Jörn KabischSeit einem halben Jahr liegt nun die Wochenzeitung "Freitag" in neuer Form am Kiosk. Nachdem Verleger Jakob Augstein den Titel im Mai vergangenen Jahres übernommen hat, wollte er "Türen und Fenster für neue Ideen öffnen" und dem Titel zu neuer Relevanz im Markt der politischen Presse verhelfen. Das Medieninteresse am Relaunch war groß, die Meinungen waren geteilt. Während einerseits das neue Konzept, Debatten aus dem Internet auch in die Zeitung zu überführen, gelobt wurde, vermissten andere Biss und Spannung bei den Texten des Blattes.

Eine positive Bilanz zieht man jedenfalls in der Redaktion nach dem ersten halben Jahr. "Unsere beiden größten Herausforderungen - die Einbindung der redaktionellen Inhalte des 'Guardian' in unsere Zeitung und die Verschmelzung der gedruckten Zeitung mit unseren Online-Inhalten ist für uns sehr gut verlaufen", sagt Jörn Kabisch (Bild), stellvertretender Chefredakteur des "Freitag" im Gespräch mit dem Medienmagazin DWDL.de. So habe sich die Arbeit mit den neuen Inhalten mittlerweile nicht nur innerhalb der Redaktion etabliert, sondern stoße auch auf äußerst positives Feedback bei den Lesern.
 

 
Es sei "phänomenal, wie sich die Redaktion entwickelt hat", schwärmt Kabisch, der beim "Freitag" seit Anbeginn der Neukonzeptionierung im Mai 2008 wieder an Bord ist. Die Verzahnung der beiden Medienträger Print und Online, die in anderen Verlagen eher halbherzig betrieben wird, schreite immer weiter voran. "Mehr und mehr schreiben unsere Autoren Texte, die kommunikativ ausgelegt sind, und eine Reaktion des Lesers provozieren", so Kabisch.

Größere Veränderungen des Blattes sind derzeit nicht geplant. Unmittelbar nach dem Relaunch im Februar gab es bei beiden Medien noch einmal kleine Kurskorrekturen, so dass es jetzt darum geht, die nun vorhandenen Strukturen zu etablieren und weiter auszubauen. "Wir wollen den 'Freitag' thematisch weiter öffnen und wieder zu einer relevanten Stimme machen", so Kabisch.

der FreitagZufrieden zeigt sich Kabisch auch über ein "positives Saldo" bei den Abonnenten. Doch allzu hoffnungsfroh dürften die Zahlen Verleger Augstein noch nicht stimmen. Laut IVW-Ausweisung kam der Titel im vierten Quartal 2008 - dem letzten vor dem Relaunch - auf 8.942 regelmäßige Bezieher. Nun sind es vier mehr: 8.946. Doch damit läge man gar nicht mal so schlecht, erklärt Kabisch. Befürchtet habe man eher, dass die Anzahl der Kündigungen nach dem Neustart nicht durch neue Abschlüsse aufgefangen werden könnte.

Auch am Kiosk tut sich der Titel noch schwer. Den 2.068 Käufern im letzen Quartal des vergangenen Jahres standen im zweiten Quartal 2009 immerhin mit 4.900 Käufern mehr als doppelt so viele gegenüber. Doch angesichts einer Druckauflage von 44.319 Exemplaren und des großen Medienechos dürfte dieses Ergebnis derzeit noch wenig optimistisch stimmen. Vor allem nicht, wenn man betrachtet, dass die Zahl der Käufer im Relaunch-Quartal (II/2009) zwischenzeitlich auf 8.565 kletterte. “Dass wir die Auflage nicht aus dem Stand dauerhaft um 400 Prozent erhöhen, war uns klar“, so Kabisch. „Das ist der übliche Neugier-Effekt.“

Offenbar reichten die Inhalte für rund die Hälfte der Käufer nicht zu mehr aus, als die Neugier zu befriedigen. Zurück kamen viele nicht mehr. "Man muss realistisch betrachten, in welchem Segment wir spielen: Wir sind ein politisches Medium und kein Lifestyle-Blatt. Wir haben Zeit zu wachsen", erklärt der Blattmacher. Und fügt hinzu: „Wir haben bereits jetzt die Gesamtauflage annähernd verdoppelt und das gegen den allgemeinen Trend im Markt.“

Da nimmt es nicht Wunder, dass man nun - pünktlich zum Start der neuen Bundesliga-Saison - versucht, die Leser mit dem populären Thema Fußball zu finden. Analog zu seiner "Wahlkampfarena" findet der "Freitag"-Nutzer im Netz nun auch eine "Fußball-Arena", in der brisante Fragen des Rasensports ("Wird der FC Bayern München deutscher Meister?") debattiert werden können. Die Hoffnung dahinter: Vielleicht bleibt der ein oder andere Fußball-Fan erhalten und klickt sich durch bis zu den politischen Themen. "Das sind für uns gleiche Zielgruppen", sagt Kabisch.

Die Entwicklung der Reichweiten im Internet bezeichnet Kabisch als "Mut machend". Nach einem ersten Höhepunkt zum Relaunch verzeichnet der Verlag seit Mai wieder steigende Nutzerzahlen. Auf knapp 220.000 Besucher und fast 600.000 Page-Impressions kam das Angebot laut IVW-Ausweisung im Juni dieses Jahres.

Ein kometenhafter Aufstieg - sowohl gedruckt, als auch online - sieht freilich anders aus. Allerdings sei der Ausbau des neuen "Freitag" auch als längerer Prozess angelegt. Noch werde Verleger Augstein nicht ungeduldig, erklärt Kabisch. „Wir sind auf einem einem guten Weg – und mit viel Ehrgeiz.“