Einmal im Jahr lädt die CDU in Berlin zur Media Night, einem medienpolitischen Branchentreff. Nach einigen Fachdiskussionen am späten Nachmittag, folgte am frühen Abend Anke Schäferkordt als Keynote-Speakerin auf die Rede von Bundeskanzlerin Angela Merkel. In der Debatte um die Zukunftsfähigkeit von Medienformen - zwischen Gejammer der Verlage und grenzenloser Euphorie von Web-Anbietern - ließ die Chefin der RTL Group keinen Zweifel daran, dass das Fernsehen trotz Abgesängen seit mehr als zehn Jahren, eine starke und Ihrer Meinung nach sogar "klare" Perspektive habe. Schäferkordt: "Die Zukunft des Fernsehens lässt sich auch in dieser Zeit des medialen Wandels relativ klar vorhersagen: Was mein Vorgänger schon oft vor Jahren anmerkte, gilt nach wie vor: Die Zukunft von TV ist TV. All die neuen Technologien und Infrastrukturen werden durch professionell produzierte Inhalte getrieben, sie werden durch sie attraktiv, ja erst sinnvoll. Neue Straßen ohne Autos ergeben schließlich auch keinen Sinn." Oder in anderen Worten: "Ohne die Leistungen der Kreativwirtschaft wären die faszinierenden neuen technologischen Infrastrukturen nichts."
Wer die medienpolitische Agenda der RTL Group auf europäischer Ebene bzw. die der Mediengruppe RTL Deutschland auf nationaler Ebene kennt, wird nicht überrascht sein, dass Schäferkordt gerade bei so einer Gelegenheit noch einmal ihre bekannte Kritik an einer veralteten Medienregulierung wiederholte, die immer noch Mediengattungen getrennt voneinander bewertet; die mit Blick auf die Zuständigkeiten sogar getrennt betrachtet werden - mal von Bund, mal von Land. "Wir sollten nicht regulieren, was alles möglich ist. Sondern nur das regulieren, was auch nötig ist. Manche Regulierungen haben sich im Zweifelsfalle überholt, weil sie aus einer Zeit kommen, in der es deutlich weniger Angebote gab und der Zuschauer keine Möglichkeit hatte, wirklich zu wählen. Heute hat er sie", sagte Schäferkordt dazu im anschließenden Interview mit Hajo Schumacher, einem im Übrigen sehr launigen Gespräch. Man erlebt Anke Schäferkordt nicht oft öffentlich so schlagfertig und diskussionslustig. Immer wieder kontert Sie den Fragen des ebenfalls gut aufgelegten Hajo Schumachers, der daraufhin irgendwann feststellte: "Oh, Sie sind vorbereitet!". Schäferkordts trockener Konter: "Nein, ich kenn mich aus."
Ein weiteres Thema, dass Anke Schäferkordt auch schon in Ihrer Rede ansprach, war der Schutz des Urheberrechts. "Kein Inhalt ist ohne den Schutz seines Wertes ökonomisch darstellbar", so die RTL-Chefin. "Und wer in Deutschland und Europa, unseren wichtigsten Rohstoff, die Kreativität, schutzlos stellen will; wer die zentrale Rolle des geistigen Eigentums für den Kultur- und Wirtschaftsstandort ernsthaft in Frage stellen möchte, der wird hoffentlich Schiffbruch erleiden. Was übrigens für nautische Berufe, wie z.B. Piraten, unerfreulich sein würde." Ein Nachsatz, der beim Publikum der CDU Media Night, wenig überraschend, sehr gut ankam. Im Interview griff sie das Thema nochmal auf: Man dürfe sich "nicht bange machen, wenn es ein bisschen Widerstand von der sogenannten Netzgemeinde gibt. Dieser Widerstand, der in einer unheimlich emotionalen Form geführt wird, spiegelt nicht das Bild wider, das es in der deutschen Bevölkerung gibt. In der deutschen Bevölkerung wird sehr wohl anerkannt, dass Kreativität geschützt werden muss und das Menschen, die kreativ arbeiten, davon leben können aber auch diejenigen, die Kreativität erst möglich machen, nämlich Verlage, Sender, auch geschützt werden müssen."
Sie finden es ja auch nicht spannend, dass bei Ihnen ein Kabel aus der Wand kommt.
Anke Schäferkordt über die "Faszination" YouTube
Hajo Schumacher, der daraufhin Anke Schäferkordt auf der Bühne interviewte, sorgte sich eher um YouTube als neuen Konkurrenten für die klassischen Fernsehsender. Sei YouTube nicht fürs Fernsehen das, was Google für die Verlage ist? Und die Musikbranche habe schließlich auch schon ihre Erfahrungen mit dem Netz gemacht. Schäferkordts konterte: "Es gibt ganz wesentliche Unterscheidungsfaktoren: Im Print gibt es einen kompletten Medienbruch. Sie kommen von einem sehr analogen, von einem haptischen Medium zu einem digitalen Medium, einer ganz anderen Nutzungsform. Das haben sie im Fernsehen nicht. Unser Geschäft ist heute bereits vollkommen digital. Und für die Musik mussten sie bezahlen und das Internet hat es möglich gemacht - wenn auch nicht legal - die Musik gratis zu kopieren. Das ist der Unterschied zum Fernsehen: Das Privatfernsehen ist in Deutschland eh schon frei. Vor dem Hintergrund, glaube ich, sind wir etwas besser aufgestellt als andere Medien." Schumacher stellte daraufhin fest, dass es keine RTL-Inhalte auf YouTube gebe und fragte sich, ob RTL denn dazu bereit wäre, wenn man einen größeren Teil von den Werbeeinnahmen erhalten würde. Schäferkordt schmunzelte und antwortete dann trocken: "Wenn es auf unseren Plattformen läuft, sind 100 Prozent bei uns." Das saß.
Die Begeisterung für YouTube an sich versteht die RTL-Chefin nicht. Und sie erklärte in Berlin auch warum: "YouTube ist letztendlich ein moderner Kabelnetzbetreiber. Jemand der Inhalte weiterverbreitet. Was aber die Plattform attraktiv macht, sind die Inhalte selber. Sie finden es ja auch nicht spannend, dass bei Ihnen ein Kabel aus der Wand kommt. Sie finden es spannend, welche Inhalte durch das Kabel kommen. YouTube ist nicht so anders. YouTube ist nicht so spannend, sondern die Inhalte." Die Mediengruppe RTL Deutschland nutze YouTube, wie andere Sender auch, als Appetizer für die Angebote auf eigenen Plattformen. Ob das für den User eine komfortable Situation ist, steht auf einem anderen Blatt. Ohnehin muss man Schäferkordts Sichtweisen nicht zwingend teilen, um dennoch festzustellen: So meinungsfreudig und klar positioniert müsste Schäferkordt auch sonst die Konfrontation mit Journalisten und Kritikern nicht scheuen. Bei einer abschließenden Schnellfrage-Runde von Hajo Schumacher offenbarte Schäferkordt dann noch Borussia Dortmund die Daumen zu drücken und ganz bestimmt nicht WDR-Intendantin zu werden. Bei manchen Fragen jedoch wich Schäferkordt mal mehr, mal weniger gewitzt aus. "Sie schweigen auch immer an der falschen Stelle", stellte Hajo Schumacher fest.
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