Und dann schauen doch plötzlich alle wieder Fußball. Es ist Dienstag, kurz nach halb 8 am Abend, als feststeht, dass Schalke und Bayern im Elfmeterschießen gegeneinander antreten müssen. Kein herausragendes Ereignis, schließlich stehen gerade nur die U19-Mannschaften auf dem Platz und nicht Boateng und Burgstaller, doch weil es immerhin um den Einzug ins Finale geht, kann sich Sport1 nicht mal einfach so ausklinken. Dabei hätte man allen Grund dazu: In Köln trifft die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft in einem alles entscheidenden Spiel auf Lettland und die Mannschaft um Moderator Sascha Bandermann steht längst parat.

Mit Elfmeterschießen hat hier niemand gerechnet. Eilig wird die Sendung umgebaut, vorbereitete Einspieler müssen weichen. Ärgerlich, aber letztlich Routine. Die Aufregung ist allerdings schnell verflogen, weil das Spiel in der Kölner Lanxess-Arena mit seinen Höhen und Tiefen all das bietet, was man sich bei Sport1 erhofft. Erst die klare Führung der deutschen Mannschaft, dann ein plötzlicher Rückstand und schließlich ein Last-Minute-Tor, das den Weg frei macht für das spannende Penalty-Schießen. Die Halle tobt und auch im Studio des Sportsenders gibt es jetzt kein Halten mehr. Groß ist die Erleichterung, als klar wird, dass der Heim-WM-Traum noch nicht zu Ende ist.

Schaut man sich die Quoten an, dann ist die Freude nachvollziehbar. Fast zweieinhalb Millionen Zuschauer zählte Sport1 in der Schlussphase der Partie, für den Spartensender war es die drittbeste Eishockey-Quote aller Zeiten und sogar die höchste seit der letzten Heim-WM vor sieben Jahren. In einem Land, das sonst meist nur Fußball im Kopf hat, ist das ein riesiger Erfolg. Doch auch schon an den vorherigen Tagen profitierte Sport1 von der Weltmeisterschaft vor der eigenen Haustür: Die Marktanteile der vergangenen Turniere, die nach den Spitzen-Quoten im Jahr 2010 meist bei weniger als drei Prozent lagen, konnten bislang klar überboten werden.

Seitenwechsel. Drüben, auf der Kommentatoren-Tribüne, erholt sich Basti Schwele gerade in der Pause vor dem letzten Drittel von einer mitreißenden Partie. So richtig will ihm das allerdings nicht gelingen – zusammen mit seinem Kollegen Rick Goldmann gibt er an diesem Abend am Mikrofon alles. Dabei hat das Duo zu diesem Zeitpunkt bereits einen echten Marathon hinter sich. Die Begegnung zwischen Deutschland und Lettland ist schon das dritte Spiel, das sie an diesem Tag kommentieren. Da ist jedes Mal aufs Neue höchste Konzentration gefragt, wenn der kleine Puck von ganz oben beobachtet wird.

Marcel Goc bei der Eishockey-WM© DWDL.de / Alexander Krei

Der verletzte Nationalmannschafts-Kapitän Marcel Goc auf der Sport1-Tribüne

"Wenn du ab 12 Uhr mittags kommentierst, dann ist nicht nur deine Stimme ausgereizt, sondern auch dein Kopf", sagt Schwele zu einem Zeitpunkt, an dem noch nicht geahnt wird, dass es die Deutschen noch einmal richtig spannend machen würden. Nicht weniger angespannt ist Marcel Goc, der als eigentlicher Kapitän der Mannschaft wegen einer Verletzung nicht auf dem Eis steht, sondern bei den Sport1-Kollegen als Experte. Zwei, drei Tage habe er überlegt, ob er den Schritt vor die Kamera wagen solle, ehe er zusagte. Die drohende Niederlage seiner Jungs bereitet ihm an diesem Abend allerdings weitaus größere Sorgen als das Rotlicht an der Kamera.

Deutlich ruhiger ist die Situation zunächst im Übertragungswagen, wo fast schon meditative Stille herrscht. "Die WM lief bisher weitestgehend stress- und problemfrei", sagt Ü-Wagen-Leiter Guido Breuer. "Wirklich ins Schwitzen kommen wir aber dann, wenn späte Tore fallen." Diese müssen für die Zusammenfassungen, die kurz nach dem Abpfiff gezeigt werden, nämlich schnell zusammengeschnitten werden. Tatsächlich dürfte die turbulente Schlussphase auch hier noch einmal für Stress gesorgt haben. Die Erleichterung über den Sieg und damit ein weiteres Spiel für die Nationalmannschaft - am Donnerstag ab 20:15 Uhr gegen Favorit und Titelverteidiger Kanada - wird jedoch ähnlich wie bei den Kommentatoren und Moderator Sascha Bandermann überwogen haben.

Der gab den Zuschauern nach einem turbulenten Abend zum Abschied noch einen gut gemeinten Rat mit in die Nacht: "Sie dürfen ruhig einen Schluck nehmen, wir müssen alle runterkommen."