4. Zu wenig Durchhaltevermögen

Das Gute an einer Live-Sendung ist, dass man sie täglich verändern kann. Schlecht ist allerdings, wenn man sie über Monate hinweg täglich verändert. Niemand erwartet eine perfekte Premiere, doch eine Dauer-Baustelle ist dem Publikum eigentlich unzumutbar. So gesehen war es fast schon ärgerlich, dass der kurzfristig einberufene neue Redaktionsleiter Markus Peichl "Gottschalk Live" zu einer klassischen Talkshow umbauen wollte und dem Format binnen weniger Wochen die komplette Identität raubte.

Das wirklich tolle Studio, dessen Einrichtung sich Thomas Gottschalk selbst aussuchen durfte, wurde ausgetauscht durch ein 08/15-Inventar, das überhaupt nicht mehr zum Moderator passte. Spätestens in diesem Moment war klar: In dieser Form hat "Gottschalk Live" keine Zukunft mehr, zumal sie nun auch nicht mehr live ausgestrahlt wurde. Dass auf den letzten Metern, als die Absetzung bereits beschlossen war, ein weiteres Mal das Konzept verändert wurde, gab der Sendung endgültig den Todesstoß. Damit verlor "Gottschalk Live" auch noch die letzten Zuschauer, die bis zu diesem Zeitpunkt ausgeharrt hatten.

5. Zu wenig Rückendeckung

Günther Jauch, Harald Schmidt und Oliver Pocher können ein Lied davon singen. Geschlossenheit ist definitiv nicht die Stärke der ARD. So war es auch im Vorfeld von "Gottschalk Live": Kritische Stimmen gab es bereits vor der ersten Sendung - und es war freilich Wasser auf die Mühlen der Kritiker, als sich herausstellte, dass der Show ein steiniger Weg bevorstehen würde. Doch anstelle sich für das Format einzusetzen, wurden im Hintergrund die Strippen gezogen, weil persönliche Eitelkeiten häufig wichtiger erschienen als der Erfolg beim Publikum. "Man kann unterschiedliche Meinungen haben. Die Frage ist, wie man mit diesen unterschiedlichen Meinungen umgeht, welchen Stil man dabei pflegt", ließ Redaktionsleiter Peichl kurz nach seinem Amtsantritt verlauten.

Zu diesem Zeitpunkt mehrten sich bereits die Stimmen, die sich für eine Absetzung stark machten. Er müsse sich "Gott sei Dank" nicht so "auf solche Ränkespiele einlassen" und habe sich diese Unabhängigkeit bewahrt, so Peichl. Von den Kritikern des Formats innerhalb der ARD forderte er: "Sagt uns zumindest die Wahrheit, sagt sie uns rechtzeitig und ansonsten lasst uns bitte arbeiten." Dass Thomas Gottschalk offenkundig nicht mal persönlich mitgeteilt wurde, dass seine Sendung noch einen Tag früher als ursprünglich gedacht abgesetzt wird, kommentierte der Moderator daher entsprechend höhnisch: "Angerufen hat mich niemand, aber es wäre auch das erste Mal gewesen, dass die ARD mit einer Stimme gesprochen hätte."

Doch was bedeutet all das nun für Thomas Gottschalks Zukunft?

 Nun, einen Kratzer trägt der Moderator durch die turbulenten Monate sicherlich davon, schließlich trägt auch er einen Teil der Verantwortung für den Flop. Letztlich war es allerdings die Summe mehrerer Faktoren, die zum unweigerlichen Aus von "Gottschalk Live" führten. Man könnte auch sagen: Ein großes Missverständnis geht zu Ende. Was jedoch viel mehr verwundert: Wieso ist es den erfahrenen Fernsehmachern von WDR und Grundy Light Entertainment nie gelungen, ein Konzept zu entwickeln, das voll und ganz auf Gottschalk zugeschnitten ist?

In weiten Teilen wirkte das, was seit Ende Januar fast täglich am Vorabend ausgestrahlt wurde, jedenfalls reichlich hilflos. Nur zu gerne hätte man gewusst, was passiert wäre, wenn "Gottschalk Live" mit deutlich längerer Planungszeit so ausgestrahlt worden wäre, wie es sich Gottschalk ursprünglich vorstellte. Mit Ruhm hat sich so gesehen niemand bekleckert. Weder Produktionsfirma noch ARD. Und auch nicht Thomas Gottschalk, der offenkundig eine Sendung moderierte, mit deren Konzept er von Beginn an nicht einverstanden schien.

Das Ende von Gottschalks Fernsehkarriere muss das alles aber natürlich nicht bedeuten. Man muss das Fernsehen nicht neu erfinden, um einen Platz für Gottschalk zu finden. Er muss einfach nur er selbst sein dürfen. Und: Wetten, dass schon bald fast niemand mehr über seinen erfolglosen Ausflug in die Todeszone sprechen wird?