Es ist noch nicht allzu lange her, da feierte kabel eins mit einem Marktanteil von 9,6 Prozent in der Zielgruppe einen neuen Rekord. Anfang August vergangenen Jahres war das - den Monat schloss der Sender wenige Wochen später erstmals mit einer Sieben vor dem Komma ab. So mancher im Sender dürfte die Messlatte zu diesem Zeitpunkt gedanklich bereits deutlich höher gehängt haben, doch die Realität sieht inzwischen wieder ganz anders aus.
Im ersten Halbjahr 2011 lag der Sender jeweils unter der Marke von sechs Prozent - bloß: woher kommen plötzlich die Probleme? Der Grundstein des Erfolgs war nicht zuletzt die Sitcom-Schiene, die in der Vergangenheit Marktanteile von bis teils mehr als 20 Prozent brachte und selbst so manchen großen Sender neidisch zu kabel eins blicken ließ. Dumm nur, dass sich ausgerechnet die große Schwester ProSieben der Sitcom-Idee bediente und seit einigen Monaten mit wachsendem Erfolg am Nachmittag amerikanische Comedyserien zeigt.
Sehr zum Leidwesen von kabel eins: Dort liegt das einzige Prunktstück inzwischen weitgehend brach. Zwar erzielt "Two and a half Men" selbst nach unzähligen Ausstrahlungen weiterhin zumeist zweistellige Marktanteile, doch auf den Rest kann sich kabel eins schon länger nicht mehr verlassen. Ob "What's Up, Dad?", Al Bundy oder Bill Cosby: Sie alle eint der Misserfolg - und der trifft kabel eins inzwischen besonders hart. Hinzu kommt, dass auch die Primetime zahlreiche Baustellen aufweist, nicht zuletzt am Sonntagabend.
Von "Jumbos Würstchenmillionär" bis hin zu "Urlaub undercover" hat man schon fast alles ausprobiert, künftig soll es nun ausgerechnet der ohnehin schon omnipräsente Charlie Sheen zur besten Sendezeit richten. Äußerst durchwachsen liefen zudem auch die Eigenproduktionen am Dienstagabend: Während kabel eins mit "The Biggest Loser" eine der Quoten-Überraschungen des Frühjahrs im Programm hatte und damit zeitweise sogar Sat.1 schlagen konnte, taten sich "Schluss mit Hotel Mama" oder das gerade erst gezeigte Format "Boris macht Schule" mit Boris Becker äußerst schwer.
Dass die Zuschauer den Eigenproduktionen des Senders durchaus eine Chance geben, bewies im Winter die Neuauflage von "Fort Boyard", die mit mehr als 12 Prozent in der Zielgruppe glänzend startete, schließlich aber immer weiter an Boden verlor, bis sie schließlich weit unter dem Senderschnitt endete. Doch auch mit eingekauften Formaten aus Übersee wollte es im Abendprogramm zuletzt nicht immer klappen. Der Wechsel der ProSieben-Serie "Good Wife" ging ebenso schief wie jener von "Lost".
Auch "The Forgotten" ging in der nun zu Ende gegangenen Saison sang- und klanglos unter. Stattdessen greift kabel eins seit einem halben Jahr auf alte Folgen von "Navy CIS" zurück - eine Art Verzweiflungsmaßnahme, die immerhin Linderung der Quotensorgen mit sich brachte. Von großen Experimenten scheint man in diesen Tagen absehen zu wollen, was auch die Entscheidung, "Two and a half Men" in die Primetime zu hieven, nur allzu gut unterstreicht. Immerhin: Dank eines langen Atems ist es kabel eins gelungen, die US-Krimiserie "Castle" am Freitagabend erfolgreich zu etablieren.
Die Finger sollte der Sender allerdings fortan von Sport-Übertragungen lassen. Noch nie konnte kabel eins damit bisher Erfolge feiern - und auch in der abgelaufenen Saison hat sich daran nichts geändert. Ob ADAC GT Masters, Crashed Ice WM oder die Europa League: Als Sportsender wird kabel eins von seinen Zuschauern ganz offensichtlich noch immer nicht wahrgenommen. Doch am größten ist die Not ohne Zweifel am Nachmittag. Hierfür werden neue Ideen oder zumindest neue Serien benötigt, um erneut Kurs aufzunehmen - nicht, um wieder die Sieben vor dem Komma stehen zu haben, sondern eine Sechs. Schon das dürfte in den kommenden Wochen und Monaten schwer genug werden.