Zu Beginn dieser langen Wahlnacht schien die Frage, ob Sandra Maischbergers Stimme bis zum Ende durchhalten würde, noch die spannendste zu sein. Doch je mehr ihr Kratzen verschwand, desto enger wurde es plötzlich für Hillary Clinton. Wer glaubte, ihr Sieg über Donald Trump sei ausgemachte Sache, sah sich irgendwann in den frühen Morgenstunden getäuscht. Spätestens als sich herausstellte, dass mit Florida ein so genannter "Swing State" an die Republikaner gehen würde, war plötzlich nämlich gar nichts mehr klar in jenem Land, in dem die Möglichkeiten derart unbegrenzt sind, dass sogar einer wie Donald Trump ins Weiße Haus ziehen kann.

Der Stimmung auf den Wahlpartys, in die ARD und ZDF ihre überlangen Sondersendungen zur amerikanischen Präsidentschaftswahl packten, war das freilich nicht eben zuträglich, immerhin positionierte sich eine klare Mehrheit der anwesenden Zuschauer pro Clinton, wie sich schon sehr früh am Abend herausstellte. Als ARD-Zahlenmann Jörg Schönenborn die ersten Stimmen für den umstrittenen Milliardär verkündete, appellierte er noch an das Publikum: "Faire Zuschauer applaudieren auch da", sagte er, erntete aber doch nur Stille und stellte daraufhin etwas resigniert fest: "Es gibt nur wenige faire Zuschauer."

An diese Stille musste man sich im Laufe der Nacht gewöhnen, wenn sich Schönenborn mit frischen Analysen zu Wort meldete. Bei seinem ZDF-Kollegen Christian Sievers – in modischen Jeans, mit der Zeit ohne Krawatte und häufig vor einer etwas skurril anmutenden Kulisse im Stile einer Kochshow stehend – war das nicht anders: Je häufiger er sich mit Hilfe einer Glocke in der Sendung bemerkbar machte, desto seltener hatten Clintons Anhänger Grund zur Freude. Dabei wollte sich das ZDF mit Blick auf die Ergebnisse in Florida überraschend lange noch gar nicht festlegen.

Im Studio Washington war man zu diesem Zeitpunkt schon ein ganzes Stück weiter: Korrespondent Ulf Röller traute sich bereits um kurz nach 4, von einer "kleinen Sensation" zu sprechen, während sein Kollege Matthias Fornoff erstaunt fragte: "Was ist das eigentlich für ein Film, den wir gerade sehen?" Diese Frage konnten sich zuvor aber auch schon einige ZDF-Zuschauer stellen, als sich die Moderatoren im Hauptstadtstudio zu einem Selfie hinreißen ließen und Eva-Maria Lemke im weiteren Verlauf der Nacht immer wieder mit Promis und Zuschauern ein Zitate-Quiz spielte.

Da kamen die Kollegen des Ersten zunächst deutlich seriöser daher: Dort boten die Gesprächsrunden mit der kränkelnden Sandra Maischberger mitunter einigen Zündstoff und vor allem Jörg Schönenborn war es zu verdanken, dass die aktuellen Zahlen nicht nur schnell, sondern auch einordnend vermittelt wurden. Seine große Stärke ist die Souveränität, die er selbst dann ausstrahlt, wenn der Monitor, den er zu bedienen hat, nicht so will wie er gerne möchte. Schönenborn hat zu ziemlich jedem Bundesstaat die passenden Begleit-Häppchen parat und weiß etwa, dass "im Speckgürtel von Washington", wie er sagte, mehr demokratische als republikanische Wähler wohnen.

Dass er ganz nebenbei auch noch die Zeit für einen kurzen, aber aufschlussreichen Blog-Eintrag findet, ist umso beachtlicher. An dieses sichere Auftreten kommt Christian Sievers nicht heran, auch wenn er sich mit Fortschreiten der Wahlnacht in seinen coolen Chucks spürbar warmlief. Dagegen bestach Bettina Schausten auf Seiten des ZDF mit viel Durchblick und einer guten Interviewführung, bei der man sich dann doch noch etwas besser aufgehoben fühlte als bei den Gesprächen ihrer ARD-Kollegen Susan Link und Matthias Opdenhövel, die sich allerdings selbst nach zehn Stunden on air ebenfalls keine Blöße gaben.

Kurioses gab's in den stundenlangen Sendungen jedoch hier wie dort: Während im Ersten eine Zuschauern im Publikum strickte und wahlweise Trump-Toilettenpapier oder Clinton-Klobürsten vorgestellt wurden, interviewte eine ZDF-Reporterin in Florida eine aufgelöste junge Frau, die wählen wollte, aber wohl nicht durfte, weil sie nicht registriert war. "It's not fair", plärrte sie ins orange-farbene Mikrofon, das ihr bereitwillig vor die Nase gehalten wurde. Ein denkwürdiger Moment – ob er wirklich nötig war, steht allerdings auf einem anderen Blatt.

"Merkel-O-Meter" und bunte Luftballons

Dass die Entscheidung bei der Präsidentschaftswahl so lange auf sich warten ließ, kam indes den großen Privatsendern zugute, die – anders als die Öffentlich-Rechtlichen – auf lange nächtliche Übertragungen verzichteten und zumindest in der entscheidenden Phase live dabei waren. "Wir sind mittendrin in der spannendsten Wahlnacht des Jahres", sagte der Sat.1-Nachrichtenmoderator um kurz nach 3, um nach nur zehn Minuten dann doch wieder an die Scripted Reality "Auf Streife" zu übergeben. Ganz so spannend fand man das Rennen ums Weiße Haus also offensichtlich doch nicht. Als das "Frühstücksfernsehen" knapp zwei Stunden später begann, sah man Claus Strunz schließlich in einem riesigen Meer aus blauen und roten Luftballons sitzen, nachdem zuvor das "Merkel-O-Meter" befragte.

Deutlich informativer kam da schon RTL daher, wo Wolfram Kons und seine Co-Moderatorin allem Anschein nach nur deshalb um 4 Uhr im Kölner Studio standen, um eine USA-Flagge über den Tresen zu hängen. Die meiste Zeit waren nämlich Peter Kloeppel und Christof Lang am Zug, die ebenso souverän wie seriös durch das Wahlprogramm führten und letztlich trotz identischer Gesprächspartner wesentlich zugänglicher als der Schwestersender n-tv berichteten. Da hätte eine gemeinsame Sendung wie vor vier Jahren aus Sicht des Nachrichtenkanals vermutlich mehr Sinn ergeben. Der kam stattdessen ähnlich wie Phoenix stellenweise regelrecht behäbig daher.

N24 stellte verglichen damit eine deutlich flottere Sendung auf die Beine und bot mit dem Korrespondenten Steffen Schwarzkopf außerdem einen guten Gesprächspartner. Im Studio fehlte es allerdings zunächst an großen Namen. Meinungsfreudige Besucher wie einst Dieter Kronzucker oder Michel Friedman hätten dem Sender sicher gutgetan. Und so boten letztlich dann doch ARD und ZDF unterm Strich die beste Berichterstattung. Dank vieler Schalten und Interview-Gäste boten sie ein abwechslungsreiches Programm in einer unerwartet spannenden Nacht mit einem noch viel unerwarteteren Ausgang. Sandra Maischbergers Stimme mutierte in den frühen Morgenstunden längst zum mit Abstand geringsten Problem.

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