifelsohne.

Fraglich allerdings, ob einer der ganz großen Sender das Risiko eingehen würde. Immerhin ist "The West Wing" weder neu, besonders sexy noch leicht konsumierbar. Kurzum: Durchaus so etwas wie der Albtraum für deutsche Programmverantwortliche, denen bei seriellen Produktionen inzwischen ohnehin sehr schnell die nötige Geduld fehlt - egal ob es um Lizenzware oder Eigenproduktionen geht. DWDL.de hat sich in der Branche umgehört. Lob für die Serie gibt es von allen Seiten. Doch die intensive Erzählweise schockt manchen Programmverantwortlichen. Wo doch derzeit eher die seichtere Serienware gefragt ist.

Dass "The West Wing" in diesem Jahr seine FreeTV-Premiere in Deutschland feiern könnte, halten jedoch gleich mehrere Verantwortliche für realistisch. Wie geschaffen sei die Serie für VOX, hört man bei der Recherche mehrfach. Die Herleitung ist einfach: Für die prominenten US-Sendeplätze bei RTL sei die Serie nicht schlagkräftig genug, bei Sat.1 habe man noch das Trauma von "Welcome Mrs. President" zu verarbeiten und für das ProSieben-Publikum sei die Serie zu wortlastig. Für RTL II sei die Serie zu anspruchsvoll. Bleiben VOX und Kabel Eins: In Unterföhring hat Serien-Fan Jürgen Hörner zum 1. Januar die Führung übernommen. Ob er für eine Überraschung gut sein könnte, bleibt abzuwarten.

2009 könnte das Jahr von "The West Wing" in Deutschland werden - und das zehn Jahre nach dem Serienstart in den USA. Das größte Hindernis für eine erfolgsversprechende Programmierung verlässt am 20. Januar das echte Oval Office. Fragt sich nur, welcher Sender den Mut aufbringt und diese herausragende Fernsehserie trotz ihres Alters noch einmal prominent zu programmieren.