„Keinem von uns war es erlaubt, die Sendung zu sehen“, leitete eine Journalistin ihre Frage beim gemeinsamen Interview mit Phelps ein. „Wie waren Sie denn geschützt?“ Phelps beantwortet es nicht direkt. Redet von 15 Sicherheitstauchern, die dabei gewesen seien. „Wir alle wollten so sicher sein wie möglich.“ Mehrfach noch redet er auf Nachfragen über Sicherheit und die große Herausforderung. Ein anderer Journalist fragt, ob dies dann das härteste Rennen seines Lebens gewesen sei. Phelps antwortet: „Ich hatte schon einige harte Rennen in meinem Leben, aber ich denke das war der angsteinflößenste Gegner, den ich je hatte.“ Später beschreibt er das Rennen mit den Worten: „Ein Traum wurde wahr.“ Ob er seinen Sohn gegen den Hai antreten lassen würde? „Wenn er es will“, antwortet Phelps.



Ich selbst habe mich zurückgehalten. Zwei kurze Fragen, mehr nicht. Auf meinem iPhone hatte ich die deutsche Pressemitteilung zu „Phelps vs. Shark: Die Hai-Speed-Challenge“ geöffnet. Sie war präziser und konterkarierte das ganze Interview. Darin heißt es Phelps werde „in ‚Phelps vs. Shark: Meine Hai-Speed-Challenge‘ unter realen Bedingungen dank modernster digitaler Aufbereitung selbst gegen die wendigen Raubfische“ antreten. So klar und deutlich formulierten es die englischen Materialien nicht. So klar wurde auch Phelps im Interview nicht. Ich war irgendwie fasziniert: Bei dem einstündigen Gespräch ist Phelps der bemerkenswerte Hürdenlauf gelungen, die falschen Erwartungshaltungen der Journalisten nicht mit zu viel Details einzureißen. US-Gesprächspartner sind einfach gut trainiert.

Natürlich hat Michael Phelps in dem einstündigen Interview auch weniger strittige Aussagen getroffen. Dass sein Leben ohne Schwimmkarriere für ihn schwieriger sei als das jahrelange, tägliche Training mit klarer Zielvorgabe. Dass es ihn fasziniere, wie viel die Menschheit über das Weltall in Erfahrung gebracht hat, aber wie wenig die breite Mehrheit wiederum über unsere Ozeane weiß. Mit seiner Teilnahme will er Aufmerksamkeit für das Thema wecken. Neben dem vermeintlichen Rennen zeigt Discovery Channel im Rahmen der „Shark Week“ auch „Michael Phelps: Mein Hai-School-Abenteur.“ Doch all das ist in der Aufregung um das vermeintliche Wettschwimmen untergegangen. Es ist ein riskantes Spiel, das Discovery hier spielt.

Als Medienkonzern, der sich weitgehend auf Factual Entertainment fokussiert hat, fiel es Discovery Communications im medialen Konzert der vergangenen Jahre immer schwerer die Aufmerksamkeit der breiten Masse zu gewinnen. Weitaus lauter und präsenter waren in den USA wie weltweit andere Genres, etwa Reality-TV und Castingshows. Dann kam „the new golden age of television“ - und mit ihm der Serienkult. Wie schafft man in diesem Umfeld Aufmerksamkeit für oft eher zeitloses, weniger schlagzeilenträchtiges Factual Entertainment? Discovery hat mit dem Ausbau der „Shark Week“ erkannt: Es braucht die Eventisierung, die punktuell große Aufmerksamkeit verschafft.

Shark Week© Discovery


Glaubt man dem Spruch „Any PR is good PR“, dann lässt sich jetzt schon sagen: Die „Shark Week“ 2017 war ein voller Erfolg. Selten wurde so viel darüber gesprochen. Doch Discovery Communications spielt in letzter Zeit oft mit dem Feuer. Der einst allein auf Factual Entertainment spezialisierte Konzern will wachsen - und muss sich dafür breiter aufstellen als früher. Längst zeigt der Discovery Channel z.B. auch thematische Reality-Gameshows, zeigt in den USA ab 1. August mit „Manhunt: Unabomber“ seine zweite fiktionale Serie (die hochkarätig besetzt und auf Basis der ersten beiden Folgen sehr vielversprechend ist). Und in Europa mischt man mit Eurosport bekanntlich in aufsehenerregender Art und Weise im Sportrechte-Geschäft mit.

Der einst einer Nische verschriebene Konzern öffnet sich. Das kann aufgehen, birgt aber das Risiko, eine einmalige Positionierung im internationalen Fernsehmarkt zu verwässern. Aufregung um den so lange so sorgsam gepflegten Markenkern von Discovery - Factual Entertainment - braucht es da nicht auch noch. Hier hat Discovery beim vermeintlichen Rennen bewusst in Kauf genommen, dass im Vorfeld der Ausstrahlung eine diffuse Erwartungshaltung die Quote in die Höhe treiben könnte, nur um dann viel Enttäuschung zu ernten. Man hätte dem Konzern und der „Shark Week“ gewünscht, man wäre der Versuchung nicht erlegen. Es diskreditiert in unnötiger Weise eine ehrenhafte Sonderprogrammierung von enormer Tiefe.

„Sagen zu können, ich bin gegen den Weißen Hai geschwommen“, sagte der 23-fache Olympia-Sieger vergangenen Donnerstag im Interview über "Phelps vs. Shark". Und fragte: „Wie viele Menschen können das von sich behaupten?“

Keiner.