I love VideotextIch war spät dran. Den ersten eigenen Fernseher mit Videotext (Toptext mit Farbtasten!) hatte ich erst 1989. Aber schon ein halbes Jahr nach dem Start im Jahr 1980 gab es den Herstellern zufolge 70.000 entsprechende Geräte in deutschen Haushalten. Bis Ende 2008 waren es mit 33,49 Millionen Haushalten 96 Prozent der Bevölkerung, die sich über das Bildschirmmedium auf dem Laufenden halten konnten. In der DDR gab es keinen Videotext. Zumindest nicht bis zur Wende. Noch vor der Währungs-, Wirschafts- und Sozialunion am 1. Juli 1990 kam der Videotext im Mai jenes Jahres dann auch auf die andere Seite der Mauer.

Ein weiterer erfreulicher Nebenaspekt: Der Videotext bereichert die deutsche Sprache, indem er einen sonst Experten vorbehaltenen Fachbegriff wie „Austastlücke“ in den Sprachgebrauch bringt. Ein Begriff, der Raum gibt für viele Assoziationen und letztlich Bauklötzchen staunen lässt. Man stelle sich nur vor, über welche assoziativen Irrwege sich das Rateteam von "Genial daneben" dem Kern der Bedeutung nähern würde. Dass es sich bei der Austastlücke lediglich um jene kurze Lücke handelt, die entsteht, wenn beim Aufbau des Fernsehbildes die obere Zeile beziehungsweise das seitliche Ende der Zeile erreicht ist und der Lichtstrahl zurückspringt, um ein neues Bild aufzubauen, fällt dabei kaum ins Gewicht.
 

 
Screenshot: DWDL.deDiese Lücke – sozusagen das Wurmloch der Fernsehwelt – kann genutzt werden, um Datendienste zu transportieren. Sei es für das VPS-Signal (die Älteren werden sich erinnern) oder sogar Pornoangebote. Ach ja: Auch nackte Frauen gibt es im Videotext. Aber nur bei den Privaten.  Hier sehen die Damen auch heute noch aus wie die ersten erotischen Bilder auf dem Commodore 64 Anfang der achtziger Jahre, bei denen sich mit viel gutem Willen aus einigen wenigen auf der Fläche verteilten Bildpunkten im Kopf so etwas wie eine Sexfantasie herstellen ließ.

So oft man über den Teletext als vermeintlich antiquiertes Medium lächelt, so oft nutzt man ihn wohl auch. Allerdings droht der neue Standard Hybrid Boradcast Broadband TV (HbbTV) die Konstanz der Jahre abzulösen. Eine Kombination aus Fernsehen und Internet steht in den Startlöchern. Und auch die kleinen Computer – mit und ohne Deckel – die mehr und mehr auf die Couchtische drängen, machen es dem Textangebot auf dem Fernseher hoffentlich nicht allzu schwer. Es bleibt eine vage Hoffnung, wenn Frauke Langguth, Chefin des ARD-Textes sagt, dass kurze prägnante Informationen im digitalen Fernsehen ihren Platz behalten. "Vom Sofa aus will man schließlich keine Romane lesen". Hoffentlich.