"Ich habe mir Gedanken gemacht, wie man den Recall anders und spannender machen kann – und ihn dieses Jahr total umgekrempelt." Für die Kandidaten werde es zwar schwerer, für den Zuschauer aber spannender. So klang das, als Dieter Bohlen zu Jahresbeginn vollmundig über die anstehenden Veränderungen bei "Deutschland sucht den Superstar" sprach. Beim Blick auf die jüngsten Quoten des RTL-Dauerbrenners dürfte dem vom Boulevard lange und von RTL noch heute als Pop-Titan gefeierte Musikproduzenten das Dauergrinsen vermutlich gehörig vergangen sein. Seine Idee – so es denn wirklich seine war – kann rückblickend als gescheitert betrachtet werden.

Weniger als 14 Prozent Marktanteil verzeichnete der letzte Recall in der Zielgruppe. Damit landete "DSDS" – wohl bemerkt beim jungen Publikum – hinter "Verstehen Sie Spaß?" und einem ZDF-Krimi. Eine Ohrfeige für RTL. Die Hoffnungen der Verantwortlichen von Sender und Produktion ruhten auf dem Comeback der Mottoshows, doch mit 2,70 Millionen Zuschauern und einem Marktanteil von gerade mal noch 13,6 Prozent wurden die ohnehin schon bitteren "DSDS"-Tiefstwerte der Vorwoche sogar noch unterboten. Seit dem Staffel-Rekord im Januar, der wie immer mit den klassischen Castings begann, hat die Show mal eben die Hälfte ihrer Zuschauer eingebüßt.

Keine Frage: Die Not ist groß bei "Deutschland sucht den Superstar". Darauf angesprochen, gibt man sich bei RTL zumindest offiziell gelassen und verweist auf 3,82 Millionen Zuschauer, die die bislang 18 ausgestrahlten Folgen seit Jahresbeginn im Mittel einschalteten, und auf den durchschnittlichen Marktanteil von 19,4 Prozent beim jungen Publikum. "Das sind für den aktuellen Markt, das Alter der Showreihe und die Laufzeit – über 4 Monate – Zahlen, mit denen man durchaus zufrieden sein kann", sagt Sendersprecherin Anke Eickmeyer gegenüber dem Medienmagazin DWDL.de und hat damit ohne Zweifel recht – dennoch ist der jüngste Absturz heftig.

Zuschauer-Trend: Deutschland sucht den Superstar
Deutschland sucht den Superstar

Die Zeiten, in denen "Deutschland sucht den Superstar" von Anfang bis Ende das Feld spielend dominierte, sind vorerst vorbei. Wie dramatisch sich die Situation gewandelt hat, zeigt der Blick zurück. Fast exakt zehn Jahre ist es her, dass sich RTL erstmals traute, seine "Superstars" gegen "Wetten, dass..?" ins Rennen zu schicken. Zusammen dominierten beide Shows mehr seinerzeit die Hälfte des Marktes. 2017 ist "Wetten, dass..?" längst Geschichte und "DSDS" kommt nicht mal mehr gegen Frank Elstners Geburtstagsshow an. Selbst "The Voice of Germany", das nach den Blind Auditions bei ProSieben und Sat.1 ähnlich wie "DSDS" nach den Castings mit rückläufigen Quoten zu kämpfen hat, hielt sich in diesem Jahr besser.

"Wir sehen, dass der Recall, der auch in der Vergangenheit eine Schwachstelle war, in diesem Jahr noch schwächer gelaufen ist und auch anscheinend Auswirkungen auf den Start der Live-Mottoshows gehabt hat", räumt RTL-Sprecherin Anke Eickmeyer ein und ergänzt: "Die genaue Quotenentwicklung werden wir im Zuge einer Gesamtbetrachtung nach dem Finale mit unserer Medienforschung genau prüfen und entsprechende Learnings ableiten." Eines dieser Learnings dürfte vermutlich sein, dass die Zuschauer keinen Gefallen daran fanden, die vermeintlich erfolgsversprechenden Castings bis kurz vor Beginn der Liveshows untergejubelt zu bekommen.

Das Problem: Wo es eigentlich längst darum gehen sollte, die vermeintliche Heldenreise der Kandidaten in Gang zu setzen, tauchten regelmäßig neue Gesichter auf, die eine Identifikation mit dem bereits vorhandenen Cast erschwerten. RTL und die Produzenten von UFA Show & Factual haben es auf diese Weise verpasst, eine Trennlinie zu ziehen zwischen den schon immer schrägen Castings und der deutlich ernsthafter angelegten Recall-Phase vor der Kulisse Dubais. Überhaupt diese Kulisse! Wer Bohlen und all die anderen Protagonisten zwischen Hochhäusen und schicken Yachten sah, musste unweigerlich den Eindruck gewinnen, dass "DSDS" längst in einer unwirklichen Plastik-Welt angekommen ist.

DSDS-Kandidat Andrea© RTL / Stefan Gregorowius

Ein "DSDS"-Kandidat in Dubai

Dass es dem Sender nach all den Wochen offenbar nicht ausreichend gelang, den Zuschauern die Kandidaten näherzubringen, wirkt sich jetzt auch negativ auf die Phase der Mottoshows aus, die am vorigen Samstag damit begann, dass 13 blasse Nobodys zu grellen Licht-Effekten und lautstarker Disco-Musik die Show-Bühne betraten. Wie jene drei Sänger hießen, die zwischen Recall und Liveshow auf der Strecke blieben, war RTL übrigens nicht eine Silbe wert – ganz zu schweigen von den Gründen, die zu ihrem Ausscheiden führten. Ein ganz schöner Beweis dafür, wie austauschbar "Deutschland sucht den Superstar" nach all den Jahren geworden ist, auch wenn der Sender schon längst kein Geheimnis mehr daraus macht, dass es kaum noch ernsthaft darum geht, einen echten "Superstar" zu finden.

Doch wenn man ohnehin schon keinen "Superstar" finden will, sollten zumindest die Quoten stimmen. Je näher sich diese jedoch dem ohnehin schon tristen RTL-Senderschnitt annähern, desto mehr stellt sich die Frage, wie lange man die Kuh noch melken kann. Nüchtern betrachtet käme dem Format nach all den Jahren eine Pause sehr gelegen – so wie etwa in den USA, wo FOX dem Pendant "American Idol" vor einem Jahr nach 15 Staffeln den Stecker zog. RTL steht jedoch angesichts allgemein sinkender Quoten vor dem Dilemma, auf die starke Auftakt-Phase von "DSDS" mit Marktanteilen von bis zu 27 Prozent kaum verzichten zu können. Es bräuchte daher eine gehörige Portion Mut, dem Dauerbrenner die dringend nötige Erholung zu gönnen. Und Ideen für die Zeit danach. Ob sich Dieter Bohlen darüber bereits Gedanken gemacht hat?