Nach und nach fanden immer mehr Zuschauer Gefallen an den Geschichten rund um Charlie Harper. „Just als die Konkurrenz angriff, ging RTL in den Winterschlaf und überließ ihr das Feld.“ In der Zwischenzeit hatte ProSieben mit seiner Serie erstmals sogar mehr Zuschauer als „Dr. House“ - dauerhaft erholen konnte sich RTL-Serie davon nicht mehr. „Nur einmal noch berappelten sich die Quoten. Das war im Mai 2010. Aber dann brach RTL die sechste Staffel eine Woche später nach sechs Folgen ab und ging in eine viermonatige Sommerpause.“ Inzwischen liegen die Einschaltquoten meilenweit unter einstigen Bestwerten – allerdings ist das ganz sicher auch der Tatsache geschuldet, dass derzeit bereits die siebte Staffel von „Dr. House“ auf Sendung ist. „Grundsätzlich ist es völlig normal, dass eine Serie im hohen Alter an Zuschauern verliert, weil der Reiz des Neuen nicht mehr da ist. Und sieben Jahre sind für eine Serie, die sich so sehr um nur eine einzige Person dreht, ein beachtliches Alter“, sagt Reufsteck.

Anfangs sei die Serie „eine Sensation“ gewesen. „So einen Arzt hatte es noch nicht gegeben, die Serie stellte diverse Fernsehregeln auf den Kopf und konnte dadurch lange Zeit immer wieder überraschen. Diese Überraschungen werden seltener, was klar ist, wenn man sich an eine Serie gewöhnt hat. Da können gewisse Ermüdungserscheinungen auftreten.“ Und doch habe die Figur Gregory House eine Entwicklung durchgemacht. „Zu Beginn sah man ihm amüsiert zu und beneidete ihn, weil er das aussprach, was andere nur zu denken wagten. Er war eben der mürrische Kauz, und das war sehr lustig. In jüngerer Zeit wurde aber immer stärker seine dramatische soziale Inkompetenz deutlich, und wie sehr er ihm nahe stehende Menschen verletzt. Das war dann nicht mehr ganz so lustig und wird ihn auch ein paar Sympathien gekostet haben.“ Hinzu kommt die Tatsache, dass House und seine Chefin Cuddy inzwischen ein Paar sind.

 

Reufsteck: „Während ich persönlich der Meinung bin, dass den Autoren die Zusammenführung der beiden Stars toll gelungen ist und sich daraus sogar einige originelle neue Geschichten ergaben, fehlt vielen Fans das bisherige Umeinander-herum-tänzeln und der Dauerkleinkrieg.“ Die oft zelebrierte Serienfrage „Kriegen sie sich oder kriegen sie nicht“ werde zwar in fast jeder Serie irgendwann unvermeidbar mit „Sie kriegen sich“ beantwortet, „aber spannend ist sie nur, solange dies noch nicht geschehen ist“, ist sich der Autor sicher. „Auch bei „Wer ist hier der Boss?“, „Das Model und der Schnüffler“, „Die Nanny“ und Akte X“ war die Luft raus, als die beiden Hauptfiguren plötzlich ein Paar waren. Ein Dilemma: Einerseits wünschen sich die Fans jahrelang, dass die beiden endlich zusammenkommen, andererseits wollen sie es dann nicht mehr sehen.“ Und so stehen die Autoren regelmäßig vor einem Dilemma. Die Fans möchten das Zusammenkommen der Hauptpersonen sehen – und verlieren, wenn es tatsächlich dazu kommt, das Interesse daran.

Ist „Dr. House“ inzwischen also womöglich schlichtweg „auserzählt“, wie so häufig zu lesen ist? „Auserzählt“, so Reufsteck, sei nur ein vornehmes Wort für „den Autoren fällt nichts mehr ein“. „Wenn die das selbst erkennen und einsehen, sollen sie aufhören. Als Fan könnte ich mit einem würdigen Ende nach acht Staffeln leben.“ Ein Aus der in den USA bei FOX ausgestrahlten Serie hält Michael Reufsteck schon deshalb für wahrscheinlich, da Serien dieser Art im Alter normalerweise teurer werden, aber nicht mehr erfolgreicher. „Wenn die Autoren das tatsächlich schon im Herbst vorher erfahren und nicht erst auf den letzten Drücker, wäre das wünschenswert. Dann haben sie Zeit, sich für das Finale noch was einfallen zu lassen“, so sein Wunsch.

„Aber was soll denn 'auserzählt' heißen? Dass es nichts mehr gibt, wohin sich die Charaktere noch entwickeln könnten? Dann waren „Die Simpsons“ schon 1995 auserzählt. Und trotzdem produzieren die auf wundersame Weise immer noch tolle neue Folgen – ab der kommenden Staffel sogar günstiger als bisher, entgegen aller Branchenweisheit und –gewohnheit.“ Und dann erinnert sich Reufsteck noch an seine Lieblingsserie „Frasier“, die einst in der achten Staffel auserzählt zu sein schien. „Der Reiz hatte nachgelassen, die Geschichten rissen nicht mehr mit, und die Gags wirkten alle schon bekannt. Ich weiß nicht wie, aber irgendwie haben sich die Autoren nach dem Durchhänger wieder gefangen und bis zum Ende der Serie nach Staffel 11 noch haufenweise großartige Episoden produziert - übrigens obwohl zwei der Hauptfiguren nach vielen Jahren endlich ein Paar wurden.“