Plötzlich Millionär sein - wer von uns hat nicht schon einmal davon geträumt? Für Rudi König ist dieser Wunsch tatsächlich in Erfüllung geworden. Satte 12 Millionen Euro gewinnt der Geldtransportfahrer und Präsident des Dart-Vereins "Adlerauge Steele" zusammen mit seiner Familie im Lotto. Und plötzlich ist das eigentlich unspektakuläre Leben in der Genossenschaftssiedlung Essen-Steele alles andere als unspektakulär. "Sie können Ihre Kiste in Zukunft alleine schrubben", sagt Rudi von der Euphorie berauscht und kündigt damit seinen Job auf dem Anruferbeantworter der Chefin, während Ehefrau Claudia munter das halbe Kaufhaus leer bestellt.

Vernünftig ist all das natürlich nicht: Aber wie oft kommt man im Leben schon mal in die Situation, mehrere Millionen Euro auf dem Konto zu haben? Gut, dass es Dr. Rüdiger Rössler gibt, einen gut aussehenden und äußerst charmanten Psychologen der Lottogesellschaft, der erst mal empfiehlt, ganz ruhig weiterzuleben - und den Job selbstverständlich auf gar keinen Fall zu kündigen. Für die Nachbarschaft tarnt sich Rössler als Familientherapeut, denn fortan gilt: Niemand soll vom unerwarteten Geldsegen der Königs erfahren, denn die Schlage der Bittsteller soll sich schließlich nicht bis nach Duisburg erstrecken.

Nicht mal Sohn Theo bekommt von dem Gewinn etwas mit. Er möchte ohnehin lieber Musical studieren und wäre damit der erste studierende "König" - sehr zum Leidwesen des Vaters, der ihn schon als "trällernde Tunte" vor Augen hat und ihn aus voller Überzeugung fragt: "Mein Sohn als singende Lokomotive?" Woraufhin Theo, übrigens benannt nach dem Leinwald-Alter-Ego von Marius Müller-Westernhagen in "Theo gegen den Rest der Welt", entgegnet: "Lieber 'ne trällernde Tunte als ein ignoranter Vollidiot!" Alleine diese Szene zeigt: "Die Lottokönige", so der Titel der neuen Serie, die ab Sonntag um 21:45 Uhr im WDR Fernsehen ausgestrahlt wird, ist nicht nur eine Comedyserie mit Hau-drauf-Humor.

Viel mehr besticht sie durch unterhaltsame Dialoge der Protagonisten, die bei Weitem nicht nur im Zusammenhang mit dem Millionengewinn stehen. Der geknackte Jackpot dient viel mehr als Ausgangssituation einer schönen Familienserie, die das Sitcom-Genre zwar nicht neu erfindet, über die man allerdings ruhigen Gewissens und ganz entspannt am Sonntagabend schmunzeln kann. Als Rudi seiner Frau vom Hauptgewinn erzählt und ihr zur Verdauung erst mal ein Glas Eierlikör anbietet, erwidert diese trocken: "Ich will keinen Pudding, ich will richtigen Alkohol!" Es ist eine von vielen kleinen Pointen, die so ungemein ungezwungen daherkommen.

Endlich, muss man beinahe schon sagen, ist es dem WDR gelungen, wieder eine sympathische und zugleich humorige Serie ins Programm zu nehmen, die noch dazu regional im Sendegebiet verortet ist - das hat es lange nicht gegeben. Dabei ist "Die Lottokönige" längst keine eigene Idee: Als Vorlage diente nämlich die sehr erfolgreiche ORF-Comedy "Die Lottosieger", die in der Wiener Vorstadt angesiedelt ist. Tragisch ist das nicht, stammte doch auch die Vorlage zu Ekel Alfred in "Ein Herz und eine Seele" einst aus Großbritannien. Der Umzug der "Lottosieger" in den Ruhrpott hat jedenfalls bestens funktioniert: Mit ihrem Gespür für Timing und guter Situationskomik weiß die zunächst auf sechs Folgen angelegte WDR-Adaption zu überzeugen. Und ganz wichtig: Der Lokalkolorit ist omnipräsent und verleiht der Serie einen eigenen Charme.

Stefan Pächer und René Förder haben die Drehbücher für die unterhaltsamen Geschichten aus dem Leben einer eigentlich stinknormalen Essener Familie geschrieben, Dominic Müller führt Regie. Außerdem ist auch der Cast gut zusammengestellt: Waldemar Kobus spielt den liebenswürdigen Familienvater, der natürlich weitaus weniger zu sagen hat als ihm lieb ist. In den weiteren Rollen sind Sandra Borgmann als Ehefrau, Max von der Groeben als Sohn Theo, Oliver Wnuk als Therapeut und Friederike Kempter zu sehen, die einen eigenen Friseursalon besitzt und dort liebend gerne mit ihrer Schwester Claudia über Geld, die Welt und nicht zuletzt über Männer spricht, mit denen sie allerdings nicht allzu viel Glück hat.

Doch auch zwischen Claudia und Rudi kriselt es: Das liebe Geld sorgt für so manchen Streit, was der aufmüpfigen Nachbarschaft natürlich nicht entgeht - denn eigentlich würden die beiden ihren Gewinn viel lieber verprassen als im nagelneuen Wohnzimmer-Tresor bunkern. Und so wird den Königs, aber auch den Zuschauern der Serie schnell deutlich: Geld zu haben ist zwar schön, doch oft ist zu viel davon mehr Fluch als Segen. Das hat man freilich auch schon geahnt, bevor man "Die Lottokönige" gesehen hat - dem Unterhaltungs-Faktor der Serie tut das allerdings nicht im geringsten einen Abbruch.