Gerade diese anstehenden Präsentationen werfen auch die Frage auf, wann es zu personellen Veränderungen bei RTL kommen wird. In den vergangenen Jahren konnte RTL-Geschäftsführerin Anke Schäferkordt die Erfolge des Senders auf die von ihr so geliebte Art und Weise demonstrieren: Mit Tabellen und Diagrammen. Fakten, nicht Emotionen, dominierten die Vorträge. Das war einfach, weil es unter ihrer Führung stetig nach oben ging. In diesem Jahr müsste Schäferkordt aller Wahrscheinlichkeit nach zum ersten Mal schlechte Neuigkeiten präsentieren. Auch das gehört zum Geschäft dazu, kann man sagen. Man kann sich aber auch fragen: Warum tut sich Schäferkordt das Tagesgeschäft bei RTL noch an?

Sie hat RTL schon einmal aus dem Tal geführt und zu größten Erfolgen geführt, denen sie jetzt nur noch selbst hinterlaufen würde. Mit ihren neuen Aufgaben als CEO der RTL Group und TV-Vorstand bei Bertelsmann wäre es ein Leichtes gewesen, das Ruder beim Sender RTL in andere Hände zu übergeben. Gerade weil bei RTL jetzt wichtige Weichenstellungen vorgenommen werden müssen, ist der Zeitpunkt für einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin ideal, weil man jetzt die nötige Luft zum Atmen hätte. Auf der Höhe des Erfolges wäre die Nachfolge Schäferkordts eine weit schwierigere Aufgabe geworden. Möglicherweise, spekulierte vor zwei Wochen der "Spiegel", werde Schäferkordt aber auch bleiben und stattdessen eine neue Ebene des Programmdirektors eingezogen, um eine zentrale Position für alle Programmangelegenheiten zu schaffen.

Gilt als nächster RTL-Geschäftsführer weiterhin der derzeitige Vox-Chef Frank Hoffmann als Favorit, so würde sich für den Posten des Programmdirektors eine Person empfehlen, die RTL nach ihrem Abgang offenkundig dringend fehlt und die trotzdem kaum zurückkehren wird: Holger Andersen. Im Herbst 2009 wechselte er von RTL zu RTL II und wurde dort Programmdirektor. Nach zwei Jahren mit vielen Experimenten hat der Sender unter Andersen auf die Erfolgsspur gefunden. Das könnte RTL auch gebrauchen. Und Andersen wäre bestens dafür qualifiziert. In seiner Verantwortung entstanden in Köln immerhin Formate wie "Ich bin ein Star - Holt mich hier raus", "Die Super-Nanny", "Raus aus den Schulden", die "Ultimative Chartshow" oder die Strategie bei Comedy auf Live-Programme von Comedians zu setzen.

Doch es ist schwer vorstellbar, dass Andersen unter Schäferkordt Programmdirektor bei RTL wird. Zum Einen stellt sich bei RTL II gerade der Erfolg von Andersens Strategie ein, zum Anderen gelten Schäferkordt und Andersen nicht als die allerbesten Freunde. Doch es bräuchte zweifelsohne jemanden wie ihn, der bereit ist, Experimente zu wagen. Eine Eigenschaft, die bei RTL in den vergangenen Jahren nicht zu den meistgeschätzten gehörte. Egal ob bei Personalien oder im Programm: An offenen Fragen mangelt es bei RTL nicht. Und es geht dabei nicht um Detailfragen, sondern nicht weniger als den personellen und programmlichen Kurs des größten deutschen Privatsenders in den kommenden Jahren. Eine Frage, die nicht nur Medienjournalisten sondern die gesamte Produzentenlandschaft und nicht zuletzt die RTL-Mitarbeiter umtreibt.

Update: Nach der Veröffentlichung der DWDL.de-Analyse teilt RTL-Sprecher Christian Körner am Montagmittag mit: "Wir sind gar nicht so schweigsam, wenn man uns denn fragt: Natürlich sehen wir das aktuelle Nachlassen der Quoten, auch wenn wir nicht ganz so überrascht sind wie manch anderer. Gründe dafür gibt es aus unserer Sicht mehrere: Formate in der Reifephase, die Rückkehr vom Rekordniveau 2010/2011 oder die zunehmende Marktfragmentierung. Doch jenseits der Analyse und Frage dessen, wie öffentlich wir diese betreiben, bleibt entscheidend: Unsere Programmteams sind eifrig bei den Hausaufgaben, entwickeln Formate neu – oder weiter - und das nicht erst seit April oder Mai. Alle Neuigkeiten zum Programm gibt es wie immer rechtzeitig zur neuen Season."