Übernatürlich wurde es beim ABC-Piloten „The Whispers“, der gefühlt in die Fußstapfen von „The 4400“ und „V - Die Besucher“ tritt. In diese Richtung geht auch die von Sony für Amazon produzierte Serie „The After“. Das Spektrum der Serien bei den diesjährigen Screenings war insgesamt also recht groß. „Von großen, aufwändig produzierten Dramen bis Nischenshows für kleine Zielgruppen. Die Nachfrage nach Inhalten ist weiterhin groß, aber in der inhaltlichen Ausrichtung zunehmend differenzierter“, attestiert Jörg Graf, Chefeinkäufer der Mediengruppe RTL Deutschland. Doch bei all der präsentierten Vielfalt: Zwei Genres wurden in diesem Jahr ein wenig vernachlässigt. Zum wiederholten Male die klassische Familienserie a la „Brothers & Sisters“ sowie Comedy - was uns zum 4. Trend der Screenings bringt.



Trend Nr.4: Kaum Comedy: ProSieben hat weniger zu lachen

Marry me© Sony Pictures
Rüdiger Böss nimmt es mit Humor: „Die Comedy-Produzenten haben dieses Jahr Urlaub gemacht.“ In der Tat gab es in diesem Jahr bei den US-Studios offenbar eine Verschiebung von Comedy zu Superhelden, die sich für ProSieben erst noch als tauglich erweisen muss. Sitcoms sind schließlich in den vergangenen Jahren das Rückgrat des Senders gewesen. Bei Warner bekommt ProSieben mit „#selfie“ zwar eine Zeitgeist-Comedy, deren Pilot durchaus überzeugte. Wie lange sich jedoch die Idee trägt, einer Smartphone- und Socialmedia-süchtige Tussi ihre Macken abzugewöhnen, bleibt noch abzuwarten.

Und noch zwei DWDL-Favoriten

  • "Marry me" (Sony für NBC)

    Weil sie nach einem Mexiko-Urlaub immer noch keinen Heiratsantrag von ihrem Freund Jake (Ken Marino) bekommen hat, macht Annie (gespielt von Casey Wilson) ihn zuhause in der Wohnung Vorwürfe und beleidigt dabei seine Familie und gemeinsame Freunde. Blöd nur, dass all die sich gerade in der Wohnung verstecken weil Jake gerade vorhatte den lang erwartete Antrag zu machen. Das Darsteller-Duo ist erfrischend normal, die Story dafür umso lustiger. Das von Sony für NBC produzierte "Marry Me" ist für uns der Sympathieträger unter den neuen Comedys.

  • "Red Band Society" (ABC Studios für Fox)

    ABC Studios präsentiert diese US-Adaption einer spanischen Serienidee, die vom Leben und Leiden auf einer Krankenhaus-Kinderstation erzählt. "Red Band Society" (in den USA bei FOX) war für uns eine der positiven Überraschungen der Screenings. Schwarzer Humor und bewegende Geschichten machen es zur ungewöhnlichsten Krankenhaus-Serie aller Zeiten. Mit dabei sind u.a. Oscar-Gewinnerin Octavia Spencer ("The Help") als Krankenschwester und Dave Annable ("Brothers & Sisters") als Arzt.

Eine Tragikomödie für sich ist die Tatsache, dass die mit Abstand beste Comedy dieser LA Screenings von Sony kommt und damit nicht der ProSiebenSat.1-Gruppe sondern der Mediengruppe RTL Deutschland gehört. „Marry me“ (Foto) hat von NBC den Top-Sendeplatz hinter „The Voice“ versprochen bekommen - und auch mehr als verdient. Nirgends wurde bei den LA Screenings so laut gelacht wie bei dieser Serie. Doch davon abgesehen gab es nur wenig Comedy - und das dann auf eher unterdurchschnittlichem Niveau. Insgesamt findet ProSiebenSat.1-Chefeinkäufer Rüdiger Böss ein hartes Urteil zu manchen der in diesem Jahr gezeigten Serien-Piloten: „Bei vereinzelten Studios bin ich überrascht wie niedrig das Produktionsniveau war. Ich habe mich da ernsthaft gefragt, ob die auch in Farbe drehen können.“ Trotz dieser Erkenntnis und zu wenig neuer Comedy sei es ein gutes Jahr gewesen, so sein versöhnliches Fazit.

Eine Perle will er dann noch erwähnt haben: „Eine schöne Überraschung für uns ist ‚Jane the Virgin‘“, so Böss. Gemeint ist die im Vorfeld etwas belächelte Serienidee (von CBS/Electus für The CW) über ein 17-jähriges Mädchen, das durch eine Verwechslung im Krankenhaus versehentlich künstlich befruchtet wird. Auch Sky-Kollege Marcus Ammon sieht die LA Screenings 2014 als guten Jahrgang für Serien-Fans. Eine der Serien die ihm dabei noch aufgefallen ist: „American Crime“ mit u.a. Felicity Huffman in einer brisanten Story über die größten amerikanischen Aufreger-Themen der heutigen Zeit (Drogen, Einwanderung) - runter gebrochen auf ein bewegendes Familiendrama mit überraschendem Twist am Ende des Piloten.

Einer geht noch: Der singende Ritter „Galavant“

Galavant© ABC Studios
Es überrascht nicht, dass keiner der drei von uns befragten Einkäufer und auch darüber hinaus niemand, den wir bei den LA Screenings gefragt haben, ein Wort über „Galavant“ verliert. Die Serie aus dem Hause ABC Studios ist so verrückt, so albern und anders, dass man sich noch Tage später fragt, was man da eigentlich gesehen hat. „Galavant“ erzählt die Geschichte von einem gefrusteten Ritter im Mittelalter - als halbstündige Musical-Serie. Die Produktion erinnert nach der Sichtung des Piloten unweigerlich an Monty Pythons Spamalot. Erst die Winterpause von „Once upon a time“, wenn „Galavant“ seinen Auftritt bei ABC bekommt, wird klären, ob die verrückte Idee genial oder genial daneben war.