Die Motivation hinter dem Vorstoß von IP Deutschland vermutet man bei ProSiebenSat.1 daher auch woanders: "Der Vorschlag, die Referenz-Zielgruppe auf 20-59 zu ändern, ist doch vor allem der Tatsache geschuldet, dass RTL und Vox ihren Zielgruppenschwerpunkt eher in älteren Strukturen haben", so Modenbach. Das allerdings stimmt nur zum Teil, wie ein Blick auf die Quoten des bisherigen Jahres zeigt. Profitieren würden vor allem Das Erste und das ZDF, während RTL mit 17,2 Prozent statt 18,8 Prozent Prozent Marktanteil sogar zu den größeren Verlierern zählen würde. Bei Vox würde sich nicht viel ändern. Der einzige Gewinner einer Umstellung fände sich unter den großen Privatsendern hingegen im SevenOne Media-Portfolio: Sat.1 kommt bei den 20- bis 59-Jährigen in diesem Jahr bislang auf 10,9 Prozent Marktanteil, bei den 14- bis 49-Jährigen nur auf 10,6 Prozent. Doch mit ProSieben kommt eben auch der große Verlierer einer solchen Umstellung aus Unterföhring.


Marktanteil
1.1.-17.7.
14-49
Marktanteil
1.1.-17.7.
20-59
Das Erste
6,8 %
8,8 %
ZDF 6,3 %
8,6 %
RTL
18,8 %
17,2 %
Sat.1
10,6 %
10,9 %
ProSieben
11,5 %
8,3 %
Vox
7,5 %
7,4 %
RTL II
5,6 %
4,9 %
kabel eins
5,9 %
5,3 %

 

 

Die Fronten scheinen also verhärtet - zumindest auf den ersten Blick. Denn womöglich wäre eine Erweiterung nach oben leichter, wenn man nicht die 14- bis 19-Jährigen ausklammern würde. Das scheint für SevenOne Media ein Haupthindernis zu sein: "Eine Veränderung eines solchen Marktstandards ist nur mit allen Beteiligten möglich. Eine Zielgruppendefinition, die erst bei 20 Jahren beginnt, werden wir jedoch nicht unterstützen", macht Guido Modenbach deutlich. Ohnehin würde man bei SevenOne viel lieber diskutieren, "wie  wir künftig Faktoren wie Markenaffinität und Konsumeinstellung in die Zielgruppenbetrachtung einbeziehen können."

Bei IP Deutschland zeigt man sich dennoch optimistisch. IP-Geschäftsführer Martin Krapf: "Aus unserer Sicht geht an der Umstellung kein Weg vorbei, alles andere hieße, die demografische Entwicklung zu ignorieren. Die neue Referenz-Zielgruppe wird sich durchsetzen, wenn sie Akzeptanz im gesamten Markt findet - also in der Hauptsache bei Werbungtreibenden und Mediaagenturen. Nach den Ergebnissen unserer Befragung zu urteilen, sind wir auf einem guten Weg."

Doch fragt man bei Media-Agenturen nach, stößt man dort sehr wohl auf Vorbehalte - auch wenn etwa Jürgen Lindner, Managing Director von Aegis Media Central Services, durchaus Verständnis für beide Seiten aufbringt: "Dass ein Teil der Vermarkter seinem Senderportfolio entsprechend Interesse hat, die preisrelevante Zielgruppe der soziodemografischen Entwicklung, aber auch dem veränderten Medien-Nutzungsverhalten junger Menschen anzupassen ist nachvollziehbar. Genauso wie die Kritik derjenigen Vermarkter, die mit ihren Angeboten gerade bei jungen Zielgruppen gute Performance bieten. Was wir brauchen, ist eben ein Standard, der trotz aller Schwächen von allen im Markt mitgetragen wird, wie es 14-49 über Jahrzehnte war. Lagerbildung wird immer den Verdacht erzeugen, die Initiativen dienen primär preis- oder marketingpolitischen Zwecken."

Und das ist der entscheidende Punkt: Weil die Zielgruppe 20-59 deutlich mehr Menschen umfasst als 14-49 befürchten die Media-Agenturen Preis-Steigerungen - und das stößt wenig überraschend auf wenig Gegenliebe. Mediaplus-Geschäftsführer Andreas Bahr verweist zwar darauf, dass die neue Segmentierung ohnehin "nichts mit der Planungsrealität einer professionellen Mediaagentur zu tun" habe, da Kampagnen "auf Basis des konkreten Nutzungs- und Kaufverhalten von Konsumenten und nicht auf Basis eines rein soziodemografischen Ansatzes" geplant würden - doch die Referenz-Zielgruppe bildet dennoch die Basis für die Preisgestaltung der Sender. "Entsprechend kritisch analysieren wir diese Vorgehensweise", so Andreas Bahr.

Auch Jürgen Lindner von Aegis macht deutlich: "Auch wenn Kampagnen zu 99 Prozent auf anderen Zielgruppen geplant, und Altersangaben fast immer um qualitative Elemente aus Erkenntnissen zu Kaufverhalten, Motivation oder Markenbindung ergänzt werden: Die Preise der Werbeblöcke werden in erster Linie anhand der Markt- und Wettbewerbssituation bei der Referenz-Zielgruppe festgelegt und bei Bedarf täglich justiert. Daher werden wir im Sinne unserer Kunden alles unternehmen, um zu verhindern, dass durch statistische Manöver versteckte Preispolitik betrieben wird. Wird 20-59 vom Markt angenommen, wird 14-49 die Referenz-Zielgruppe der Referenz-Zielgruppe. Klingt paradox? Ist es auch!"

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