20 Jahre ist es her, dass Jan Ullrich mit einem Sieg bei der Tour de France in Deutschland ein wahres Radsport-Fieber auslöste. Viele Millionen Zuschauer saßen vor dem Fernseher und drückten ihrem Helden die Daumen. Doch durch immer neue Doping-Enthüllungen fiel die Sportart ebenso schnell in die Krise. Der Tiefpunkt 2007: Zehn Jahre nach dem Triumph stiegen ARD und ZDF aus den Übertragungen aus, woraufhin Sat.1 kurzfristig einsprang und von den Fans eine deftige Klatsche verpasst bekam. Nachdem weit weniger als eine Million Zuschauer eingeschaltet hatten, zog der Privatsender ein verbittertes Fazit: "Die Tour gehört nicht mehr in einen großen Sender", hieß es damals zerknirscht.

Im Jahr 2017 würde wohl zumindest bei der ARD diesen Satz niemand mehr unterschreiben. Nach einigen Jahren ohne Tour de France hat man sich der Frankreich-Rundfahrt inzwischen wieder angenommen und zeigt die Etappen nicht nur beim Kleinstsender One, sondern auch im Hauptprogramm. Mit Erfolg: Mit fast durchweg zweistelligen Marktanteilen erwies sich die Tour als verlässlicher Quotenbringer für den Sender, zwischenzeitlich schalteten sogar mehr als zwei Millionen Zuschauer ein – und hätte Marcel Kittel als Träger des Grünen Trikots nicht vorzeitig aufgeben müssen, wäre in den letzten Tagen sehr wahrscheinlich noch ein bisschen mehr drin gewesen.

Axel Balkausky© ARD/Ralf Wilschewski
Entsprechend zufrieden klingt ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky (Foto). "Die Tour de France 2017 hat sich hinsichtlich der Zuschauerzahlen im Vergleich zum Vorjahr deutlich gesteigert. Das Interesse war groß, insbesondere vor Ort an der Strecke an den beiden ersten Tour-Tagen in Deutschland", lässt er sich zitieren und bezeichnet das Zusammenspiel zwischen One und dem Ersten als "sehr gut". Trotz aller Euphorie gibt man sich in der ARD jedoch zurückhaltend – ganz so, als traue man dem Brauten noch nicht so recht. Während die Europäische Rundfunkunion (EBU) gerade den TV-Vertrag für 60 Länder verlängerte, blieben die Öffentlich-Rechtlichen hierzulande außen vor.

Eurosport erkauft sich mehr Exklusivität

Das Problem ist die Laufzeit des Vertrags, der bis zum Jahr 2023 gültig ist. Man sehe "keinen Bedarf", sich in dieser programmlichen Frage schon so weit im Voraus festzulegen, heißt es aus München, wo man vorerst nur bis 2018 plant und für die Zeit danach erneut separat verhandeln will. Bei Eurosport ist man schon deutlich überzeugter: Gerade erst hat sich Discovery für seinen kleinen Sportsender etwas mehr Exklusivität erkauft. Ab 2020 wird Eurosport hierzulande die erste halbe Stunde jeder Etappe übertragen, ohne Konkurrenz fürchten zu müssen. Angesichts der auch hier gestiegenen Quoten ist das zumindest ein kleiner Vorteil für die Zukunft.

Tatsächlich wurde Eurosport für seine umfangreiche Berichterstattung von den deutschen Zuschauern belohnt: Im Schnitt haben dort mehr als 300.000 Radsport-Fans eingeschaltet, Discovery spricht von einer Steigerung um ein Drittel gegenüber dem Vorjahr und will an seinem bewährten Konzept daher festhalten. Mit Blick auf die Vertragsverlängerung sagt Eurosport-CEO Peter Hutton: "Damit möchten wir eine klare Botschaft an alle Radsportfans senden: Wenn ihr den Sport verfolgen möchtet, dann seid ihr bei Eurosport genau an der richtigen Stelle. Bei uns könnt ihr jeden Sprint, jede Bergattacke und jeden Ausreißversuch bei den größten Rennen sehen."

Bleibt noch die Doping-Problematik, die in diesem Jahr zwar auch zum Thema gemacht wurde. Doch 20 Jahre nach Jan Ullrichs Sieg und zehn Jahre nach dem plötzlichen Ausstieg der Öffentlich-Rechtlichen scheint es, als liege der Fokus wieder stärker auf dem Sportlichen. Die Tour de France ist jedenfalls zurück in der Erfolgsspur – zwar weit entfernt von einstigen Quoten-Höhen, aber ebenso weit davon, als Nischenprodukt wahrgenommen zu werden. Dass das größte Radrennen der Welt nicht mehr in einen großen Sender gehört, wurde längst wiederlegt.