Wäre die Geschichte anders verlaufen, würden wir in diesen Tagen vermutlich den 60. Geburtstag der "Aktuellen Kamera" feiern. "Spiegel"-Chefredakteur Georg Mascolo hatte mit seinem Einwurf nicht ganz unrecht. So gesehen kann man froh darüber sein, dass derzeit die Feierlichkeiten zum "Tagesschau"-Jubiläum stattfinden. Doch auch wenn der 60. Geburtstag eigentlich erst am 26. Dezember auf dem Plan steht - gefeiert wurde schon am Donnerstagabend. Direkt an der Elbe. Mit mehr als 450 geladenen Gästen. Und ganz offensichtlich hatte man es sich zur Aufgabe gemacht, nicht zu kleckern, sondern zu klotzen.

Anders als die sonst so reduzierte "Tagesschau" fuhr man zur großen Sause alles auf, was Rang und Namen hat. Vom großen Drei-Gänge-Menü ganz zu schweigen. Doch die ARD hat in der Tat allen Grund zum Feiern, denn nach wie vor ist die "Tagesschau" die mit Abstand meistgesehene Nachrichtensendung im deutschen Fernsehen. Abend für Abend informieren sich Millionen Fernsehzuschauer noch immer durch diese mitunter etwas in die Tage gekommen wirkende Sendung, die in der immer schneller werdenden Nachrichtenwelt allerdings durchaus etwas Beruhigendes hat. Es kann passieren, was will - die "Tagesschau" bleibt in ihren Grundzügen, wie sie ist.

Dass sich ausgerechnet die frühere Chefsprecherin Dagmar Berghoff um die Zukunft der Sendung sorgen würde, kam dann allerdings doch überraschend. "Ich bin mir nicht sicher, ob es die 'Tagesschau' in 20 Jahren in dieser Form noch geben wird", sagte sie auf der Jubiläumsfeier im Hamburger Hafen. Sie wünsche der Sendung jedoch, dass sie so bleibt - zumindest "für die Zeit, die ihr bleibt". In Berghoffs Worten schien also ein Hauch von Zweifel durch. Anders als bei den Verantwortlichen der Sendung, die die "Tagesschau" mit nicht unumstrittenen Zusatzangeboten im Netz und per App fit machen wollen für die neue Medienwelt. Doch auch Außenstehende waren voll des Lobes.

"Mit der 'Tagesschau' bin ich vom Kind zum Mann geworden", erinnerte sich "Spiegel"-Chefredakteur Georg Mascolo, der als kleiner Junge jedoch weniger die "Tagesschau" sehen wollte, sondern viel mehr das, was nach den Nachrichten ausgestrahlt wurde. Am Donnerstag bezeichnet er die Sendung nun als "Glockenschlag der Republik", merkte wenig aber jedoch an: "Die Verhandlungen über die App führen wir morgen." Nein, viel Zeit für Kritik blieb am Mittwochabend nicht. Auch, weil man sich lieber mit netten Anekdoten aus vergangenen Tagen beschäftigte als mit aktuellen Problemen.

Dagmar Berghoff durfte noch einmal erzählen, wie das war, als sie das WTC-Turnier einst zum WC-Turnier umfunktionierte, und dass sie vor vielen Jahren die Widerstandkämpfer kurzerhand mal zu Widerstandkäfern umfunktionierte. Geschadet hat all das der Sendung nicht. "Die 'Tagesschau' ist eines der letzten Lagerfeuer des deutschen Fernsehens", freute sich NDR-Intendant Lutz Marmor. Und ARD aktuell-Chefredakteur Kai Gniffke schwärmte, dass man die Sendung von hervorragenden Journalisten übernommen habe. "Wir sollten nicht die Generation sein, die das versemmelt", mahnte er.

Am Rande der Veranstaltung zeigte sich Gniffke allerdings etwas verärgert über Berichte vom Wochenende, in denen er sich nicht richtig dargestellt fühlte. Dass die Probleme der Verlage, die immer wieder Kritik an der "Tagesschau"-App äußern, "hausgemacht" seien, habe er gar nicht gesagt. Und schon gar nicht hämisch gemeint. Wenig gefallen haben dürften ihm und seiner Redaktion auch die Berichte rund um das neue knapp 24 Millionen Euro teure "Tagesschau"-Studio, das in diesem Jahr ganz sicher nicht mehr an den Start gehen wird. Man wolle damit auf Sendung gehen, "wenn's fertig ist" und es so perfekt sei, "dass wir es vorzeigen können", betonte Gniffke.

Und nicht ganz ohne Stolz fügte Chefredakteur Kai Gniffke hinzu, dass man auch jetzt schon "jeden Tag eine ganz vorzeigbare Sendung" mache. Und so verlief die "Tagesschau"-Feier trotz des Gegenwinds der vergangenen Tage in ruhigen Bahnen. Da passte es nur allzu gut ins Bild, dass sich selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht lumpen ließ und eine Grußbotschaft sendete - auch wenn sie selbst oft ein schlechtes Gewissen habe, wenn sie um 20 Uhr das Einschalten verpasse. "Die 'Tagesschau' bleibt, was sie ist: Eine Institution im besten Sinne", ließ Merkel ausrichten. Treffender äußerte sich allerdings Georg Mascolo, der der "Tagesschau" attestierte, "typisch deutsch" zu sein: "Immer pünktlich, aber ein bisschen humorlos."

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