Die kommenden Wochen versprechen einen Ausnahmezustand in Deutschland - zumindest sofern die deutsche Fußball-Nationalmannschaft bei der EM in Polen und der Ukraine die entsprechenden Ergebnisse erspielt. Doch der Ausnahmezustand trifft auch auf das deutsche Fernsehen zu, allen voran auf ARD und ZDF, wo sämtliche Spiele der Europameisterschaft zu sehen sein werden. Die wichtigsten Eckpunkte für Fans sind dabei freilich die Anstoßzeiten: Um 18:00 Uhr und um 20:45 Uhr beginnen die Spiele.
Dass den Sendern der Gesprächsstoff offenkundig nicht auszugehen scheint, belegt der Blick auf die Rahmenberichterstattung, die teilweise bereits um kurz nach 16 Uhr beginnt - das bedeutet somit satte zwei Stunden Vorlauf. Nicht ganz so lang fällt die Nachberichterstattung aus, doch auch hier versuchen ARD und ZDF, den Erfolg möglichst weit auszudehnen. Während jedoch das Zweite auch in diesem Jahr wieder auf seine Fußball-Comedy "Nachgetreten!" verzichtet, darf im Ersten einmal mehr Waldemar Hartmann ran.
Er meldet sich mit seinem "EM-Club" aus Leipzig und wird mit Stammgast Matze Knop und weiteren illustren Gästen die Spiele analysieren - voraussichtlich mit Bier, aber keineswegs bierernst. Jürgen von der Lippe, Hansi Müller und Harald Schmidt haben sich für die erste Sendung am Freitag angesagt. Für die unmittelbare Berichterstattung zu den Spielen ist die ARD jedoch vor Ort. Gerhard Delling und Reinhold Beckmann melden sich mit Mehmet Scholl aus den Stadien, zudem wird Hannovers Trainer Mirko Slomka beim Eröffnungsspiel als Experte in Erscheinung treten. Das ZDF legt den Schwerpunkt dagegen auf Party-Stimmung und meldet sich stets vom eigens errichteten Fußballstrand auf der Insel Usedom.
Die Hoffnung der Mainzer: Durch die besondere Location soll eine ähnliche Stimmung entstehen wie bei der WM 2006 oder der EM 2008, als das ZDF aus dem Sony-Center in Berlin und von der Seebühne in Bregenz sendete. Katrin Müller-Hohenstein hat wie gewohnt Oliver Kahn an ihrer Seite, zudem wird auch der ehemalige Schiedsrichter Urs Meier zur Analyse herangezogen. "Der Fußball steht im Mittelpunkt unserer Sendungen", beschwichtigt ZDF-Sportchef Dieter Gruschwitz. "Die Herausforderung für uns ist es, die richtige Balance zwischen Fußballübertragungen aus den Stadien der Ukraine und Polen und dem Fanfest hier vor Ort einzufangen, so dass alle Zuschauer emotional dabei sein können."
Fußball-Muffel werden es in den kommenden vier Wochen schwer bekommen, denn angesichts der zu erwartenden Spitzen-Quoten der EM-Übertragungen fährt die Konkurrenz den Programmaufwand auf ein Minimum zurück. Allzu viel Neues ist also nicht zu erwarten. So verzichtet RTL etwa auf die Ausstrahlung seiner gerade erst gestarteten US-Serie "The Glades" und zeigt während der EM dienstags lieber Wiederholungen von "CSI: Miami" im Doppelpack, bei seiner Geschlechter-Show "Typisch Frau - Typisch Mann" greift der Sender ebenfalls auf frühere Folgen zurück. Und auch sonst dominieren Show- und Spielfilm-Wiederholungen.
Ähnlich verhält es sich bei ProSieben und Sat.1, wo man mit Comedy-Marathons hofft, möglichst vielen Zuschauern eine Alternative zu bieten. ProSieben setzt montags auf "Die Simpsons", dienstags auf "Two and a half Men" und zeigt am Mittwoch gleich acht Folgen von "How I Met Your Mother" am Stück, die natürlich allesamt bis tief in die Nacht hinein standesgemäß noch einmal wiederholt werden. Sat.1 fährt freitags ein ähnliches Konzept und zeigt mehrere Folgen von "Sechserpack" & Co.
Immerhin: Mit "Fringe" gibt es bei ProSieben noch im Juni sogar frische Serien-Ware. Und auch sonst wartet auf all diejenigen, die keine Lust auf Fußball haben, so manches Schmankerl, wenn auch manchmal etwas versteckt. Filmfreunde kommen in den kommenden Tagen mit "Mission: Impossible" oder "Date Night" bei ProSieben auf ihre Kosten, Arte strahlt am Sonntagabend zur besten Sendezeit den Spielfilm "Die Queen" mit Helen Mirren aus. Und sogar so manche Talkmaster warten noch mit dem Start ihrer Sommerpause: Wenn Irland gegen Kroatien spielt, sendet sogar Günther Jauch noch einmal. Und "Hart aber fair" bleibt auch in den darauffolgenden Wochen noch auf Sendung. So gesehen herrscht wohl auch bei den Talkern so etwas wie Ausnahmezustand.